Allseitige Heuchelei zum Krieg in der Ukraine
- Allseitige Heuchelei zum Krieg in der Ukraine
- Merkel und die Sezession Kosovos
- Auf einer Seite lesen
Je nach geostrategischen und ökonomischen Interessen fabrizieren sich die USA, Deutschland wie auch Russland eine Argumentation zusammen, die das Völkerrecht ignoriert oder zurechtbiegt
Vorausgeschickt sei, dass die völkerrechtswidrige Invasion Russlands in der Ukraine durch nichts zu rechtfertigen ist. Der Angriff ist unerträglich und der barbarische Krieg muss sofort gestoppt werden, statt massiv aufzurüsten und Waffen in das Kriegsgebiet zu schicken. Doch fast genauso unerträglich ist die Heuchelei, mit der in diesem Krieg argumentiert wird.
"Gerade erleben wir den Beginn eines Krieges, wie wir ihn in Europa in mehr als 75 Jahren nicht erlebt haben", hatte Bundeskanzler Olaf Scholz zum Kriegsausbruch erklärt. Er sprach dabei von einem "furchtbaren Tag für die Ukraine" und einem "düsteren Tag für Europa".
Moralische Verpflichtungen
Man kann bei dieser Betrachtung nur die fatale und bewusste Amnesie in den Kreisen feststellen, die an die völkerrechtswidrigen Kriege im eigenen Lager nicht erinnert werden wollen. Besonders dramatisch ist, dass es vor gut 23 Jahren die Nato mit deutscher Beteiligung war, ebenfalls mit einem sozialdemokratischen Kanzler (Gerhard Schröder) und einem grünen Außenminister (Joschka Fischer), die in einen völkerrechtswidrigen Krieg zog und ohne UNO-Mandat Jugoslawien bombardierte. Nach Ansicht vieler Völkerrechtler hat die Nato damit gegen das Gewaltverbot der UN-Charta verstoßen. Kaschiert wurde das mit einer neuen Doktrin einer sogenannten "humanitären Intervention".
Der Angriff auf Jugoslawien wurde damals mit der einer "moralischen Verpflichtung" gerechtfertigt. Es sollte eine angeblich drohende "humanitäre Katastrophe" abgewendet werden. Fischer instrumentalisierte sogar die Shoa, um den Angriff auf Jugoslawien zu rechtfertigen. "Wir haben immer gesagt: 'Nie wieder Krieg!' Aber wir haben auch immer gesagt: 'Nie wieder Auschwitz!'"
Stand Auschwitz Jahrzehnte in Deutschland für eine bedingungslose Ablehnung von Krieg und Gewalt, so diente das bekannteste deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager nun plötzlich zur Rechtfertigung für einen Krieg. Ein Paradigmenwechsel, wie wir ihn ähnlich nun mit dem Beschluss sehen, Waffen an die Ukraine zu liefen.
Wir haben damals aber genau die Bilder gesehen, die wir nun aus der Ukraine sehen. Auch Splitterbomben wurden damals auf die Zivilbevölkerung geworfen, wie der WDR berichtete, damals waren auch Kinder unter den Opfern. Nur waren "wir" es damals, die Belgrad und andere Städte bombardiert haben, wie Russland es nun in Kiew, Charkiw oder anderen Städten der Ukraine tut.
Die "Operation Allied Force" der Nato bildete einen der massivsten Luftkriegsoperationen in der Militärgeschichte. Das war der Sündenfall des ersten Krieges auf europäischem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg und nicht der Krieg jetzt in der Ukraine.
Scholz hat den Jugoslawien-Krieg sicher nicht vergessen, weshalb man ihn für seine Aussage der Propaganda bezichtigen darf. Wie Russland nun eine Argumentation zur Rechtfertigung seiner Invasionen in der Ukraine zusammenlügt, hat das auch die Nato in Jugoslawien getan.
Das angebliche Massaker war ein Fake
Als Vorwand für den sogenannten "Kosovokrieg" diente ein angebliches Massaker an albanischen Zivilisten im kosovarischen Dorf Račak. Der Vorgang wurde unverzüglich der serbisch-jugoslawischen Regierung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Massaker angelastet. Es wurde zur Legitimation der Nato-Luftangriffe benutzt, bei denen ebenfalls hunderte Zivilisten ermordet wurden.
