Aktive und passive Alien-Artefakte im Sonnensystem und die Suche nach ihnen
SETA - Spurensuche nach dem extrasolaren Monolithen - Teil 2
Als das Kürzel SETA (Search for ExtraTerrestrial Artifacts) 1983 kreiert wurde, waren alle bis dahin durchgeführten offiziellen wissenschaftlichen Suchläufe nach außerirdischen Artefakten bereits wieder Geschichte. Seither startete kein Forscher mehr ein im Rahmen der SETI-Initiative angelegtes SETA-Programm. Doch nach Jahren des Stillstands und der Gleichgültigkeit mehren sich die Stimmen, die eine verstärkte Suche nach extraterrestrischen Artefakten im Sonnensystem fordern. Dass dies durchaus Sinn macht, lehrt der Blick in die kurze SETA-Historie. Schließlich waren die bisherigen "Observationen" nicht mehr als vorsichtige erste Gehversuche auf neuem Terrain. Mithilfe der heute zur Verfügung stehenden Technik und den neuen Beobachtungsmethoden jedoch könnten die SETA-Wissenschaftler in Zukunft bei der Fahndung nach Relikten von Aliens einen gewaltigen Sprung nach vorne machen.
Teil 1: Die geistigen Väter von SETA
Beim Blättern im Buch der Wissenschaftsgeschichte fällt auf, dass dem vermeintlich geistigen und technologischen Fortschritt oft kühne, bisweilen sogar bizarr anmutende Ideen vorausgegangen sind, die zeitweise ins Esoterische zielten. Ins Auge springt vor allem, dass praktisch jeder Vor- und Querdenker, der einst bewusst gegen den Mainstream wetterte und sich auf dem inflationären Markt der Theorien mit einer gewollt scharf formulierten These zu positionieren versuchte, in der Regel heftige Kritik erntete.
Raue Zeiten für Aliens
So hätte etwa ein Astronom noch vor 20 Jahren mit der Behauptung, dass nahezu alle Sterne im Universum ein eigenes Planetensystem besitzen, fraglos den Unmut der herrschenden Mainstream- Wissenschaftsgemeinde auf sich gezogen. Schließlich galt damals für viele das unerschütterliche Dogma, dass bestenfalls Asteroiden, Sterne und Galaxien den Raum mit materiellem Leben erfüllen - und sonst nichts. Von exoplanetaren Sterntrabanten seien mitnichten irgendwelche Spuren erkennbar, von Lebewesen außerhalb der Erde natürlich ganz zu schweigen.
Einer, der sich in den Chor der unnachgiebigen Gegner der extraterrestrischen Hypothese einreihte, war der Evolutionsbiologe Heinrich K. Erben. In seinem 1984 erschienenen Buch "Intelligenzen im Kosmos" giftete Erben mit unerbittlicher Polemik gegen außerirdische Mikroben und Intelligenzen. Es sei "überastronomisch unwahrscheinlich", dass sich die komplexe irdische Evolution auf irgendeinem anderen Planeten ein zweites Mal exakt wiederholt habe. In Verkennung der Tatsache, dass außerirdische Lebensformen auch eine ganz andere Evolution durchlaufen haben könnten, bezifferte er die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sich alles fernab der Erde in der gleichen Abfolge mit dem gleichen Ergebnis wiederholt haben könnte, auf null. Während dieser Zeit teilte das Gros seiner Kollegen seine Ansicht. Nur wenige Wissenschaftler wie Frank Drake oder Carl Sagan übten sich dagegen in Optimismus.
Umso überraschender ist es, dass in diesem "lebensfeindlichen" Klima der von Frank Drake 1960 gepflanzte Baum der SETI-Idee überhaupt gedeihen konnte, ja bis 1984 sogar erste Früchte trug - in Form von 47 offiziell dokumentierten SETI-Suchprogrammen, die diverse Forscherteams rund um den Globus bis dahin initiiert hatten. Insbesondere aber überrascht, dass die SETA-Idee ihre Geburtsstunde zu einer Zeit erlebte, als extrasolare Planeten eher in der Fantasiewelt von Science-Fiction-Autoren eine feste Größe waren.
