Alles woraus wir sind, ist schon mehrfach durch den Bauch der Sterne gegangen
Auf der Suche nach dem großen Plan
Der Weltraum, unendliche Weiten ... nicht nur für Captain Kirk vom Raumschiff Enterprise sind die Tiefen des Alls ein noch unerforschtes faszinierendes Terrain, das es zu entdecken gilt. Das große Abenteuer ruft und Jürgen Teichmann vom Deutschen Museum sieht den letzten großen Aufbruch des Menschen im 20. Jahrhundert, als er die riesigen Ausmaße des Himmels zu begreifen beginnt und es sich herausstellt, dass die Milchstraße nicht das Zentrum des Universums ist, sondern nur eine ganz normale Galaxie unter vielen.
Die neuen Möglichkeiten der Radio-, Infrarot- und Ultraviolettteleskope öffnen den Blick bis tief hinein in die entfernten Winkel des Weltalls. In einem irdischen Winkel, im Max-Planck-Haus am Hofgarten, diskutierte Teichmann mit Ulf Merbold und Günther Hasinger, dem Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching über die aktuelle Situation und Zukunft der Kosmologie. Drei Physiker, die sich spürbar der Faszination dieses Aufbruchs nicht entziehen können - das jedoch auf sehr unterschiedliche Weise
Günther Hasinger wies auf die Weltraumteleskope hin, die das gesamte elektromagnetische Wellenspektrum eröffneten und dadurch ganz neue Einblicke ermöglichen, eine Revolution des Weltbildes. Der Mensch gewann die Erkenntnis, aus Sternenstaub zu bestehen, denn alles woraus wir sind, "ist schon mehrfach durch den Bauch der Sterne gegangen." Sterne, die vergingen und sich dann wieder neu zusammenballten, um wieder in gigantischen Explosionen zu interstellarem Gas zu werden. Was wir heute sehen, wenn wir in den Himmel blicken, ist die Vergangenheit, ein Blick durch das Teleskop funktioniert als Zeitmaschine (vgl. Nur noch einen Steinwurf vom Urknall entfernt).
Durch viele Forschungsergebnisse der letzten Jahre ist inzwischen klar, dass Schwarze Löcher keine seltenen Phänomene sind, sondern in jeder Galaxie etwas normales (vgl. Schwarze Löcher sind keine Glatzköpfe, sondern haarige Monster). "Zuerst muss man den Leuten die Angst vor den Schwarzen Löchern nehmen," meinte Hasinger und erklärte, dass sie sehr alte Bewohner des Alls seien. Wahrscheinlich schuf schon der Kollaps des ersten Sterns den ersten kosmischen Staubsauger und seither spielen sie durch ihre enorme Schwerkraft eine wesentliche Rolle bei der Formung der Galaxien.
Er wies auch auf die neuen Rätsel des Alls hin, die es noch zu erklären gilt: Dunkle Materie (vgl. Galaktischer sternenloser Exot) und Dunkle Energie (vgl. Dark energy matters!). Teichmann gab zu bedenken, dass die Dunkle Energie sich als Nachfolger des Äthers herausstellen könnte, den Astronomen einst intensiv suchten, um zu erklären, wie das Licht reist, bevor Einsteins Relativitätstheorie das Modell endgültig beerdigte. "Vielleicht sind wir in den falschen Begriffen gefangen", bemerkte der Direktor aus dem Deutschen Museum.
Ulf Merbold hielt ein Plädoyer für die bemannte Raumfahrt. Er bezeichnete es als die größte Herausforderung dieses Jahrhunderts, zu unseren Nachbarplaneten zu fliegen: "Wie sind an einem Punkt angelangt, wo wir die Erde hinter uns lassen", sagte er und erklärte menschliche Besatzungen dabei letztlich für unverzichtbar, denn "vieles, was wir heute wissen, geht auf Entdecker zurück". Und da er sich intelligente Außerirdische nicht als feindliche Krieger, sondern als schöne Frauen vorstellt, wäre es doch auch sehr nett, direkt in Kontakt treten zu können. Merbold ist überzeugt, dass es anderes Leben im Weltraum gibt, allein die große Zahl der Galaxien und der Sterne darin, macht das wahrscheinlich (vgl. Eine Milliarde Planeten der Klasse M und auf jedem dritten gibt es Leben). Persönlich hält er es für wahrscheinlich, dass es auch Zivilisationen auf anderen Planeten gibt, aber "angesichts der riesigen Distanzen habe ich wenig Hoffnung, diese Nachbarinnen mal von Angesicht zu Angesicht zu sehen."
Günther Hasinger hatte noch morgens nachgeschlagen und nannte die Zahl von aktuell 120 entdeckten Exoplaneten (vgl. Erster Nachweis von Sauerstoff und Kohlenstoff bei Exoplaneten). Auch er ist davon überzeugt, dass es überall im Weltraum kreucht und fleucht: "Leben ist ein unabwendbarer Prozess". Dennoch sind für die Entwicklung höherer Lebewesen lange Zeiträume nötig, und selbst wenn irgendwo ETs waren oder sind, machen doch die gigantischen Entfernungen einen Kontakt sehr unwahrscheinlich. Zur Verdeutlichung wählte er als Zeitskala ein Jahr, denn wäre seit dem Urknall erst ein Jahr vergangen, dann wäre die Erde am 9. September entstanden. Am 28. September kamen dann die ersten Blaualgen auf die Welt, der Mensch erschien am 30. Dezember und schon Mitte Januar wird die Erde wieder unwirtlich (vgl. Das Schicksal des Universums pdf!).
Den Nutzen der Weltraumforschung sehen alle vor allem in den gewonnen Erkenntnissen, eine zivilisierte Gesellschaft sollte sich Grundlagenforschung genauso leisten wollen, wie zum Beispiel die Kulturförderung. Für den Satz: "Wissenschaft, um aus viel Geld noch mehr Geld zu machen, ist in meinen Augen ein hohles Programm", bekam Ulf Merbold kräftigen Applaus aus dem Publikum.