AfD und Verfassungsschutz: Alles Nazis außer Nato?
Sie sehen die Konkurrenz der Großmächte nicht als Kampf zwischen Gut und Böse? Der Inlandsgeheimdienst attestiert dafür schon fast AfD-Nähe. Dagegen richtet sich nun ein Unterlassungsantrag.
Staatstragende Reaktionen auf den Höhenflug der AfD wirken teilweise hilflos, zum Teil aber auch berechnend. Zwar hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Rechtsextremismus als größte Gefahr für die Demokratie ausgemacht – allein die Waffenfunde in diesem Phänomenbereich sprechen eine deutliche Sprache, da kommen mutmaßliche Linksextremisten einfach nicht mit.
Allerdings kann der Inlandsgeheimdienst nicht widerstehen, wenn es darum geht, abweichende Einschätzungen zur Weltpolitik als rechts zu framen, auch wenn diese zum Teil von Linken oder bürgerlichen Demokraten geäußert werden.
Die meisten Linken würden wohl noch zustimmen, wenn BfV-Chef Thomas Haldenwang das Raunen vom "großen Austausch" in AfD-Kreisen im Bereich rechtsextremistischer Verschwörungstheorien verortet – dieses Beispiel wählte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur anlässlich der Europawahlversammlung der AfD am Wochenende in Magdeburg.
Wenn es aber um die Vorgeschichte des Ukraine-Krieges und die Frage geht, was davon überhaupt thematisiert werden darf, wächst Haldenwangs "Beifang" im Kampf gegen Rechts gleich deutlich an. Wer in diesem Zusammenhang die Nato-Osterweiterung oder die Nato insgesamt kritisch sieht und die Konkurrenz zwischen den Großmächten nicht als Kampf zwischen gut und Böse interpretieren will, steht unter Generalverdacht – das hat Haldenwang am 22. Mai 2023 im ARD/ZDF-Morgenmagazin deutlich gemacht.
Moralisch wertfreie Sicherheitsinteressen oder "Putins Lied"?
Verbreitet werde etwa die russische Erzählung, dass der Kreml den Krieg gegen die Ukraine auch deshalb führe, weil die eigenen Sicherheitsinteressen durch den Westen verletzt worden seien – laut Haldenwang ein "Kreml-Narrativ", den "entsprechende Gruppierungen" wie eben auch "Teile der AfD" verbreiten.
Der Sachbuchautor Alexander Unzicker und der Rechtsanwalt Peter Schindler – beide publizierten auch bereits bei Telepolis – werfen Haldenwang vor, diese Sichtweise in einen "vom BfV konstruierten rechtsextremistischen, AfD- und russlandnahen Agenten-Kontext" gestellt zu haben und damit das Recht auf freie Meinungsäußerung zu untergraben.
In einem Unterlassungsantrag, der Telepolis vorliegt, zitierten sie unter anderem Haldenwangs Aussage, Russland nutze in Deutschland "Einflusspersönlichkeiten" – zum Beispiel Agenten – die Politiker und Medienschaffende ansprächen.
"Und man hat eben gute Kanäle auch in weite Bevölkerungskreise hinein. Insofern braucht es dann keine russischen Medien mehr", hatte Haldenwang im Morgenmagazin erklärt. Indem auch aus Teilen der AfD heraus russische Narrative weitergegeben, "weitergesteuert" würden, trage sie dazu bei, dass Rechtsextremismus in Deutschland expandieren könne "und auch in diesen Kreisen dann eben Putins Lied gesungen wird".
Dass Haldenwang die genannte Aussage mit der vom BfV als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften AfD, der Expansion von Rechtsextremismus und mit möglichen Agententätigkeiten für Russland in Zusammenhang gesetzt hat, wiegt laut Unzicker und Schindler besonders schwer.
Sie sähen dadurch ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gemäß Artikel 5 Abs. 1 GG als verletzt an, heißt es in dem mehrseitigen Schreiben vom 28. Juli. "Äußerst vorsorglich legen wir gegen diese Aussage und der durch die Kontextherstellung verfolgten – präventiven – Intention, die auf Unterlassung der freien Meinungsäußerung gerichtet ist, Widerspruch ein."
Keine Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs
Erläutert wird in dem Schreiben auch, dass "Sicherheitsinteressen" keine moralische Wertung ist: "Die Aussage unterscheidet zunächst einmal nicht zwischen subjektiven und objektiven Sicherheitsinteressen und macht keine weitere Aussage darüber, ob diese Sicherheitsinteressen berechtigt oder legitim sind oder nicht", stellen die Autoren klar.
"Schon gar nicht liegt in der vorgenannten Meinung – genau das aber suggeriert zumindest das BfV – eine Wertung darüber, dass Russland berechtigt war, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu führen."
Bis zum 1. September, so die Aufforderung der Autoren, sollen Haldenwang beziehungsweise das BfV eine Unterlassungserklärung abgeben – oder ihnen hilfsweise "einen rechtsmittelfähigen Bescheid" zukommen lassen.
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