Absolut Shocking

Die Auserwählten für den Kurzfilmpreis stehen fest, Kongruenz zu ausgelutschten Themen scheint angesagt zu sein

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TV-Produzentin Regina Ziegler, Senta Berger und Barbara Rudnik - die Jury für den Absolut Shocking Short Award (Kurzfilm) ist eine illustre Gesellschaft. Dazu gesellt sich Florian Gallenberger, der für seinen Kurzfilm "Quiero Ser" erst kürzlich den Oscar nach Hause holte. Aus den Bereichen Action, Krimi, Thriller, Mystery, Sci-Fi oder Horror wird der Rahm abgeschöpft und auf dem Münchner Filmfest am 4. Juli gezeigt. Nun stehen die ersten Auserwählten fest.

Das Ganze wird vom Fernsehsender 13thStreet, der Actionsparte von Premiere World, veranstaltet. Der Preis ist weniger für die Garage gedacht, denn es geht um eine Nachwuchsveranstaltung. So wird der Gewinner nach LA reisen und dort an einem "Universal Studios Filmmasters Programm" teilnehmen, um seine Regie- und Filmkünste zu verfeinern. Und für die nächste Runde im Januar 2002 können sich Shocking-Kurzfilmer ab jetzt wieder bewerben unter www.absolutshockingshorts.de.

Im letzten Jahr durfte Deutschlands schönster Frosch im Hals - Veronica Ferres - dem Gewinner, der Münchner Filmstudent Florian Donnersmarck, den Hauptpreis überreichen: Eine Regie-Hospitanz bei den Universal Studios. Die Lokalzeitungen waren voll des Lobes - für die Partylocation. 600 Gäste begossen den Beginn der hiesigen Kurzfilmszene in einem Heizkraftwerk. Absolut Shocking! Noch schockierender war die Tatsache, dass der prämierte Film ein Thema ins Zentrum stellte, das bereits jedes Käseblatt bis auf den letzten Blutstropfen ausgequetscht hatte: Kampfhunde - in diesem Fall Dobermänner.

Dieses Jahr erwarten den Zuschauer ähnlich einfallsreiche Plots. Die drei Finalisten scheinen alle sehr bemüht um eine Kongruenz zu ausgelutschten Themen. Während Arne Feldhusen in seinem 15-Minüter "Auf der Couch" ein abstraktes Frage-Antwortspiel zwischen einer Psychologin und ihrem Patienten inszeniert, steht in Frank Nesemanns brisantem Milieu-Thriller "Ist gut jetzt" das Thema Ausländerfeindlichkeit im Mittelpunkt. Mit "Oberstube" erzählt Sebastian Winkels in sechs Minuten ein schizophrenes Mystery-Drama von einem inneren Kampf ums Gleichgewicht.

Warum der deutsche Film, der ehemals als zu schwierig und intellektuell galt, jetzt wieder in der Versenkung zu verschwinden droht, ist bereits in den Nachwuchsveranstaltungen zu sehen. Man hat das Ruder herum gerissen. Nachdem Verona Feldbusch und Stefan Raab als Kultfiguren die Verprollung gesellschaftsfähig gemacht haben, gilt es in der hiesigen Kulturlandschaft als ausgemacht, entweder die Verlierer einer erfolgsverwöhnten Gesellschaft in ein artifizielles Filmgewebe zu verspinnen oder die 68er Themen neu zu erfinden - also Psychotherapie, Kontemplation und Selbstkonzept. Immer alles aus der Sicht des einfachen Mannes. Es scheint schick zu sein, den Kontrast der Schickeria als Totem zu umtanzen. Georges Bataille, ein französischer Philosoph und Literat, hatte in der Mitte des gerade ausgegangenen Jahrhunderts zur Entwicklung der menschlichen Kultur einiges Interessantes beigetragen: In der Angst und Ohnmacht rund um den Tod finden sich Gruppen zusammen, die Opfer bringen. Wer tötet, kann nicht sterben, mag die Devise der frühen Menschen gewesen sein. Übertragen auf die heutigen Opferrituale im Kino: Wer die Armut und den Wahn thematisiert, der muss gesund und munter sein.

Dass neulich erst Benny Stuckrad-Barre und Christoph Schlingensief hier schon gewildert haben, ist wohl erst verständlich, wenn man sich Barres Tätigkeit als Trendscout vorstellt. Die Generation X wird langsam ihrer selbst überdrüssig - und wenn man über langhaarigen Kiffer keine Witze mehr machen kann, dann wird es Zeit für Shocking! Ausländer in den Container oder in den Kurzfilm. Wer einige Zeit in einem fremden Land verbracht hat, wird einsehen, dass es interessantere Dinge an den Nichtdeutschen gibt als die mangelnde Integrationsfähigkeit der braven Einheimischen. Es hilft nichts, ein Wochenende ausgelassen durch ein Heizkraftwerk zu schwofen.

Wer weiß, vielleicht ist aber gar nicht die Gilde der Kunstschaffenden verantwortlich. Denn aus 154 Einsendungen wurden ausgerechnet oben benannte Filme in die Finalrunde gehievt. Es kann also auch etwas mit der Jury zu tun haben, das man nur noch politische Kunst machen kann. Leider werden Themen wie Freundschaft, Familie oder Liebe nur noch in Sönke Wortmanns Werbefilmchen mit kalkulierten Pointen verpackt. Früher wurden noch Fassbinder-Filme öffentlich gefördert, da konnte ein Andrej Zulawski in Frankreich die Ketten einer Generation sprengen. Heute steht ein Kultregisseur im Garten und sprengt die 10.000 m² Rasen in Bogenhausen. Warum auch nicht, solange noch solche Persönlichkeiten wie Dennis Hopper geboren werden.