Aktive Artefakte in extrasolaren Gefilden
SETA - Spurensuche nach dem extrasolaren Monolithen - Teil 3
Einige SETA-Anhänger sind im besten Star-Trek'schen Sinn in Raumbereiche vorgedrungen, die noch nie zuvor ein Auge derart genau studiert hat. Von Optimismus und Science-Fiction-Fantasien beseelt, nahmen bis dato mehrere unverbesserliche Idealisten nicht nur ausgewählte Regionen in unserem Sonnensystem mit hochmodernen Sternwarten Photon für Photon unter die Lupe, sondern auch den sonnennahen interstellaren Raum. Die von ihnen anvisierten Zielobjekte muten höchst futuristisch an: aktive außerirdische Artefakte und Alien-Sonden. Einige verwegene Forscher waren sich sogar nicht zu schade, nach lichtschnellen Raumschiffen zu suchen, um diese beim "Flug" in flagranti zu erwischen.
Teil 2: Aktive und passive Alien-Artefakte im Sonnensystem und die Suche nach ihnen
Russischer SETA-Vorstoß
Vom SETA-Virus infizierte Wissenschaftler sind selten um fantastische Ideen und hochspekulative Theorien verlegen. Wer sich in deren Gedankenwelt zurechtzufinden will, benötigt selbst bisweilen eine gehörige Prise Abstraktions- und Imaginationsvermögen, weil die Suche nach außerirdischen Artefakten, ob diese nun aktiver oder passiver Natur und im Sonnensystem oder darüber hinaus zu finden sind, ein höchst gewöhnungsbedürftiger Forschungsansatz ist, den konservative Astronomen meist mit einem Augurenlächeln quittieren oder schlichtweg mit Kopfschütteln kommentieren.
Ungeachtet aller Skepsis und aller hinter vorgehaltener Hand artikulierten Kritik richteten bislang eine Handvoll Forscherteams ihre Teleskope auf Artefakte im Sonnensystem, die andere Intelligenzen dort absichtlich deponiert haben könnten. Wie etwa der russische Astronom G. L. Suchkin, der gemeinsam mit drei Kollegen die Librationspunkte L4 und L5 mit Radarstrahlen abtastete, um Radarreflexionen dort vagabundierender künstlicher Objekte zu erfassen. Auf einer Frequenz von 9,3 Megahertz führten sie Messungen im Zeitraum von Dezember 1980 bis März 1981 durch. Ein wie auch immer geartetes Artefakt fanden sie nicht.
Außerirdischen Raumschiffen auf der Spur
Fast zur selben Zeit nahm Michael J. Harris eine völlig andere Klasse künstlich angefertigter außerirdischer Objekte ins Fadenkreuz. Anders als Robert A. Freitas und Francisco Valdes 1979 und Suchkin 1980/81, die mit ihren Refraktoren nur innerhalb des Sonnensystems operierten, richtete sich Harris' Hauptaugenmerk ausschließlich auf "aktive" Artefakte im erdnahen interstellaren Raum, genauer gesagt auf dort in Bewegung befindliche Raumschiffe.
Wenn schon extraterrestrische Artefakte als lohnendes Observationsziel im Sonnensystem gehandelt werden, dann sollte dies doch desgleichen für die von interstellaren Raketen hinterlassenen Schweife und Spuren im All gelten, dachte sich Harris seinerzeit und machte die Probe aufs Exempel.
1981 stöberte der US-Astronom aus Maryland im Interplanetary Network Catalogue nach Gammastrahlenausbrüchen (engl. Gamma Ray Bursts/GRB).
Kosmische Gammastrahlenausbrüche sind temporär am Himmel aufleuchtende, sehr helle Strahlenquellen, deren Eruptionsdauer zwischen rund 0,01 und 1000 Sekunden beträgt. Binnen dieses Zeitraums sind derlei Objekte die hellsten Himmelserscheinungen am Firmament. Als Verursacher kommen Supernovae, Schwarze Löcher, miteinander verschmelzende Neutronensterne - oder eben auch Raumschiffe einer mächtigen Technologie infrage, so Harris‘ Spekulation.
In dem Katalog stieß er auf reichhaltiges Datenmaterial, das die Gammastrahlendetektoren der Raumsonden Pioneer Venus (USA) und Venera 11 und 12 (Sowjetunion/Frankreich) zwischen 1978 und 1980 registriert und aufgezeichnet hatten. Nur die Qualität der Gammastrahlenmessungen ließ zu wünschen übrig.
