Afrika rappt, nur hier weiß kaum einer davon
Ein Sampler wirft einen Blick auf die in Europa bisher wenig bekannte afrikanische HipHop-Szene
Afrika ist auch musikalisch ein bisweilen vergessener Kontinent. Denn was sich hierzulande in den Plattenläden unter der Rubrik 'Afrikanisches' findet, hat zumeist mit der dortigen lokalen Musikszene nichts zu tun. Das ist das Paradox der Szene: Sie liebt das Authentische, doch hören tut sie es nicht. Musiker, die international Karriere machen wollen, müssen auch international produzieren. Viele Stars wie Youssou N'Dour fahren deshalb zweigleisig, pflegen in der Heimat lokale Vorlieben, während sie den Weltmarkt mit weichgespültem Ethnopop bedienen. Und Musik, die nicht einer Tradition entsprungen, sondern vom Westen adaptiert wurde, hat es zweifach schwer. So entstand in den letzten zehn Jahren in Afrika eine HipHop-Szene, von der kaum jemand Notiz genommen hat. Der Journalist Jay Rutledge hat es dennoch getan und einen spannenden Sampler zusammengestellt. "Africa Raps" dokumentiert die Vielfalt der HipHop-Szenen im Senegal, in Gambia und in Mali.
Afrikanischer HipHop? Dass wir davon bisher herzlich wenig mitbekommen haben, liegt nicht nur an der Vorliebe der Weltmusik-Szene für das scheinbar authentische, traditionelle Musikgeschehen. Es hat auch einen ganz anderen, handfesten Grund. Denn während hierzulande die CD längst schon die Musikkassetten verdrängt haben, bestimmten diese in Afrika noch das Marktgeschehen. So hat sich inzwischen allein im Senegal eine Szene von angeblich mehr als 2000 HipHop-Gruppen etabliert. Auch wenn HipHop noch nicht den Status von Mbalax, der senegalesischen Variante des Afropops, erreicht hat, so wächst sein Renommee zusehends. 80 Prozent der senegalesischen Bevölkerung ist unter 30 Jahren, und die Jugendlichen sind alle mit Rap-Musik aufgewachsen.
Der Erfolg, den diese Musik seit inzwischen zehn Jahren hat, strahlt weit in den afrikanischen Kontinent aus. In Südafrika hat sich längst schon eine eigene Szene entwickelt, im Gambia auch, in Mali beginnt sie langsam. Der Siegeszug des HipHops durch die Welt hat wohl zweierlei Gründe. Zum einen bewahrt diese Musik eine hohe Verwandlungsfähigkeit und Durchlässigkeit. Relativ einfach kann sie jeden musikalischen Hintergrund aneignen, denn in jeder Sprache läßt sich rappen, oft gibt es, wie mit der westafrikanischen Griot-Kultur, schon eine Tradition des Sprechgesangs. Zum anderen sind die Verbindungen mit westlicher Kultur, Stil und Lebensart, seine westlichen Ursprünge, die HipHop auch in Afrika nicht leugnet, häufig gefragt als Mittel der Abgrenzung.
Dabei muss sich diese Musik in Afrika in einem ganz anderen kulturellen Kontext bewähren. Senegal wird von einer starken islamischen Bewegung dominiert, die das wirtschaftliche wie politische Geschehen beeinflusst. So haben für lange Zeit die Marabouts, muslimische Gelehrte, Produktion und Vertrieb der Musikkassetten monopolisiert. Und wer den politisch-religiösen Filz kritisiert, kann sich handfeste Bedrohungen einhandeln. Galt HipHop zu Beginn noch als Kopie unmoralischer amerikanischer Gangstermusik, wird inzwischen die Popularität der Rapper gerne auch von der Politik genutzt. Bei der letzten Präsidentenwahl wurde ihnen viel Geld für Auftritte im Wahlkampf geboten, der neue Präsident Adoulaye Wade hat sich noch zu Oppositionszeiten selbst als Rapper bezeichnet. Die Musiker haben es ihm auf ihre Weise gedankt. So lässt der Rapper Omzo in seinem Song "Kui Abal Ay Beut" einen Komiker diese Passage aus der Wahlkampfrede nachsprechen.
