Al Qaida reloaded

Am 15. Juli soll der Waffenstillstand zwischen Al Qaida und Europa ablaufen

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Die Frage ist nicht, ob es zu weiteren Terroranschlägen kommt, sondern wann und wo. Darin sind sich zahlreiche Politiker, Geheimdienstler und Sicherheitsexperten einig. Vom 15. Juli an rechnen sie speziell in Europa mit dem Schlimmsten. Denn an diesem Tag läuft das Ultimatum von Osama Bin Laden aus. Jenes Ultimatum vom 15. April diesen Jahres, wonach die Europäer drei Monate Zeit haben, ihre Truppen aus Afghanistan und Irak abzuziehen. Andernfalls drohen Terroranschläge.

In arabischen Kreisen zirkuliert seit geraumer Zeit die Empfehlung, Europa vom 15. Juli an zu meiden. Wer hier lebt, solle verreisen, oder zumindest Essens- und Bargeldvorräte anlegen, die für etwa vier Wochen reichen. In den deutschsprachigen Medien dagegen war das Ultimatum lange Zeit kein Thema. Erst seit wenigen Tagen steht es wieder auf der Tagesordnung. Ausschlaggebend war die Erklärung der US-Regierung am vorvergangenen Freitag, Osama Bin Laden plane neuerliche Anschläge auf die Vereinigten Staaten. Zwar gebe es keine konkreten Hinweise, auch werde man in den Vereinigten Staaten die Terror-Alarmstufe nicht von gelb auf orange anheben – trotzdem sei die Lage ernst.

Prompt kletterte der Ölpreis in die Höhe, und auch an der deutschen Börse macht sich inzwischen Unsicherheit breit. Dabei warnt Innenminister Otto Schily schon seit Monaten vor der islamistischen Gefahr und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Bestrafung von Selbstmordattentätern geht.

Um besser gewappnet zu sein im "Kampf gegen den Terror" forderte Schily schon lange eine zentrale Datei, in der alle Informationen über islamische Fundamentalisten und andere möglicherweise sicherheitsrelevante Personengruppen zusammengeführt werden. Vergangene Woche ging sein Wunsch in Erfüllung: die Innenministerkonferenz beschloss, eine Zentraldatei für die Terrorismusbekämpfung zu erstellen. Bislang hatte jedes Bundesland seine Daten mehr oder weniger für sich behalten, denn eigentlich sind polizeiliche Ermittlungen Ländersache. Nur vereinzelt gab es eine systematische Zusammenarbeit.

Vorreiter in Sachen Vernetzung von Daten ist Bayern. Dort hat das Landeskriminalamt eine Software entwickelt, die in der Lage ist, das Beziehungsgeflecht auch weit verzweigter Gruppen darzustellen. Konzipiert wurde die Software im Kampf gegen das organisierte Verbrechen, doch ebenso gut lassen sich damit Informationen über Terrorverdächtige aufarbeiten. Angeblich war sogar das amerikanische FBI von den Fähigkeiten des Programms beeindruckt. Im Zuge der Zentralisierung deutscher Anti-Terrormaßnahmen könnte das Programm bald auch außerhalb von Bayern zum Einsatz kommen.

Pünktlich zum Ablauf des Ultimatums zeigt das ZDF die Dokumentation "Al Qaida 2004". Die Filmemacher sind in Deutschland, Spanien, Italien, Marokko und den Vereinigten Staaten umhergereist, um mit Ermittlern, Politikern, Geheimdienstexperten, Politikwissenschaftlern und Al Qaida-Sympathisanten zu sprechen. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Panikmache und Rückblick auf die Anschläge der vergangenen Jahre. Wer die Berichterstattung in Sachen Terrorismus halbwegs mitverfolgt hat, erfährt nichts Neues.

Besonders bedauerlich: die interessanteste Spur zu "Al Qaida 2004" wird nicht weiter verfolgt. Zwar wird mehrfach thematisiert, dass das saudi-arabische Königshaus die unterschiedlichsten Gruppen mit fundamentalistischem Anspruch finanziell unterstützt, doch bleibt es bei Einzelbeobachtungen. Das liegt daran, dass es dem Regisseur Elmar Theveßen zufolge zwar "diverse Hinweise, jedoch keine Beweise" für eine systematische Unterstützung fundamentalistischer Gruppierungen gibt. Jedoch sind allein beim ZDF (ZDF-Seite "Terrorismus") aktuell drei Dokumentationen über die Aktivitäten des saudi-arabischen Königshauses in Arbeit, die noch in diesem Herbst ausgestrahlt werden sollen. Genaue Titel und Termine stehen bislang allerdings noch nicht fest.