Ahrtal, Traumatal, Hoffnungstal

Die immer noch intakte Brücke über die Ahr, verwüstetes Ufer. Blick von der Ahrschleife zur Altstadt. Bild: Bettina Vier, CC BY-SA 4.0

Das Gedenken an die Sturzflut im Ahrtal vor einem Jahr hat die Defizite des Katastrophenschutzes in Zeiten des Klimawandels offenbart. Bis heute gibt es viele Versprechen, der Aufbau aber stockt. Was macht das mit den Menschen?

Das Gedenken am ersten Jahrestag der Ahrtal-Katastrophe hat die Defizite im Katastrophenmanagement schonungslos offenbart. Es fehlen Handwerker, Materialien und zum Teil auch Gelder der Versicherungen. Über ihren Wiederaufbauhilfefonds von 30 Milliarden Euro haben Bundesregierung und Landesregierungen haben schon sehr viel Geld in die Flutgebiete geschickt, aber längst ist nicht alles wieder aufgebaut. Private Versicherer verzögern, auch Spendengelder hängen fest.

Am 14. Juni, dem Jahrestag der Katastrophe des Sommers 2021, fanden im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr, in Erftstadt im benachbarten Bundesland Nordrhein-Westfalen und in Ostbelgien Gedenkveranstaltungen für die Flutopfer statt. In NRW hatte es 89 Städte und Gemeinden getroffen, dort waren 49 Menschen ums Leben gekommen, darunter zwei Feuerwehrleute im Einsatz.

In Erftstadt brach eine Kiesgrube ein und riss eine ganze Häuserzeile mit, viele Flüsse und Bäche in der Eifel, im Bergischen Land, im Rheinland und Sauerland traten über die Ufer und, mutierten zu reißenden Strömen.

In Nordrhein-Westfalen wurden Tausende evakuiert, im Ahrtal niemand. Talsperren drohten zu brechen und bedrohten Nachbarorte in den Niederlanden.

In dem engen Ahrtal hatte es am Mittel- und Unterlauf alle Gemeinden getroffen und manche buchstäblich weggefegt. 8.000 Gebäude wurde schwer beschädigt, es gab 134 Todesopfer, davon allein zwölf Bewohner eines Behindertenwohnheims.

Suche nach Fehlern und Verantwortlichen

Die Frage, die nach wie vor alle umtreibt, lautet: Wie konnte es dazu kommen? Und was hätte man machen können, um das zu verhindern? Die Landtage in Düsseldorf und Mainz setzten Untersuchungsausschüsse ein, um dieser Frage auf den Grund zu gehen und zu schauen, welche Fehler, Versäumnisse, der Ämter und Amtsträger:innen zu dieser Katastrophe geführt hatten. Ähnliches geschah in Belgien.

Mit Hochdruck vernahmen die Ausschüsse monatelang immer freitags teilweise bis spät in die Nacht Politiker:innen, Einsatzkräfte, Meteorolog:innen, Zeug:innen, Beschäftigte der für den Katastrophenschutz zuständigen Ministerien und Dienststellen.

Urlaubszeit und Beruf und Familie unter einen Hut bekommen

Die Arbeit der Ausschüsse dauert an, in NRW wurde von dem neu gewählten Landtag ein neuer Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Arbeit aus der letzten Wahlperiode weiterführen soll. Der Abschlussbericht soll nächstes Jahr vorgelegt werden, kündigte Ausschussvorsitzender Sven Wolf (SPD), an.

Die frühere NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) war noch kurz vor der Landtagswahl im Mai 2022 zurückgetreten, wegen ihres Versagens in der Katastrophe. Sie war zum Zeitpunkt des Unwetters im Urlaub, sei aber dort im Homeoffice und erreichbar gewesen, erklärte sie vor dem Ausschuss.

Sie sei sofort nach Düsseldorf geflogen und habe dort den Eindruck gewonnen, ihr Stab hätte die Lage im Griff, fügte sie hinzu, und dann sei sie wieder nach Mallorca zurückgekehrt, da sie ihren 75-jährigen Mann nicht mit der Tochter im Teenageralter und deren vier gleichaltrigen Freunden dort habe alleinlassen können.

Später kam heraus, dass sie im Juli noch eine Geburtstagsparty für ihren Mann organisierte und eine Reihe Kabinettsmitglieder daran teilgenommen hatten, auch die fachlich für Aufbauhilfe zuständige Bauministerin. Die Opposition warf Heinen-Esser im Ausschuss vor, sie hätten es sich gut gehen lassen, während in den Flutgebieten Menschen um ihre Existenz und ihr Leben kämpften.

Heinen-Essers rheinland-pfälzische Kollegin Anne Spiegel von den Grünen besuchte ein paar Tage nach der Katastrophe das Ahrtal, richtete einen Krisenstab des Landes ein – den gab es in NRW nicht – und trat dann ihren Urlaub mit ihrem kranken Mann und den Kindern an. Sie unterbrach diesen aber für Besichtigungen und Besprechungen am Ort der Katastrophe.

Im Dezember 2021 wechselte Spiegel als Bundesfamilienministerin ins Kabinett Olaf Scholz, was bei vielen den Eindruck hinterließ, sie solle aus der Schusslinie genommen werden. Schließlich trat sie als Familienministerin zurück. Ihre Kabinettskollegen zollten ihr und Heinen-Esser "Respekt" und "Anerkennung".

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