Die Zahl der Opfer des Luftkrieges werden auf 1.200 bis 2.500 geschätzt, darunter 79 Kinder. "Natürlich war die Episode in Račak entscheidend für die Bombardierungen", erklärte William Walker, damaliger Chef der OSZE-Mission im Kosovo.
Dabei war das angebliche Massaker ein Fake, denn die angeblichen Zivilisten waren mit größter Wahrscheinlichkeit UCK-Kämpfer, die in Kampfhandlungen getötet worden waren. Die UCK soll die Szene entsprechend als "Massaker" arrangiert haben, um die erhofften Luftangriffe auf Jugoslawien durchzusetzen. Das gelang. Eine finnische Untersuchung konnte später aber keine Beweise für ein Massaker finden, wie auch der Spiegel feststellte.
Durchgestochene Untersuchungsberichte, die auch Telepolis vorlagen, verdeutlichten, dass es in Račak keine Hinrichtungen waren. Es wurden keine Spuren von Schüssen aus nächster Nähe gefunden. "There is no evidence of discharge or close-range fireing", heißt es in den Berichten. Aus den Autopsien der vierzig Opfer geht hervor, dass die Kugeln wie in einer Kampfsituation aus mehreren Richtungen in den Körper der Opfer eingedrungen sind. Die Dokumente der Untersuchung wurden unter Verschluss gehalten.
Rechtfertigungen und Blaupausen
Erfunden war auch ein angeblicher Hufeisenplan, um die Albaner durch ethnische Säuberung aus dem Kosovo zu vertreiben, von dem der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) fabulierte. Zu den Fake-News aus dem Westen gehörte auch ein angebliches KZ in einem Fußballstadion in Pristina… Wie die "Dämonisierung des serbischen Präsidenten Milosevic" ablief, das hat gerade Sabine Schiffer in Telepolis ausführlich in "Blaupausen für die Ukraine" dargestellt.
Mit all diesen Unwahrheiten sollten damals Gefühle geweckt werden, um die Fischer-Suada von "Auschwitz, Völkermord…" zu unterstreichen; um einen Krieg zu rechtfertigen, der ebenfalls nicht zu rechtfertigen war.
In Europa war es jedenfalls die Nato unter deutscher Beteiligung, die die Büchse der Pandora zu völkerrechtswidrigen Kriegen mit abstrusen Begründungen geöffnet hat. Denn nach der Charta der Vereinten Nationen (UN) ist ausschließlich der UN-Sicherheitsrat befugt, militärische Zwangsmaßnahmen gegen einen Staat zu verhängen, was aber nicht geschehen war.
Von den Lügen über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak soll hier nicht erneut gesprochen werden, mit denen ein weiterer illegaler Angriff auf ein Land gerechtfertigt wurde. In dem Fall hatte sich Deutschland allerdings zurückgehalten, anders als Länder wie Spanien zum Beispiel.
Putins Vorbild: Gerhard Schröder
Schaut man sich die Argumentation von Putin derzeit an, so fällt auf, dass der russische Präsident ganz ähnliche Phrasen bemüht. Zur Rechtfertigung des Angriffs führt er einen angeblichen "Genozid" im Osten des Landes an, womit er auf die von der Nato geschaffenen Doktrin einer "humanitären Intervention" abstellt. Er will natürlich auch nicht von Krieg sprechen.
Dabei folgt er Ex-Bundeskanzler Schröder. Der erklärte in einer Fernsehansprache 1999 zum Angriff auf Jugoslawien:
"Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen."
Im Kosovo haben die Nato und Europa einen Präzedenzfall auf verschiedenen Ebenen geschaffen. So hatte Russland zum Beispiel schon im Zusammenhang der Krim-Krise auf den Kosovo abgestellt und tut dies erneut mit der Anerkennung der von der Ukraine abtrünnigen Gebiete Donezk und Luhansk.
Interessant dabei ist aber, dass Russland in der Frage der Kosovo-Unabhängigkeit einst wiederum genau so argumentiert hat, wie es später die USA, Europa und Deutschland im Fall der Krim oder nun im Fall von Donezk und Luhansk getan haben.
Die Rollen werden, je nach geostrategischen und ökonomische Interessen jeweils nämlich nur vertauscht. Heuchelei auf allen Seiten, wie hier schon einmal herausgearbeitet wurde.
Was Russland im Kosovo noch ablehnte, nahm es für die Krim für sich aber bald in Anspruch. Genau umgekehrt verhielt sich unsere ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel.