Affenpocken: WHO ruft Notlage aus und warnt vor Stigmatisierung

Die typischen Hautläsionen sollen weniger sichtbare Narben hinterlassen als die deutlich aggressiveren Pocken, die vor Jahrzehnten ausgerottet wurden. Foto: CDC/ Brian W.J. Mahy / CC0 1.0

Ein Notfallausschuss konnte sich nicht einigen, ob dieser Schritt angemessen ist, aber die internationale Verbreitung des Virus macht der Organisation Sorgen.

Es ist eher die weltweite Verbreitung des Affenpocken-Virus, die der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Sorgen macht. Die Ansteckungswahrscheinlichkeit im Alltag ist deutlich geringer als beim Coronavirus – gestorben sind beim aktuellen Ausbruch bisher fünf von mehr als 16.000 Patienten mit bestätigter Affenpocken-Infektion.

Aber: Die internationale Verbreitung der Krankheit ist ungewöhnlich. Bisher war sie in der Regel auf Zentral- und Westafrika beschränkt – dort lag die Todesrate mit drei bis sechs Prozent nach WHO-Angaben auch deutlich höher als in den letzten Wochen in Europa und den USA beobachtet. In Deutschland meldete das Robert-Koch-Institut am Freitag knapp 2300 bestätigte Infektionen.

Die Mitglieder eines Notfallausschusses, den die WHO anlässlich des Ausbruchs einberufen hatte, erzielten zwar "keinen Konsens bezüglich einer Empfehlung zur Ausrufung einer gesundheitspolitischen Notlage von internationaler Tragweite", wie die Organisation am Samstag in Genf bekanntgab. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus rief aber mit Blick auf die ungewöhnliche Verbreitung in 75 Ländern dennoch diese höchste Alarmstufe aus.

Gleiche Alarmstufe, andere Maßnahmen

Die Einstufung soll die Aufmerksamkeit erhöhen und die Regierungen der Mitgliedsländer zu Eindämmungsmaßnahmen bewegen – praktische Folgen hat das erst einmal nicht. Dass es sich um die gleiche Alarmstufe handelt wie Anfang 2020 beim Coronavirus, heißt nicht, dass die gleichen Maßnahmen – wie beispielsweise Abstandsregeln von 1,5- bis zwei Metern – empfohlen werden.

Vielmehr sollen Ärzte und Kliniken sensibilisiert werden, was bei Verdachtsfällen zu tun ist, es sollen auf die Krankheit zugeschnittene Schutzmaßnahmen getroffen und die Bevölkerung soll aufgeklärt werden, wie sie sich vor Ansteckungen schützen kann.

Eine Übertragung des Virus bei Alltagskontakten in Büros, Geschäften oder öffentlichen Verkehrsmitteln ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) äußerst unwahrscheinlich:

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nur bei engem Kontakt möglich. Sie kann durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten und den typischen Hautveränderungen (Pockenläsionen, Bläscheninhalt, Schorf) der Affenpocken-Infizierten stattfinden, unter anderem auch im Rahmen sexueller Aktivitäten. In den Hautveränderungen befinden sich besonders hohe Viruskonzentrationen. Eine Übertragung durch Tröpfchen ist jedoch bereits beim Auftreten unspezifischer Symptome (wie Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen) und noch vor Entwicklung der Hautläsionen bei Face-to-Face-Kontakt durch ausgeschiedene Atemwegssekrete möglich.


RKI / Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Affenpocken

WHO will statt Stigmatisierung "pflegesuchendes Verhalten" fördern

Die Krankheit ist also auch, aber nicht nur sexuell übertragbar – Kondome können laut RKI zwar das Ansteckungsrisiko verringern, bieten aber keinen zuverlässigen Schutz. Das Risiko, sich mit Affenpocken zu infizieren, sei "nicht auf sexuell aktive Menschen oder Männer, die Sex mit Männern haben, beschränkt", stellt das RKI klar.

Obwohl beim aktuellen Ausbruch diese Gruppe überproportional betroffen ist, können sich Frauen und Kinder grundsätzlich ebenso anstecken. Die WHO berichtet von einer "sekundären Übertragung auf einige Kinder und Frauen". Bei einer kleinen Anzahl betroffener Kinder soll es "keinen epidemiologischen Zusammenhang mit einem anderen Fall" geben.

Auch drei Monate nach dem Ausbruch seien 98 Prozent der Betroffenen Männer, betont die WHO. Aktuell konzentriere sich der Ausbruch auf Männer, die Sex mit Männern hätten – vor allem wenn sie viele Partner hätten. Das bedeute, dass dieser Ausbruch gestoppt werden könne – mit den richtigen Strategien in der richtigen Gruppe. Zugleich warnte die WHO vor einer Stigmatisierung.

Stattdessen müsse ein "pflegesuchendes Verhalten" gefördert werden, um den zeitnahen Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung zu erleichtern und "die Menschenrechte, die Privatsphäre und die Würde der betroffenen Personen und ihrer Kontakte in allen Gemeinschaften zu schützen".

Im deutschsprachigen Raum verwenden einige Aufklärungsseiten für die queere Community statt "Affenpocken" das Kürzel für die englische Übersetzung "Monkeypox" da "MPX" weniger stigmatisierend klinge.

Gegen das Virus gibt es mit dem Vakzin Jynneos bereits eine wirksame Impfung, die auch bis zu sieben Tage nach einer Infektion wirken und dann den Krankheitsverlauf zumindest abmildern kann. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Impfstoffs Imvanex, der gegen die offiziell ausgerotteten echten Pocken eingesetzt wurde. Da sich die Viren ähneln, soll er auch gegen Affenpocken eine Wirksamkeit von 85 Prozent aufweisen.

Vorerst nur 40.000 Impfstoffdosen und rund 130.000 Menschen mit Indikation

Das Bundesgesundheitsministerium hat mittlerweile 40.000 Dosen dieses Impfstoffs bestellt und an die Bundesländer ausgeliefert. Rund 200.000 weitere Impfstoffdosen sind für das dritte Quartal 2022 angekündigt. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat den Impfstoff inzwischen für den Schutz von Erwachsenen auch offiziell zugelassen.

Für die Grundimmunisierung wird der Impfstoff zulassungskonform zweimal im Abstand von mindestens 28 Tagen verabreicht.

Nach aktuellen Schätzungen des RKI haben etwa 130.000 Menschen in Deutschland eine Indikation für eine Impfung gegen Affenpocken. Aktuell ist die Impfung vor allem für Männer empfohlen, die Sex mit Männern haben und häufig den Partner wechseln, hinzu kommt beispielsweise Laborpersonal.

Da die momentan verfügbaren Dosen von Jynneos nicht ausreichen, um allen Personen mit einer Indikation die Impfung anzubieten, ist es laut RKI "zu Beginn der Impfkampagne wichtig, die zur Verfügung stehenden Impfstoffmengen mit dem bestmöglichen Nutzen zu verteilen".

Ergebnisse von Tierversuchen sowie Studien am Menschen hätten gezeigt, dass bereits die erste Impfstoffdosis einen Basisschutz gegen Affenpocken biete und die zweite hauptsächlich dazu dient, die Dauer des Impfschutzes zu verlängern.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt daher dringend, alle verfügbaren Impfdosen für die erste Impfung einzusetzen und die Verabreichung der zweiten Dosis auf einen Zeitpunkt zu verschieben, zu dem der Impfstoffmangel beseitigt ist.