Aleppo: US-Regierung sträubt sich gegen den russischen Sieg
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- Mythos: 350.000 Zivilisten in Ost-Aleppo
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Das gemeinsame Abkommen zum Abzug der Milizen wird hinausgezögert. Als Grund werden Verhandlungen mit Rebellen angeführt. Indessen zerlegen sich mit dem Fortschreiten der Wiedereroberung manche Mythen
Die Verhandlungen zwischen den USA und Russland über den Abzug von Milizen aus Aleppo stehen auf der Kippe. Der russische Außenminister Lawrow teilte bei einer Pressekonferenz mit, dass die USA Gespräche in Genf abgesagt, ihren bisherigen Vorschlag zurückgezogen und ein neues Dokument vorgelegt hätten.
Das neue Dokument kippe "nach unseren ersten Eindrücken" alles um, so Lawrow laut einer Mitteilung von Sputnik News. Es sehe eher wie ein Versuch aus, sich mehr Zeit zu erkaufen, "damit die Kämpfer Atem schöpfen und ihre Vorräte auffüllen können".
Inkongruenzen
Ein Bericht der Washington Post ergänzt die Aussagen Lawrows noch mit dessen Bewertung, dass "seriöse Gespräche mit unseren Partnern nicht funktionieren". Der russische Außenminister sieht eine Inkongruenz zwischen dem als positiv eingeschätzten Dokument, das Kerry vergangene Woche unterbreitet hatte, und dem Verhalten der US-Vertreter in der UN.
Diese hatten eine Resolutionsvorlage im Sicherheitsrat unterstützt, die eine siebentägige Waffenruhe in Aleppo vorschlug. Russland wie auch China legten ihr Veto ein. Russland hatte zuvor schon erklärt, dass es mit dem Vorschlag, nicht einverstanden ist, weil die Feuerpause den Milizen in Ost-Aleppo die Möglichkeit gebe, sich neu zu formieren und aufzurüsten. Erst müsste der Abzug der Milizen nach einem genau festgelegten Zeit-und Wegeplan geregelt und vereinbart werden, dann könne eine Feuerpause angeordnet werden.
Das Dokument, das Kerry dem russischen Außenminister vergangene Woche in Rom überreichte, war anscheinend auch in diesem Sinne verfasst. Die erste Reaktion aufseiten Russlands war positiv. Betont wurde wie immer, dass die USA und ihre Verbündeten dafür zu sorgen hätten, ihren Einfluss durchzusetzen, so dass auch alle Gruppen abziehen, welche die USA als nicht-terroristisch einstuft. Jede Miliz, die sich weiter in Aleppo aufhalte, gelte als Terrorbande, die bekämpft werde, kündigte Lawrow an.
Die Washington Post zitiert nun Kerry mit der Aussage, dass er sich weiterhin mit Lawrow treffen will, am Donnerstag beim OSZE-Treffen in Hamburg.
Über Verhandlungen zwischen amerikanischen und russischen Vertretern in Genf verlor er kein Wort. Einer Reuters-Meldung ist zu entnehmen, dass dazu innerhalb der US-Regierung wenig Bereitschaft gab. Es wurde nichts vereinbart, man wolle sich auch nicht in die Karten schauen lassen, so eine ungenannte Quelle aus US-Regierungskreisen. "We’re not going to negotiate this publicly."
Der Fall von Aleppo
Die Schwierigkeit der USA liegt klar vor Augen. Kerry teilte mit, dass man noch in Verhandlungen mit den Milizen stehe. Dem fügte er eine bemerkenswerte Äußerung hinzu. Der Außenminister sagte, er hoffe, dass man Russland davon überzeuge, wie wichtig Verhandlungen sind, statt die Situation weiter anzuheizen - " … mit dem Fall von Aleppo".
Das kann man so verstehen: Russland soll die Wiedereroberung Aleppos nicht leichtgemacht werden. Es geht einmal um die Rettung möglichst vieler Milizen, welche die USA selbst oder indirekt unterstützt haben - und es geht ums Prestige. Die Wiedereinnahme Aleppos ist zuallererst ein Sieg Russlands in der geostrategischen Konflikt zwischen Russland und den USA. Der Erfolg der syrischen Armee und ihrer verbündeten Bodentruppen, ist demgegenüber nachrangig.
Nach jüngsten Nachrichten, die sich auf Angaben von SOHR berufen, von der Tagesschau oder noch ausdrücklicher von Reuters ist genau von diesem "großen Sieg" in Aleppo die Rede. Der Widerstand breche immer mehr zusammen, die syrischen Regierungstruppen Truppen hätten die "gesamte Altstadt Aleppos unter Kontrolle gebracht", meldete die Tagesschau unter Berufung der den Rebellen nahestehende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Das deckt sich mit Entwicklungen der letzten Tage, die anderswo genauer geschildert werden. Bei der Reuters-Meldung, die mit dem bevorstehenden "größten Sieg im syrischen Krieg" titelt, ist noch nicht von einer vollständigen Eroberung der Altstadt die Rede. Dort heißt es, dass ein "Rebellen-Vertreter" sagte, man werde Aleppo nicht aufgeben. Zitiert wird auch ein ungenannter US-Vertreter mit den Worten: "Aleppo fällt, aber der Krieg geht weiter."
In Washington will man die Niederlage nicht eingestehen. Und Moskau will den Sieg in Aleppo unbedingt. Das ergibt keinen großen gemeinsamen Nenner für erfolgreiche Verhandlungen zum Abzug der Milizen, zumal in den letzten Tagen mehrere Milizen erklärten, dass sie für einen solchen Abzug nicht bereit sind. Bei der al-Nusra-Front, welche ihre Hegemonie unter den Umstürzlern in Ostaleppo seit 2013 ausgebaut hatte, steht der Abzug ohnehin nicht zur Debatte.
Ungeachtet dessen, was Kerry und Lawrow, später soll auch Steinmeier dazu stoßen, in Hamburg vereinbaren können oder wollen, zeichnet sich ab, dass parallel zur Rückeroberung Aleppos ein paar Mythen demontiert werden, die die Berichterstattung in westlichen Medien geprägt haben.