Erster SETA-Suchlauf
Angefangen hatte das SETA-Abenteuer im Jahr 1973 in der beschaulichen Kleinstadt Shepperton in Südostengland. Seinerzeit machten die beiden britischen Astronomen Anthony T. Lawton und Sidney J. Newton Nägel mit Köpfen und wandelten als Erste auf den Spuren Clarkes, Bracewells und Neumanns (siehe SETA - Spurensuche nach dem extrasolaren Monolithen, Teil 1 dieser Serie).
Bestückt mit einer leistungsstarken, im Durchmesser sechs Meter großen Helix-Antenne führten sie eine Serie von Experimenten durch, um das Radarecho bzw. das Rufsignal einer extraterrestrischen, in einer Erdumlaufbahn driftenden kommunikationsbereiten Sonde einzufangen. Nach Abschluss der Studie zeigte sich, dass alle registrierten reflektierten Signale rein physikalischer Natur waren. Dennoch regten beide Autoren kurze Zeit später an, künftig auch zielgerichtet und aktiv Radiosignale in Regionen zu senden, in denen Alien-Sonden theoretisch stationiert sein könnten. Ein eingehendes Weckrufsignal könnte, spekulieren die Forscher, eine dort abgestellte Sonde zu einer Reaktion veranlassen.
Stunde des SETA-Papstes
Der in Bezug auf Bracewell- und Von-Neumann-Sonden ambitionierteste Forscher jedoch war der US-Physiker Robert A. Freitas Jr. (Santa Clara, Kalifornien). Professionell wie kein anderer näherte er sich diesem Phänomen mit Begeisterung, stellte es erstmals in einen SETI-Kontext, spielte das Szenarium derartiger "Maschinen-Zellen" ausführlich in der Theorie durch, plädierte für eine Fahndung nach Artefakten, publizierte fleißig über dieses Thema und leitete darüber hinaus sogar zwei von bislang vier offiziellen Suchläufen nach extraterrestrischen Sonden respektive Artefakten im Orbit.
Von August bis September 1979 spähte er mit dem 76-Zentimeter-Cassegrain-Telekop der Leuschner-Sternwarte in Lafayette (Kalifornien) nach außerirdischen Raumsonden. Es war weltweit der erste offizielle wissenschaftliche Suchlauf nach außerirdischen Artefakten bzw. interstellaren Sonden in einer stabilen Erd-Mond-Umlaufbahn im sichtbaren Licht, der auch in einem renommierten Fachmagazin expliziert wurde. Bei besagter Studie konzentrierte sich Freitas zusammen mit seinem Astronomie-Kollegen Francisco Valdes von der University of California in Berkeley (Kalifornien) während einer 30-stündigen Observation auf die L4- und L5-Librationspunkte.
Nach Meinung von Freitas und Valdes eignen sich beide Punkte bestens für eine Spurensuche nach alten interstellaren Archen von einigen Metern Größe, die dort irgendwann einmal absichtlich geparkt wurden. Um die vermeintlichen Objekte im optischen Licht besser aufzulösen, führten die Astronomen die Hälfte aller Observationen während mondloser Nächte durch und belichteten jedes der aufgenommenen 90 Fotos zehn Minuten lang - mit einem wenig erfreulichen Ergebnis:
Die Beobachtungen waren alle negativ. Unsere Daten zeigen, dass kein urzeitliches Raumschiff oder ein anderes Objekt […] von der Größe Skylabs oder noch größer am L4- und L5-Punkt abgestellt worden war - oder in irgendeinem der vorhergesagten Halo-Orbits im Erde-Mond-System.
Dennoch sei es sinnvoll, so der Rat beider Autoren, auch in Zukunft weiterhin alte extraterrestrische Artefakte mit noch besseren Teleskopen in noch höherer Auflösung ins Fadenkreuz zu nehmen. Doch trotz Freitas’ und Valdes’ energischem Plädoyer für eine Suche nach künstlichen Raumfahrzeugen extraterrestrischer Herkunft quittierten viele Wissenschaftler diesen Vorschlag mit Gleichgültigkeit.
