Äthiopien: neues Massaker im Gebiet der Gumuz
Der Militäreinsatz nach den 207 Toten Ende Dezember hat die Region nicht befriedet
Dem äthiopischen Menschenrechtskommissionsberater Aaron Maasho zufolge ist es am Dienstag im Dorf Daletti zu einem Massaker gekommen, bei dem mindestens 80 Menschen ums Leben kamen. Augenzeugen berichteten dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender yä-Ityop̣p̣ya Brodkasting Korporeschen sogar von mehr als hundert Toten, die von Gumuz-Kriegern abgeschlachtet wurden.
Abiy Ahmed twittert
Daletti liegt im Bezirk Metekel, der zur Region Benishangul-Gumuz gehört. In diesem Bezirk gab es Ende Dezember bereits in einem anderen Dorf, in Bekoji, ein Massaker, bei dem sogar 207 Menschen ums Leben kamen. Kurz vorher waren von dort Sicherheitskräfte abgezogen worden, weil sie einen Besuch des äthiopischen Ministerpräsident Abiy Ahmed in der Region Benishangul-Gumuz bewachen sollten.
Auch hier berichteten Augenzeugen von Gumuz-Kriegern, die Amharen, Oromo und Angehörige der relativ hellhäutigen omotischen Shinasha abschlachteten. Abiy Ahmed bestritt das nicht, legte aber auf seinem (nicht gesperrten) Twitter-Konto nahe, dass die Tigrinya-Partei Woyane, mit der er im Nordosten des Landes Krieg führt, indirekt hinter dem Massaker steckt. Beweise dafür legte er nicht vor. Später töteten äthiopische Soldaten angeblich 42 der Angreifer. Dass sie bei ihnen Pfeile und Bogen sicherstellten, deutet darauf hin, dass es sich dabei um Gumuz-Krieger handelte.
Derg-Militärregierung siedelte um
Das auch unter dem Namen "Bega" bekannte nilosaharanische Volk jagt nämlich auch heute noch mit Pfeil und Bogen. Es kennt keine zentralen Autoritäten, sondern lediglich matrilineare Clans und ernährt sich außer von Wild vor allem von Sorghum-Hirse, die es im Wanderfeldbau pflanzt und erntet und außer zu Brei auch zu Bier verarbeitet. Dem archäologischen Befund nach lebten seine Vorfahren bereits seit der Zeit um Christi Geburt in dem Gebiet, das heute zur Region Benishangul-Gumuz und zur angrenzenden sudanesischen Provinz Fazughli gehört.
Benishangul-Gumuz gehört seit 1898 zu Äthiopien, das - anders als andere afrikanische Staaten - nie europäische Kolonie war. Dafür agierten die oft als Abessinier zusammengefassten eng verwandten Amharen und Tigray im 19. und frühen 20. Jahrhundert mit ihren Kaisern selbst als Kolonialmacht und unterwarfen weit über ihre Siedlungsgrenzen hinaus andere Völker. Kaiser Menelik II., der 1896 die Italiener besiegte, machte den anderen europäischen Kolonialmächten erfolgreich vor, er würde als Christ die Nachbarvölker zivilisieren, wenn man ihn dort herrschen lässt - obwohl dieses Unterfangen in der Praxis vor allem daraus bestand, dass diese Völker abessinische Garnisonen ernähren mussten.
Siedler aus anderer Regionen Äthiopiens kamen in größerer Zahl erst in den 1980er Jahren in das Land der Gumuz, als die damalige Derg-Militärregierung von Mengistu Haile Mariam dem Bevölkerungswachstum mit großangelegten Umsiedlungen begegnen wollte. Diese Umsiedlungen legten die Grundlage für die Spannungen, die nun in einen Krieg mit ethnischen Fronten führten.
Nur in der sudanesichen Provinz Fazughli konvertierten Gumuz in größerer Zahl zum Islam, weshalb es keine Anzeichen dafür gibt, dass der Konflikt in Metekel auch einer zwischen Koran und Bibel ist - anders als der im äthiopischen Oromoland, wo Nachfolgeorganisationen der islamistischen Oromo-Nationalistengruppe von Jaarraa Abbaa Gadaa den Angaben der Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche nach seit dem Sommer mit "Schwertern, Macheten Speeren, Stöcken und Steinen" Massaker an Christen verüben.
Dabei soll es auch zu zahlreichen Vergewaltigungen gekommen sein. Außer Amharen waren von den Massakern auch christliche Oromo betroffen. Sie sind in diesem Volk ähnlich zahlreich vertreten wie die Moslems, werden von letzteren aber zunehmend mit Amharen und Tigrinya in Verbindung gebracht.
Krieg in Tigray geht weiter
Der bekannteste Konflikt, der derzeit im zweitbevölkerungsreichsten Land Afrikas tobt, findet in der Provinz Tigray statt, in die das äthiopische Zentralmilitär im November einmarschierte (vgl. Äthiopien: Weg frei für den Bürgerkrieg). Er geht auch eineinhalb Monate nach der Verkündung des Sieges durch Abiy Ahmed weiter (vgl. Äthiopien: Eher Berlin oder eher Bagdad?). Erst am Mittwoch verkündete der Ministerpräsident, dass seine Truppen weitere wichtige Mitglieder der nun als Guerilla agierenden Tigrinya-Partei Woyane getötet hätten - darunter auch den ehemaligen äthiopischen Außenminister Seyoum Mesfin.
Ausländischen Beobachter bleibt der Zugang zu diesem Kriegsgebiet weiterhin weitgehend versperrt, wie unter anderem die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet beklagt, die Berichten über außergerichtliche Hinrichtungen, Angriffe auf Zivilisten, Plünderungen und andere Kriegsverbrechen nachgehen will.
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