Ach, Olympia!

Seite 3: IOC heuchelt Normalität, China profitiert

Möglich ist das alles nur durch ein IOC (Internationales Olympisches Komitee), das sich wegduckt, wenn es mit unangenehmen Fragen konfrontiert wird. Ein moralischer Dinosaurier. "Stille Diplomatie" nennt man das offiziell. Die Haltung lässt unangenehme Erinnerungen wach werden.

Das IOC hat inzwischen zweifellos ein schweres Imageproblem mit den anstehenden Olympischen Winterspielen in Peking. Themen wie Verfolgung von Minderheiten, Unterdrückung von Demokratiebestrebungen und Menschenrechtsverletzungen, die auf das Konto von Chinas Parteidiktatur gehen, werden dennoch notorisch ausgeblendet. Das wirkt so abstrus künstlich wie der Schnee auf Chinas Bergen.

Bezeichnend ist in dem Zusammenhang das Interview, das IOC-Präsident Thomas Bach am 14.11.2021 dem ZDF gab. Auf die beharrlichen Nachfragen des Moderators Yorck Polus nach den politischen Implikationen und der Signalwirkung von Olympia 2022 erleben die Zuschauer einen Präsidenten, der bis zur Peinlichkeit jedwede wertbesetzte Relevanz der Spiele außerhalb der Pisten von sich weist. Von politisch-gesellschaftlicher Obliegenschaft keine Spur.

Unsere Verantwortung kann es nicht sein, die politischen Probleme dieser Welt zu lösen.

IOC-Präsident Thomas Bach im Interview, 14.12.2021

Die Standardantwort aller wackeren Interessenvertreter dieser Erde, mit der sie sich die Moral vom Leib halten. Zum x-ten Male vom couragierten Frager angesprochen auf die - inzwischen längst weltweit aufgeworfenen und lebhaft debattierten – Fragen um die Mitverantwortung des IOC heißt es zu guter Letzt: "Nicht unser Zuständigkeitsbereich".

Staatskalkül, radikal und digital

Hier erleben wir einen Funktionär par excellence, der den Sport mitsamt einem antiquierten Wertekodex zur Parallelwelt erklärt. Der chinesischen Seite dürfte das recht sein. Für Chinas politische Spitze sind die Athleten:innen geeignetes Menschenmaterial, das für Ruhm und Strahlkraft der Nation sorgt und nebenbei – schön gedachter Sideeffekt - der eigenen, immer begeisterungsfähigen Bevölkerung ein neues und großartiges Beispiel dafür liefern wird, wie segensreich es ist, die staatlichen Interessen zu den eigenen zu machen.

300 Millionen Chinesinnen und Chinesen werden bald Wintersport betreiben, verspricht Chinas Staatslenker Präsident Xi Jinping. Und es sollen noch viel mehr werden. Bei den Olympischen Spielen 2022, die in wenigen Wochen starten, können die künftigen Aspiranten, und sei es per Internet, schon mal Vorfreude tanken.

Der Rest der Welt mag sich gefälligst auf die Stoppuhren konzentrieren.

Letzte Meldung: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) empfiehlt seiner Mannschaft, nur die eigens offiziell zur Verfügung gestellten Handys zu nutzen, mit anderen Worten: Die von den Veranstaltern verpflichtend aufgesetzte App "My2022" möge besser nicht auf privaten Mobiltelefonen oder Laptops installiert werden.

Der unsportliche Grund für die Warnung, der sich bereits mehrere Teilnehmerländer angeschlossen haben: Die Gefahr digitaler Spionage durch das chinesische Regime.