Äthiopische Regierung hackt Computer in den USA
EFF fordert, dass Betroffener klagen darf
Viele große US-Medien beklagen derzeit im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Interna aus Hillary Clintons Wahlkampfteam, dass Russland sich aus politischen Gründen in amerikanische Computer hacke. Beweise für diese Behauptungen gibt es jedoch nicht - und Moskau bestreitet, hinter den WikiLeaks-, DCleaks- und Guccifer-Veröffentlichungen zu stecken.
Es gibt allerdings einen anderen Staat, der ganz offen zugibt, dass er Rechner in den USA gehackt und ausspioniert hat: Äthiopien. Die Behörden dieses Landes schickten einem in den USA lebenden äthiopischstämmigen Oppositionellen, der unter dem Pseudonym "Mr. Kidane" auftritt, ein Word-Dokument, dass mit dem Staatstrojaner FinSpy präpariert war. Dieser Staatstrojaner, der sich auch in Katzenvideos verstecken lässt, wird von einem Firmenkonglomerat angeboten, das unter anderem Bahrain, Oman, Turkmenistan und Deutschland zu seinen Lizenznehmern zählt. Ziel war, herauszufinden, mit wem Kidane über was kommuniziert - in Äthiopien und anderswo.
FinSpy hörte unter anderem Kidanes Skype-Telefonate ab, zeichnete auf, welche Webseiten er aufrief, und überwachte die E-Mails, die er empfing und versandte. Auch seine Familienangehörigen, die den Computer mit benutzten, wurden in dieser Weise ausspioniert. Eine forensische Analyse des Rechners ergab später, dass die Überwachungsprotokolle an einen Server in Äthiopien gingen, der von der dortigen Regierung betrieben wird.
Äthiopische Regierung sieht US-Gerichte örtlich unzuständig
Als "Mr Kidane", der die US-Staatsbürgerschaft angenommen hat, die äthiopische Regierung verklagen wollte, leugnete diese die Spionage nicht, sondern berief sich auf das Argument, sie könne gar nicht verklagt werden, weil die Übernahme von Kidanes Computer ja nicht von einem äthiopischen Agenten vor Ort vorgenommen wurde, sondern von einer Software, die ein Geheimdienstmitarbeiter auf äthiopischen Boden in das Word-Dokument implementierte.
Ein Bezirksgericht in der US-Hauptstadt Washington fand diese Argumentation so überzeugend, dass es die Klage nicht annahm. Darauf hin wandte sich Kidane an die Electronic Frontier Foundation (EFF) und konnte die Bürgerrechtsorganisation davon überzeugen, dass sein Fall, der diese Woche an ein Bundesberufungsgericht ging, von grundsätzlicher Bedeutung ist und unterstützt wird.
In ihrem Berufungsschriftsatz führen die EFF-Anwälte auf, dass Malware-Angriffe inzwischen bei Regierungen mit fragwürdiger Menschenrechtsbilanz ein sehr verbreitetes Mittel sind, um Dissidenten, Oppositionelle und Journalisten auszuspionieren. Verweigert man den davon auf US-Boden Betroffenen, gegen die Verursacher zu klagen, öffnet man einem flächendeckenden Ausspionieren von Amerikanern durch fremde Staaten und fremde Kriminelle Tür und Tor.
Da Kidane dem EFF-Anwalt Nate Cardozo zufolge klagen könnte, wenn ein äthiopischer Agent die Überwachungstechnologie vor Ort installiert hätte, halten die EFF-Anwälte die Gerichtsentscheidung für unzeitgemäß und nicht an den Stand der Technik angepasst. In diesem Zusammenhang verweisen sie auch auf die Rechtslagen in anderen Ländern, wo sich die örtliche Zuständigkeit von Gerichten nicht daran orientiert, wo der Verursacher sitzt, sondern daran, wo der attackierte Computer stand.
Ausnahmezustand in Äthiopien
In Äthiopien wurde am 9. Oktober der Ausnahmezustand verhängt, der vorerst sechs Monate lang gelten soll. Seitdem nahmen die Sicherheitsbehörden etwa 1.500 Menschen fest. Hintergrund sind teilweise gewalttätige Proteste der Volksgruppe der Oromo, die seit fast einem Jahr anhalten und bei denen es zahlreiche Tote gab (vgl. Äthiopien: Mindestens 52 Tote bei Oromo-Veranstaltung).
Ursprünglicher Anlass der Oromo-Proteste war der Plan, die Verwaltungsgrenzen von Addis Abeba auf Kosten der die Hauptstadt umgebenden Oromo-Region auszudehnen. Dieser Plan wurde im Januar fallen gelassen - aber die Proteste gingen weiter. Seit Februar liefern sich Oromo-Milizen Gefechte mit der Polizei. Im März hatten die Auseinandersetzungen auch räumlich ein Ausmaß angenommen, dass sich der BBC-Korrespondent James Jeffrey fragte, ob sie die Einheit des Landes gefährden (vgl. Löst sich Äthiopien auf?).
Die früher als "Galla" bekannten Oromo, die auch in Kenia leben, sind die größte Volksgruppe in Äthiopien. Der Anteil der etwa zur Hälfte christlichen und zur Hälfte moslemischen Ethnie ist mit knapp 35 Prozent deutlich größer als der der etwa sechs Prozent Tigray, die seit dem letzten Umsturz 1991 die politisch einflussreichste Volksgruppe sind. Inzwischen gibt es auch Proteste unter den 27 Prozent Amharen, die vor 1991 das Sagen hatten und mit den Tigray (mit denen sie manchmal als Abessinier zusammenfasst werden), verwandt sind.