Ganz offensichtlich sehen sich die Rapper als eine Art Gegenöffentlichkeit, sehen die politische Chance, die in ihrer Musik steht. So wurden allgemein die finanziellen Avancen vor dem Wahlkampf abgelehnt, obgleich die Verlockungen groß waren. Schließlich sind selbst die herausragenden Bands finanziell nicht besonders ausgestattet. Es fehlt überall an der technischen Ausrüstung. Dennoch gilt wohl für fast alle, was Xuman von der Band 'Pee Froiss' sagt:
"Wir haben keine Lust mehr auf den alten korrupten Scheiß. Wir haben uns über Jahre das erarbeitet, was ihnen [den Politikern] fehlt: Integrität, und die ist nicht käuflich."
Fast zwangsläufig muß sich die Szene auch mit der Frage nach lokalen Musiktraditionen auseinandersetzten. Einige Bands, wie die 'Väter' der Szene, 'Positive Black Soul', haben schon erste Schritte hinzu einer internationalen Karriere gemacht, waren auf Tournee in Europa oder Amerika. Und während im Senegal vor allem der reine HipHop amerikanischer Schule bevorzugt wird, arbeiten viele der Bands, die international agieren, mit traditionellen Instrumenten und Klängen. Denn wer Erfolg im Weltmusikmarkt haben will, muß mit den Regularien des Marktes umgehen können.
So konnten 'Pee Froiss' bei ihrer ersten Deutschland-Tournee erleben, dass Veranstalter sie wieder ausluden. Der Grund: Statt der erwarteten Trommeln forderte die Band nur Plattenspieler und DAT-Geräte für ihre Bühnenshow an. Das war den Veranstaltern zu wenig afrikanisch. Da bleibt die Frage, ob sie den Weg ihrer Vorgänger auf internationalem Parkett wie Youssou N'Dour oder Salif Keita gehen müssen, oder ob sie tatsächlich den Sprung aus der Weltmusik-Ecke der Schallplattenläden schaffen. Denn wie meint Xuman von 'Pee Froiss'?
"Wir wollen als HipHopper respektiert werden, nicht als Afrikaner."
Doch auch als HipHoper können sie ihrer Herkunft nicht unbedingt entgehen, pflegen doch manche ihrer amerikanischen Kollegen ihre spezielle 'Mother Africa'-Ideologie. Dass die Rapper dabei um dererlei Schwierigkeiten wissen, aber auch andere Wege einschlagen wollen als ihre Vorgänger auf dem internationalen Musikparkett, erzählt ein Song Xumans, den er zusammen mit seinem Kollegen Bibson aufgenommen hat. Auf 'Kay Jel Ma' (Komm' nimm mich mit) verwenden die beiden ein Sample von Youssou N'Dours Song 'Pitche Mi', sinnigerweise auf 'Immigrés' erschienen, N'Dours erste Platte für den Weltmarkt. Während im Original das Problem des Heimwehs der Emigranten in ein sehnsüchtiges Gedicht über ein Krokodil und ein Vogel gepackt wird, gehen die beiden Rapper eindeutiger zur Sache:
"Die Leute hier in Paris nennen mich einen Neger, einen Kameltreiber. Ich laufe hunderte Kilometer, um eine beschissene Arbeit zu machen, spiele täglich Verstecken mit der Polizei. Ich bin gekommen, um meinen Traum zu realisieren, aber hier ist es schlimmer, als in meinen Alpträumen und ich sehne mich nach meiner Familie und meinen Freunden in Dakar."
Afrika Raps. Senegal, Mali and the Gambia. Trikont. Vertrieb D: Indigo, A: Hoanzl, CH: RecRec. (Die angegebenen Songs befinden sich aller auf der CD) Über senegalesischen Rap gibt es auch ein sehens- und lesenswertes Fotoessay: Andre Lützen: Generation Boul Fale. Wunderhorn Verlag 34,90 EUR ("Boul Falé", zu übersetzen als "Tu das, was du selbst für richtig hältst", war der erste Hit einer erfolgreichen HipHop-Formation aus Dakar, Positive Black Soul.)