Abschreckung vom "Abenteuer Dschihadismus" durch brutale Bilder?
In Großbritannien befürchtet man mögliche Terroranschläge durch Syrien-Heimkehrer und überlegt sich Präventivmaßnahmen
Durch die militärischen Erfolge der ISIL, die den Fanatikern große mediale Aufmerksamkeit beschert, bekommt auch die Diskussion darüber neue Schärfe, mit welchen Mitteln sich die westlichen Staaten vor der Gefahr heimkehrender Dschihadisten schützen sollen. Es wieder einmal die Stunde der Anti-Terror-Spezialisten. In Großbritannien ist es eine Frau, Cressida Dick, die den ranghöchsten Posten in der Abteilung Terrorismusbekämpfung der Metropolitan Police bekleidet. Vor ihrem anstehenden Wechsel als Chef des Ressorts Schwerverbrechen überrascht sie mit einer auf den ersten Blick plausiblen Einsicht zur Rekrutierung neuer Anhänger extremistischer Weltanschauungen, der dann gewohnte Forderungen nach mehr Überwachungskompetenzen und Freiheitsbeschränkungen folgen.
In einer Rede, die vom Guardian und anderen britischen Medien inhaltlich wiedergegeben wird, deutete die Polizeichefin an, dass Bilder aus Syrien eine abschreckende Wirkung haben und zu einer ablehnenden Haltung gegenüber den Dschihadisten führen.
Bilder aus den Konfliktzonen hätten einen "guten Nutzen", wird Cressida Dick vom Guardian zitiert. Die Zeitung versteht die Aussage, wie sie mit der Überschrift - "Jihadists in UK deterred by Syria and Iraq war images, says says Cressida Dick" - anzeigt, in dem Sinne, dass sich mit den Abschreckungseffekt der dargestellten Grausamkeiten arbeiten lässt. Das würde darauf hinauslaufen, dass ISIL mit den in Propagandvideos zur Schau gestellten Bestialitäten (Wie ISIL Medien nutzt) selbst dafür sorgt, Zuseher, die mit dem "Abenteuertum" des Brutalo-Dschihad kokettieren, ausreichend von derartigen Mondscheinideen abzustoßen und von der Menschenverachtung ihres Programms zu überzeugen.
Dafür liegen aber keine überzeugenden Beweise vor. Selbst wenn die Mehrheit etwa auf Bilder der Fanatiker - die ihre absolute Machtausübung mit Genickschüssen auf Wehrlose dokumentieren, die sie zuvor über korrektes Beten ausgefragt haben - höchstwahrscheinlich mit Abscheu reagiert, finden sich immer auch Personen, die sich von solcher Gewaltausübung auch angezogen fühlen. Wäre dem nicht so, dann gebe es nach Dokumenten über SS-und Naziverbrechen keine Anhänger solcher Fanatiker mehr.
Möglicherweise wollten die Guardian-Reporter auch nur den Punkt der Rede der Anti-Terror-Spezialistin herausstellen, der am wenigsten in Konflikt mit Bürgerrechten steht. Schon die ersten anschließenden Präzisierungen zum guten Nutzen, den die Terrorbekämpfer an der Homefront aus den Bildern aus Syrien ziehen können, zeigen, dass die Ermittler nicht so sehr auf Katharsis setzen, sondern ganz praktisch auf Identifizierungseffekte, das Erkennen von Haßpredigern oder von Dschihadisten britischer Herkunft durch Bekannte.
500 Dschihadisten, die sich syrischen Gewalttätern angeschlossen haben, sollen es nach kursierenden Schätzungen britischer Herkunft sein. Prominente Politiker wie Baron Carlile machten in den letzten Tagen mit Aussagen auf sich aufmerksam, wonach jeder Zehnte für einen Terroranschlag in Großbritannien in Frage kommen könnte. Und es ist nicht nur die Polizeichefin Cressida Dick, die daraus die Folgerung zieht, es wäre an der Zeit, Zugriffe und Gesetze zu verschärfen. Bislang regt sich zur Praxis, sogenannte Rekrutierungsvideos auf Youtube sperren zu lassen, kein Widerstand.
Das könnte bei der Forderung, das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung durch Provider wieder neu zu beleben, schon anders aussehen. Die Zeichen, dass das Gesetz bei einer Neuaufnahme genügend politische Unterstützung bekommt, stehen aber momentan nicht schlecht. Ähnliches gilt für die Control Order, die bei Terrorverdächtigen weitestgehende Freiheitsbeschränkungen veranlasst. Zwar beschränkt sich Cressida Dick wie auch Politiker darauf, dass es Diskussionsbedarf gebe, dass man einer Wiederaufnahme der Gesetze in der strengeren Form vor der Revision 2011 nicht das Wort reden wolle, aber letztendlich tun sie genau das.