Äthiopien: Vom Bürgerkrieg zum antikolonialen Krieg?
Seite 2: Propagandakrieg
Begleitet wird der Bürgerkrieg von Propaganda innerhalb und außerhalb von Äthiopien. Innerhalb von Äthiopien ist keine freie Berichterstattung möglich. Äthiopische Medien sind gleichgeschaltet, und auch die leiseste Kritik am Vorgehen der Regierung wird als Unterstützung von Terroristen gewertet.
Ausländische Journalisten – abgesehen von handverlesenen – haben keine Bewegungsfreiheit oder keine Einreiseerlaubnis und somit ist eine Recherche kaum möglich. Berichten ausländische Medien kritisch gegenüber der Politik des äthiopischen Regimes werden sie der Einmischung beschuldigt oder gar als TPLF-Unterstützer und bezahlte Agenten bezeichnet.
Außerhalb von Äthiopien gibt es auf allen Seiten eine rege Auseinandersetzung in sozialen Medien, Demonstrationen für die eine oder die andere Seite und Versuche auf Medien und Politik in den jeweiligen Ländern Einfluss zu nehmen.
Ist der Bürgerkrieg in Äthiopien ein antikolonialer Kampf?
Von Unterstützern der Regime in Äthiopien und Eritrea wird seit Kurzem gerne der antikoloniale Kampf beschworen. Abiy Ahmed Ali und Isaias Aferwerki kämpfen sozusagen heldenhaft einen Stellvertreterkrieg gegen die USA und den Westen, um eine erneute Kolonisierung ganz Afrikas zu verhindern.
Damit hofft man nicht nur die afrikanische Diaspora und andere afrikanische Staaten für die eigene Sache zu gewinnen, sondern darüber hinaus versuchen Abiy Ahmed Ali und seine Unterstützer antikoloniale Reflexe bei Linken und Antirassisten in aller Welt zu wecken.
Dabei wird gerne unter den Tisch gekehrt, dass sich die USA durchaus für einen Verbleib der Regierung Abiy Ahmed Ali eingesetzt haben, als die Kräfte der TDF relativ nahe an Addis Abeba herangerückt waren. Der USA-Beauftragte Feltman forderte die TDF kategorisch auf, sich komplett aus allen Gebieten außerhalb Tigrays zurückzuziehen. Eine regime-change-Politik sieht anders aus.
In der Argumentation stützt sich die Koalition um Abiy Ahmed Ali auf die vermeintliche Unterstützung der USA für die TPLF und die teilweise kritische Berichterstattung westlicher Medien zum Bürgerkrieg in Äthiopien.
Schaut man sich die Lage am Horn von Afrika genauer an, wird diese Argumentation allerdings schnell zur Farce.
Neoliberale Agenda Abiy Ahmed Alis
Nicht umsonst war Abiy Ahmed Ali bei Amtsantritt der Liebling des Westens. Anders als die TPLF-dominierten Vorgängerregierungen machte er sich doch unverzüglich daran, wichtige Wirtschaftszweige – wie Ethiopian Airlines, Banken und die Telekommunikation – zu privatisieren und auf dem internationalen Markt anzubieten.
Ein Ausverkauf des Landes an ausländische Investoren kommt Forderungen und Begehrlichkeiten von Wirtschaftsmächten wie den USA oder China entgegen. Nicht umsonst hatte gerade die USA in den vergangenen Jahrzehnten die marxistische ideologische Plattform der TPLF kritisiert und sie vergeblich dazu aufgefordert, die Wirtschaft zu liberalisieren. Neoliberale Wirtschaftspolitik und antikoloniale Attitüde gehen hier eine seltsame Allianz ein.
Ausländische Einflussnahme
Immer wieder wird von Abiy Ahmed Ali ausländische Einflussnahme in dem Konflikt am Horn von Afrika beklagt und eine Nichteinmischung gefordert. Während diese Argumentation vollmundig vorgetragen wird, werden gleichzeitig unterschiedliche ausländische Mächte in den Konflikt hereingeholt.
Eritrea wurde eingeladen in Tigray einzumarschieren und war während der Besatzung Tigrays für einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen dieses Krieges mitverantwortlich. Die Vereinten arabischen Emirate waren von Beginn an mit Drohnenangriffen am Krieg beteiligt.
In der aktuellen Phase des Konfliktes wurden Waffen und Experten aus Russland, China und der Türkei sowie Drohnen aus dem Iran eingekauft und eingesetzt. Im Übrigen fällt auf, dass viele Unterstützer und Waffenlieferanten enge Verbündete der USA sind. Die Türkei – einer der engsten Verbündeten Abiy Ahmed Alis – ist sogar Nato-Mitglied.
Während der selbsternannte König von Äthiopien ausländische Mächte wie Eritrea oder die Emirate in das Land einlädt, um Teile des eigenen Volkes zu schlachten, wird jede Kritik an diesem Vorgehen als Einmischung und Neokolonialismus abgewiesen.