Afrin ein Jahr unter türkischer Besatzung
Seite 2: Plünderungen und Ernteraub
Verschiedenen Quellen zufolge soll die türkische Regierung im Herbst 2018 mehr als 50.000 Tonnen Oliven aus Afrin abtransportiert haben. Am 8. November eröffneten die türkischen Militärs eigens dafür einen Grenzübergang bei Cindires im Westen von Afrin. Türkische Abgeordnete sprachen dieses Thema im Parlament an.
Das türkische Landwirtschaftsministerium soll auch bestätigt haben, dass Oliven von der türkischen Armee und ihren verbündeten Milizen aus Afrin in die Türkei gebracht worden seien. "80 Millionen Dollar Gewinn will die Türkei mit den Oliven erzielen."
Der Landwirtschaftsrat von Afrin errechnete, dass die 18 Millionen Olivenbäumen in Afrin Millionen hochqualitative Früchte liefern. Die diesjährige Olivenernte hätte dem Kanton eine Olivenernte von 200.000 bis 210.000 Tonnen grünen Oliven und eine Produktion von 40.000 Tonnen Olivenöl gebracht.
Afrin: Exzessive Gewalt durch türkische Besatzung
Ferner wurden auch viele Olivenhaine zerstört, indem die Bäume abgesägt und als Brennholz auf den Märkten verkauft wurden. Immer wieder werden Olivenhaine auch einfach in Brand gesetzt. Etwa 50.000 Olivenbäume sollen vernichtet worden sein. So versucht man, die Lebensgrundlage der Bevölkerung zu zerstören.
Seit der völkerrechtswidrigen Besetzung Afrins durch türkische Truppen und verbündete syrische Jihadisten im März 2018 wurde ein Landstreifen in einer Breite von 200 bis 500 Metern und einer Länge von rund 150 Kilometern entlang der syrisch-türkischen Grenze entvölkert. Dort wurden auch alle landwirtschaftlichen Flächen zerstört. Zehn Hektar der 32 Hektar umfassenden Jahrzehnte alten Kiefernwälder Afrins wurden von den neuen Machthabern in der Region gezielt niedergebrannt.
Die Kurden in Afrin bezeichnen die Raubzüge der syrischen Islamisten und des türkischen Militärs als die schlimmste Heuschreckenplage, die Afrin jemals erlebt hat. Am schlimmsten waren die ersten Tage nach der Eroberung des Kantons.2 Wie Heuschrecken drangen bewaffnete Männer mit langen Bärten in die Läden, Fabriken, Schulen, staatliche Gebäude, Arztpraxen, Apotheken, Lagerhäuser und Privathaushalte ein und nahmen alles mit, was sie tragen konnten.
Täglich wurden Möbel, Elektrogeräte, landwirtschaftliche Fahrzeuge und Autos auf den Markt gebracht. Einige Journalisten konnten diese Raubzüge auf Bild- und Videomaterial dokumentieren. Die Menschen aus Afrin berichteten mir, dass auch wertvolle Teppiche aus Moscheen geraubt wurden.
Zerstörung der Infrastruktur
Mit dem Beginn des türkischen Angriffskrieges gegen Afrin begann auch die systematische Zerstörung der Infrastruktur in der durch verschiedene Regierungen in Damaskus seit Jahrzehnten benachteiligten Region.
Unter schwierigsten Bedingungen war es den Menschen nach dem Abzug des syrischen Regimes aus Afrin gelungen, eine funktionierende Verwaltung mit Schulen, Krankenhäusern, lokaler Polizei, einer Universität, einem funktionierenden Internet-Telefonnetz sowie mit einer funktionierenden Wasser-und Stromversorgung aufzubauen. All das wurde vom türkischen Militär und syrischen Islamisten zerstört.
Die türkische Regierung hatte die Region Afrin bereits seit der syrischen Revolte im März 2011 von der Außenwelt abgeriegelt. Wiederholte Appelle, einen Grenzübergang von der Türkei nach Afrin für humanitäre Hilfe zu öffnen, stießen in der Türkei auf taube Ohren.
Ganz im Gegenteil: Die türkische Regierung hetzte verschiedenste syrische islamistische bewaffnete Gruppen gegen die Kurden in Afrin. Diese begannen bereits 2012 die Bevölkerung vom Osten und Süden anzugreifen. Immer wieder wurden Kurden massenweise auf der Hauptstraße zwischen Afrin und Aleppo entführt.
Zerstörung von kulturellem Erbe in Afrin
Beim Angriff auf Afrin zerstörten das türkische Militär und die syrischen Islamisten gezielt den antiken Tempel in Ain Dara, südlich von Afrin. Ebenso wurde die Hori-Zitadelle mit ihrem antiken Theater im Norden von Afrin dem Erdboden gleichgemacht. Auch viele Friedhöfe der Kurden wurden vollständig vernichtet.