Da ein Raumschiff mit einem Annihilationsantrieb (Materie-Antimaterie) oder Fusionsantrieb (Wasserstoff→Helium) als Abfallprodukt Gammastrahlen hinterlässt, widmete sich Harris beim Studium der GRB-Ereignisse nur diesen Antriebsarten. Raumschiffe, die auf fortgeschrittenen chemischen Triebwerken basieren oder sich via Laser fortbewegen, berücksichtigte Harris nicht. Sein Interesse galt vornehmlich schmalen langen und kurzlebigen Linien im Gammastrahlenspektrum, die im All auf natürliche Weise nicht entstehen. Sie würden nur auftauchen, wenn ein Raumschiff beschleunigt oder schnurstracks von Stern A nach Stern B reist - schnell und (erwartungsgemäß) geradlinig.
In diesem Fall würde sich das aufgezeichnete Gammastrahlenereignis im Spektrum anders präsentieren als ein typischer Gammastrahlenausbruch - eben als gerade Linie. Nach dem Studium von 77 GRBs lautete das wenig überraschende Fazit: "Keine verdächtigen Spuren und Linien konnten aufgespürt werden."
Vergebliche Hoffnung
Das dürftige Ergebnis hänge vor allem damit zusammen, betonte Harris 1981, dass die Messmethoden und -instrumente "zur Zeit" noch von "sehr geringer Qualität" seien und sich daher bestenfalls nur Raumschiffe lokalisieren lassen, die sich mit annähernd Lichtgeschwindigkeit innerhalb eines Radius' von einem Parsec (3,26 Lichtjahre) bewegen.
Doch ab 1991 werde sich dieser Wert enorm erhöhen, wenn das NASA-Gammastrahlen-Observatorium GRO im Orbit Position beziehe und zehn Jahre lang den Himmel nach Eruptionen von Gammastrahlen absuche. Dann könne man sogar Raumschiffe innerhalb eines Radius‘ von 100 Parsec aufspüren, prognostizierte Harris selbstsicher vor mehr als 30 Jahren.
20 Jahre später machte er Nägel mit Köpfen und nahm sich der Daten an, die das Gammastrahlen-Weltraumobservatorium Compton im Rahmen einer Ganzhimmelsbeobachtung von 1991 bis 1995 gesammelt hatte. Nachdem er die von dem EGRET-Experiment gesammelten Bits und Bytes auf Antiprotonen- oder Positron-Signaturen analysiert hatte, musste er zu seiner Enttäuschung eingestehen, dass auch dieser Beobachtungsreihe kein Erfolg beschieden war. "Es wurde keine Quelle ausgemacht", resümierte Harris.
Extraterrestrischem Tritium auf der Spur
Doch warum in die Ferne schweifen, um Antriebsemissionen interstellarer Raumschiffe in einer Distanz von etlichen Lichtjahren auszumachen, wenn dies sozusagen vor der stellaren Haustür möglich ist, fragten sich die unverwüstlichen SETA-Forscher Freitas und Valdes.
Vom 28. Juni bis 10. Juli 1983 gingen sie erneut in medias res und suchten 100 Stunden lang in erdnahen Sternsystemen nach Spuren von Tritium, einem natürlichen Isotop von Wasserstoff, das im kosmischen Raum nur selten vorkommt.
Weil Tritium bei der Kernfusion als Abfallprodukt anfällt, hielt das Forscherduo mit der 26-Meter-Antenne in Hat Creek in Kalifornien ausschließlich nach extraterrestrischen Raumsonden mit Fusionsantrieb Ausschau.
Um einen "Raketenstrahl" einer fremden Sonde zu visualisieren, tasteten sie das Radiospektrum von 108 unterschiedlichen astronomischen Objekten auf einer Frequenz von 1516,5 Megahertz nach hyperfeinen Tritiumlinien ab. Hierbei konzentrierten sie sich auf 53 erdnahe Sterne.
So ehrgeizig ihr Unternehmen damals daher kam - es beschränkte sich auf einen Radius von nur 20 Lichtjahren, was fraglos den begrenzten technischen Möglichkeiten vor knapp 30 Jahren geschuldet war.
Obgleich sie keinen Erfolg verbuchen und somit keine Lorbeeren ernten konnten, bekamen Valdes und Freitas für ihren Ansatz und ihre Suchstrategie immerhin Unterstützung von ihrem Kollegen Michael D. Pagagiannis:
Würde Tritium, das eine sehr kurze Halbwertszeit von nur 12,5 Jahren hat, in unserem Sonnensystem gemessen, würde dies auf die aktive Präsenz einer oder mehrerer Raumsonden hindeuten. Dies wäre der einfachste Weg, um fortgeschrittene außerirdische Technologie zu entdecken.
Teil 4 der SETA-Serie: "Dyson-Sphären und Superzivilisationen im Fadenkreuz"