Aleppo: US-Regierung sträubt sich gegen den russischen Sieg

Seite 2: Mythos: 350.000 Zivilisten in Ost-Aleppo

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Es wäre überraschend, wenn sich in den nächsten Wochen herausstellte, dass in Ost-Aleppo tatsächlich über 300.000 Zivilisten gelebt haben. Manche Schätzung mit Berufung auf die UN lagen bei 350.000 Einwohner.

Die bisherigen Zahlen derjenigen, denen in der jüngsten Zeit die Flucht aus Ost-Aleppo gelungen ist, liegen bei etwa 20.000 (Elijah J. Magnier und OCHA). Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums nannte kürzlich die Zahl von 80.000 Bewohner Aleppos, die befreit wurden.

Nach Schätzungen des französischen Syrien-Experten Fabrice Balanche sollen sich Ende November ungefähr 10.000 Milizen in Ost-Aleppo aufgehalten haben:

Die Al-Nusrah-Front (aka Jabat Fatah al-Sham) hat 1.500 bis 2.000 Männer, Ahrar al-Sham, ihr wichtigster Partner in der Jaish-al-Fatah-Koalition hat ungefähr 2.000 Kämpfer. Es bleiben 6.000 Kämpfer von der Fatah al-Haleb-Koalition, die mit der FSA verbunden ist, aber sich als unfähig erwiesen hat, unabhängige Operationen durchzuführen.

Fabrice Balanche

Zählt man diese Zahlen alle zusammen, so käme man auf eine Größenordnung von etwa 120.000, die sich in den letzten Wochen und Monaten in Ost-Aleppo aufgehalten haben. Exakt sind die Zahlen freilich nicht, es sieht aber gegenwärtig nicht danach aus, als ob der Abstand zu den 350.000, die bislang angegeben wurden, jemals mit seriösen Belegen gefüllt werden könnte.

Bislang in der Berichterstattung unterschlagen, dass viele der ehemaligen 350.000 Einwohner schon sehr früher aus Ost-Aleppo geflohen sind. Möglicherweise müssen auch die Beweggründe dazu revidiert werden. Wurde bislang wie ein Fakt behandelt, dass frühere Fluchtwellen ursächlich mit der "Bombardierung der eigenen Bevölkerung durch Assads" zu tun haben, so zeigt sich langsam auch in der deutschen Berichterstattung das Bild, dass die Bewohner in der hegemonialen Herrschaft der Dschihadigruppen seit 2013 Motive genug fanden, um das Weite zu suchen (vgl. dazu etwa den Bericht der Washington Post vom Juni 2013 über einen 14-Jährigen, der in Ost-Aleppo mit dem Tod bestraft wurde, weil er angeblich den Islam beleidigt hatte. Die Führung des Shura-Rates hatte damals schon die al-Nusra-Front inne).

Kriegslogik, Darstellung und opportune Maßstäbe

Die Luftangriffe auf Aleppo (die "Bombardierung") waren eine Reaktion des Regierung auf al-Nusra und Co. Dass sie brutal waren und auch auf Kosten der Zivilbevölkerung gingen, wird anders, als es in Kommentaren unterstellt wird, hier nicht bestritten. Sehr wohl aber die Logik der im Westen verbreiteten oder üblichen Berichterstattung. Dort wurde der Krieg der syrischen Regierung gegen Milizen falsch dargestellt und wird es noch. Unterschlagen wurde bei den "Rebellen", dass sie einen syrischen Dschihad führen, dass sie die Regierung gewaltsam stürzen wollen und dass sie Ost-Aleppo als Besatzungsmacht unterworfen hatten.

Von ernsthaften politischen Vorschlägen war von dieser "Opposition" seit Jahren nicht mehr die Rede. Die dominierenden Gruppen - allen voran die Nusra-Front und Ahrar al-Sham - setzten auf die militärische Lösung, unterstützt von Saudi-Arabien, der Türkei, Katar und Finanziers aus anderen Golfstaaten, die unmissverständlich die Absetzung Baschar al-Assads forderten zugunsten religiöser Gruppen, von denen sie glaubten, dass sie sie kontrollieren könnten.

Für die Doppelmoral, die dem Westen vorgeworfen wird, gibt es faktisch Nachweise. Man muss sich aktuell nur die Aussagen von Boris Johnson zu den saudi-arabischen Bombenangriffen im Jemen vor Augen führen, um zu sehen, dass Opfer unter der Zivilbevölkerung nach dem Prinzip "je nachdem" bedauert werden. Wenn die Angreifer im Verständnis des Westens einen "gerechten Krieg" führen, nämlich weniger.

Also spielt die Darstellung des Krieges eine große Rolle. Wie sich herausstellt, haben die Golfstaaten kräftig in westliche Think Tanks investiert, zum Beispiel mit 29 Millionen Pfund in das International Institute for Strategic Studies (IISS), wie der Guardian berichtet. Dessen jüngste Interpretation des Krieges in Syrien lautet, dass Baschar al-Assad eine größere Bedrohung darstellt als der IS.

Die Liste der interessengesteuerten Berichterstattung lässt sich bis zu Kindern fortsetzen, die als Schaupuppen missbraucht werden, um in der "seriösen Erwachsenenwelt", zum Beispiel in der Tagesschau, von der Hölle in Aleppo zu berichten, vor einer echten Kulisse, aber ohne jeden Hintergrund zu erhellen. Es ging lediglich darum, den Hass auf die Regierung in Damaskus und deren Unterstützer zu schüren. Setzt die politische Aufklärung nun auf das Kind in uns?