Die Artefakt-Hypothese
Als Freitas und Valdes 1981 und 1982 bei einer zweiten, insgesamt 70 Stunden währenden Observationssequenz die Lagrangepunkte L5 und L1 (Sonne-Erde-Bahn) anvisierten und dort nach Spuren extraterrestrischer Fusionsantriebe spähten, versahen sie ihr Projekt erstmals mit dem Akronym SETA (Search for ExtraTerrestrial Artifacts).
Dass sich die heutige Suche nach außerirdischen Artefakten nicht mehr allein auf Monolithen oder Skulpturen beschränkt, ist in erster Linie Robert A. Freitas zu verdanken. Er fasste den Begriff Artefakt viel breiter und definierte ihn weitläufiger. Seine 1983 näher explizierte Artefakt-Hypothese, die bei eingefleischten SETA-Anhängern beinahe Kultstatus genießt, geht davon aus, dass bestimmte technologisch hochstehende extraterrestrische Gesellschaften Langzeitprogramme für die interstellare Erforschung etabliert haben, bei denen materiell-stoffliche Artefakte vorzugsweise in ausgewählten Sternsystemen deponiert werden. Sofern diese Objekte nicht absichtlich getarnt wurden und für technisch gereifte Spezies gut lokalisierbar und beobachtbar sind, sollten unsere Wissenschaftler sie "bei entsprechender Anstrengung" auch finden können.
Freitas unterscheidet zwischen zwei Artefakt-Typen: passive und aktive. Passive außerirdische Artefakte könnten sich beispielsweise hinter Denkmälern, inaktiven Blöcken, kunstvoll geformten Monolithen oder Skulpturen verbergen, fernerhin in eingeschlossenen Datenbanken verstecken. Es könnten ebenso gut hochsensible Reflektoren sein, die jeden Lichtstrahl in Richtung seines Absenders zurückwerfen.
Die Aussichten, Strukturen wie diese im Raum ausfindig zu machen, stuft Freitas allerdings als gering ein. Nur wenn diese Objekte energiereiche Radiostrahlen, Lichtsignale oder andere signifikante Zeichen von sich gäben, bestünde eine Chance, sie zu lokalisieren. Ihre Erschaffer hätten sie absichtlich in fremde Sternsysteme eingebracht - so wie aktive Artefakte, zu denen Freitas in erster Linie einen bestimmten Raumsondentyp zählt:
Aktive, sich selbst reparierende interstellare Sonden bilden die wahrscheinlichste Klasse von ETI-Sonden innerhalb des Sonnensystems. Dieses Ergebnis erlaubt uns, ein besonderes Beobachtungsprogramm zu planen, um experimentell die Richtigkeit der Artefakt-Hypothese zu überprüfen.
Eine intelligente Alien-Sonde würde höchstwahrscheinlich abseits störender Sonnenflares oder Mikrometeoriten in eine stabile Mond- oder Erdumlaufbahn einschwenken - oder auf einem der Lagrangepunkte L1, L2, L4 bzw. L5 parken und die Sonne systematisch als Energiequelle nutzen. Bei Bedarf würde sie ihre Selbstheilungskräfte aktivieren, um für lange Zeit einsatzbereit zu bleiben.
Zielregion: Asteroidengürtel
Genauso gut könnte die Menschheit innerhalb des Asteroidengürtels unseres Sonnensystems, der sich zwischen Mars und Jupiter erstreckt und in dem bis zu 1,9 Millionen Kleinplaneten mit einem Mindestdurchmesser von einem Kilometer driften sollen, auf außerirdische Artefakte stoßen.
Der mit Planetoiden reichlich gesegnete Gürtel entstand vor 4,6 Milliarden Jahren. Er besteht aus just jenen Kleinkörpern, die sich in kosmischer Urzeit nicht zu einem Planeten verdichten konnten. Anstatt als stattlicher kugelförmiger und halbwegs großgewachsener Planet den Heimatstern zu bezirzen, fand sich die Restmaterie als höchst unförmiges und recht klein geratenes Gebilde wieder: eben als Planetoid bzw. Asteroid. Dass dies bis auf den heutigen Tag so geblieben ist, bedingt die enorme Schwerkraft des größten Planeten unseres Sonnensystems.
