Aktivistin aus Belarus: Schwere Zeiten für Kriegsgegner und Verweigerer in ganz Europa
Männer, die nicht für Russland und Belarus kämpfen wollen: Vorbild oder Sicherheitsrisiko? An der Nato-Ostflanke hat man sich entschieden.
Die belarussische Menschenrechtsaktivistin Olga Karach hat sich auf der zivilgesellschaftlichen Münchner Friedenskonferenz desillusioniert über den Umgang mit Kriegsdienstverweigerern aus Russland und Belarus in westlichen und osteuropäoischen Nato-Staaten gezeigt.
Milliarden für Waffen statt Asyl für Deserteure?
"Verweigerern aus Gewissengründen zu helfen, kostet weniger als jede Rakete, aber aus irgendeinem Grund tut es niemand", sagte Karach am Freitagabend bei einer Podiumsdiskussion mit dem früheren UN-Diplomaten Michael von Schulenburg und der irischen Europa-Abgeordneten Clare Daly in der Freiheitshalle München.
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Karach setzt sich auch für das Recht aller Menschen, also ukrainischer Männer auf Kriegsdienstverweigerung ein, aber im Fall der Wehrdienstflüchtigen aus Russland und Belarus hob sie den besonderen Widersinn hervor: Die Staatschefs der beiden verbündeten Länder, Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko, die als Feinde der westlichen Demokratien gelten, bräuchten schließlich Soldaten, um Krieg zu führen.
Unwillkommen: Männer, die nicht kämpfen wollen
Insofern wäre es in ihrem Interesse ihrer Gegner, zumindest den kriegsunwilligen Männern aus diesen Ländern Schutz und Asyl zu bieten. Aber: "Sie sind nicht willkommen", so Olga Karachs bitteres Fazit.
In Litauen, wo auch Karach selbst erfolglos politisch Asyl beantragt hatte, wird ein russischer Angriff befürchtet, sofern die Kreml-Truppen in der Ukraine die Oberhand gewinnen. Gerade das dient aber an der Nato-Ostflanke als Argument gegen die Aufnahme von wehrfähigen Männern aus Russland und Belarus – sie gelten als Sicherheitsrisiko.
Karach betonte, dass Deserteuren in Belarus die Todesstrafe drohe und Verweigerer mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen müssen.
Kriegsmentalität und Beschimpfung von Friedensbewegten
Die Aktivistin nimmt in großen Teilen Europas eine ähnliche Mentalität wie in Belarus wahr: Friedensbewegte würden beschimpft – und wer als Mann nicht kämpfen wolle, gelte nicht als "echter Mann", sagte sie bei der Podiumsdiskussion auf der Friedenskonferenz.
Damit einher geht eine Erosion des Internationalen Rechts, wie der nächste Podiumsdiskutant verdeutlichte.
Großmächte auf Kriegskurs: UN-Charta als Auslaufmodell
Michael von der Schulenburg hob die ursprüngliche Bedeutung der UN-Charta hervor, die heute kaum noch Einfluss auf die Außenpolitik der Großmächte habe: Sie verpflichte zu friedlichen Konfliktlösungen und Verhandlungsbereitschaft. Es lohne sich wirklich, dieses Dokument zu lesen, betonte von der Schulenburg.
Heute sei oft die Rede von einer "regelbasierten Ordnung", ohne klar zu benennen, wo die tatsächlichen Regeln stehen – und dass sie für alle gelten.
Neben Russland hätten auch die USA, Großbritannien und Frankreich als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrat die Regeln der UN-Charta erodieren lassen und ignoriert.
Es werde zwar oft gesagt, dass der russische Angriff auf die Ukraine illegal sei, aber meistens, ohne die Grundsätze der UN-Charta zu erwähnen, sagte von der Schulenburg, der auch schon einige Beiträge für Telepolis verfasst hat, auf der Konferenz, die alljährlich als Gegenveranstaltung zur Münchner Sicherheitskonferenz stattfindet.
Auch die Friedenskonferenz ist nach Jahren in Ungnade gefallen
In diesem Jahr hatte der Münchner Stadtrat den Veranstaltern die gewohnten Fördergelder entzogen. Begründet wurde dies von den Münchner Grünen sowohl mit der Haushaltslage als auch mit Verweis auf vermeintliche Bündnispartner.
Die zum Trägerkreis gehörende Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) habe zu einer Demonstration gegen den Israel-Gaza-Krieg gemeinsam mit der Gruppe "Palästina spricht" aufgerufen, behaupteten die Stadtrats-Grünen, Jene Gruppe habe den 7. Oktober 2023 als "revolutionary day to be proud of" bezeichnet.
Der Behauptung eines gemeinsamen Demo-Aufrufs widerspricht die DFG-VK allerdings: "Die Aktiven Freund:innen der DFG-VK beteiligen sich bewusst nicht an Demonstrationen, bei welchen sich TeilnehmerInnen explizit oder implizit mit der Terror-Organisation Hamas solidarisieren", heißt es in einer Stellungnahme.
Um die Unkosten zu stemmen und die Konferenz auch im nächsten Jahr zu ermöglichen, wurden und werden nun Spenden gesammelt.
Redaktioneller Hinweis: Die DFG-VK hat Telepolis am Abend des 29. März darauf hingewiesen, dass die hier zuvor wiedergegebene Behauptung der Grünen im Münchner Stadtrat unzutreffend sei. Der Artikel wurde daher am 1. März nachträglich geändert.