Afghanistan: Verbrechen der Sowjets dürfen nicht verdrängt werden

Seite 2: Widerstand gegen "War on Terror" der Sowjets war nachvollziehbar

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Während Karmal in Kabul "regierte", weitete die Rote Armee ihre Operationen im ganzen Land aus. Ähnlich wie heute von den USA wurden auch damals vor allem die ländlichen Regionen massiv bombardiert. Die Sowjets führten ihren eigenen "War on Terror" in Afghanistan und eine wichtige Rolle spielte in diesem Kontext auch der afghanisch-kommunistische Geheimdienst KHAD, dessen Folterpraktiken teils Guantanamo alt aussehen lassen würden.

Karmals Nachfolger - und gleichzeitig der letzte kommunistische Präsident Afghanistans - wurde Mohammad Najibullah (KGB Codename POTOMOK), der einst als Folterchef des KHAD agierte. Laut Mitrokhin verabscheute Najibullah den Verweis auf "Gott" (Allah) in seinem Namen, weshalb er es vorzog, als "Kamerad Najib" bezeichnet zu werden. Während seiner KHAD-Zeit erntete Najibullah noch einen weiteren Namen. Aufgrund seiner Vorliebe, mittels eines Löffels die Augen seiner Opfer zu entnehmen, wurde er auch "Kashok" ("Löffel") genannt.

Da Najib eine rhetorische Begabung hatte und sich vor allem in den letzten Jahren der sowjetischen Besatzung und in der Zeit danach als nationalistischer Vermittler aufspielte, wird er weiterhin von vielen Afghanen zelebriert. In einigen Teilen Kabuls ist sein Konterfeit omnipräsent, und im Kontext der gegenwärtigen US-Verhandlungen mit den Taliban wird oftmals auch auf Najibs Ära und dem damit verbundenen Abzug der sowjetischen Truppen verwiesen. Hinzu kommt, dass Mohammad Najibullah wie der gegenwärtige Präsident Ashraf Ghani ein Paschtune aus dem Ahmadzai-Stamm gewesen ist. Dies ist allerdings das einzige Merkmal, was die beiden miteinander teilen.

Währenddessen hat Najibs Reinwaschung teils groteske Züge angenommen, wenn man bedenkt, dass sein Geheimdienst systematisch unschuldige Männer, Frauen und Kinder folterte und, ähnlich wie die Verbrechen der Roten Armee im Allgemeinen, zu einer reaktionären Massenradikalisierung beitrug. Die Verbrechen des KHAD wurden unter anderem mit stalinistischen Säuberungsaktionen in Osteuropa verglichen.

Im Laufe der sowjetischen Besatzung wurden viele Afghanen zu Geflüchteten. Die afghanische Diaspora in Pakistan, Iran und in mehreren westlichen Staaten stieg immens. Viele Familien waren direkt vom Krieg betroffen. Durch den Terror der Roten Armee und ihrer Verbündeten wurden ganze afghanische Generationen zerstört.

Der bewaffnete Widerstand gegen die damaligen Schreckensregimes war nicht nur vorhersehbar, sondern auch nachvollziehbar. Im Gegensatz zu jenen Mudschaheddin-Warlords, die in den 1990er-Jahren nach den Abzug der Sowjets Kabul und andere Städte zerstörten, waren viele ihre Kämpfer einfache Afghanen, die ihr Vaterland verteidigen wollten und zahlreiche Verbrechen der Roten Armee hautnah miterlebt hatte. In den meisten Fällen war es nicht die CIA, die diese Männer radikalisiert oder gar "ferngesteuert" hat, sondern ebenjene Verbrechen.