Kein Wunder demnach, dass der US-Astronom Michael D. Papagiannis von der Boston University (US-Bundesstaat Massachusetts) bereits 1978 vorschlug, bei der Spurensuche nach außerirdischen Relikten in unserem Sonnensystem das Augenmerk stärker auf den Asteroidengürtel zu richten.
Viele der dort lokalisierten Gesteinsbrocken könnten nämlich ebenso gut Überreste von Kolonien sein, die dort ehemals existiert haben. Bauschutt, Trümmer und Abfälle eines gigantischen Schlackehaufens, zurückgelassen von einer extraterrestrischen Schwerindustrie, könnten das Bild in dieser Region bestimmen.
Vielleicht gewann hier eine Superzivilisation einst Rohstoffe und verschiffte wichtige Mineralien und Eisen als Baumaterial gen Heimat oder tankte auf der Durchreise ihre interstellaren Archen nur auf. Angesichts der Vorteile, die der Asteroidengürtel einer galaktischen Gesellschaft bietet, die ihren Fortbestand auf Weltraumkolonien sichert, könnte diese Zone einst ein Hort des Lebens gewesen sein oder noch sein, so Freitas:
Sollten irgendwelche extraterrestrische Kolonien in unserem Sonnensystem existieren, dann scheint mir der Asteroidengürtel die logischste Region zu sein, in der wir suchen sollten.
Fahndung nach Botschaften in Raumkapseln
Im Bann außerirdischer Artefakte und Monolithen stehen auch die Wissenschaftler Christopher Rose vom "Wireless Information Network Laboratory" (WINLAB) der Rutgers University in Piscataway (US-Bundesstaat New Jersey) und der dort ansässige Physiker Gregory Wright.
Unter Einbeziehung einer selbst kreierten Formel kamen beide Forscher 2004 zu dem Ergebnis, dass kompakte, in Raumkapseln verfrachtete Botschaften à la Voyager oder gut versteckte Artefakte die ideale kosmische Flaschenpost wären. Licht- oder Radiowellen hingegen seien viel zu teuer und würden nur unnötig viel Energie verbrauchen und mit zunehmender Entfernung immer schwächer werden. Stehe der Faktor Zeit nicht im Vordergrund, sei eine auf irgendeinem Material eingeschriebene Botschaft in jeder Hinsicht effektiver als die Kommunikation mit elektromagnetischen Wellen.
Analog einer irdischen maritimen Flaschenpost wäre für das kosmische Pendant der Faktor Zeit unerheblich. Schließlich könnte ein solches Gebilde theoretisch Jahrmillionen in einem fernen Sonnensystem auf einer stabilen Umlaufbahn kreisen. Rose und Wright schlagen deshalb vor, die Anstrengungen, fremde Artefakte im All zu finden, zu verstärken.
In Erinnerung an Arthur C. Clarkes Monolithen sei es durchaus denkbar, erklären die beiden Wissenschaftler, dass außerirdische Botschaften bereits auf der Erde oder auf dem Mond als Artefakte lagern oder den Jupiter beziehungsweise die Sonne als absichtlich getarnte Sonden umkreisen.
Insbesondere in Jupiternähe, im Umfeld des größten Planeten des Sonnensystems, könnte eine außerirdische Botschaft schon seit Jahrtausenden treiben. Sie könnte weniger erodiert sein als ein gewöhnlicher Asteroid. Daher sollten Astronomen mit Radarstrahlen vor allem nach jenen Objekten suchen, die über eine auffallend "glatte" Radarsignatur verfügen. Was die Abspeicherung der Information anbelange, sei vieles denkbar. Theoretisch könnte die Botschaft in ein Objekt "eingraviert" worden sein oder als eine Art DVD vorliegen. Das Fazit der Autoren gerät zum Tipp für spätere SETA-Protagonisten:
Unsere Ergebnisse untermauern, dass die sorgfältige Suche nach ETs in unserem eigenen planetaren Hinterhof genauso erfolgsträchtig ist wie das Studium entfernter Sterne durch Teleskope.
Teil 3 der SETA-Serie: "Die Suche nach Artefakten in extrasolaren Gefilden"