Als Deutschland 1914 in den Dschihad zog

Das Deutsche Kaiserreich rief mit der Türkei mehrere hundert Millionen Muslime zum "Heiligen Krieg" gegen Engländer und Franzosen auf

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Am 1. August 2014 jährt sich der Beginn des Ersten Weltkrieges zum hundertsten Mal. Während die großen Schlachten von Verdun bis Tannenberg in Europa hinreichend bekannt sind, wurde das Kriegsgeschehen in Nordafrika und im Nahen Osten nur im Kreis von Orientexperten aufgearbeitet. So ist kaum bekannt, dass das Deutsche Kaiserreich im Verbund mit der Türkei damals mehrere hundert Millionen Muslime zum "Heiligen Krieg" gegen Engländer und Franzosen aufrief. Der deutsche Auslandsgeheimdienst "Abteilung IIIb" und die "Nachrichtenstelle für den Orient" waren für Attentate, Sprengstoffanschläge und Umsturzversuche zuständig. Für diesen staatlichen Terrorismus ist in Deutschland nie ein Politiker, Militär oder Geheimdienstler zur Rechenschaft gezogen worden. Angesichts der heutigen terroristischen Bedrohung durch den modernen Islamismus ist dies umso fragwürdiger.

Der Beginn des Ersten Weltkrieges

Am 1. August 1914 erklärte das deutsche Kaiserreich Russland den Krieg. Zwei Tage später überfielen deutsche Truppen das neutrale Belgien. Der Angriff hatte nur ein Ziel: Man wollte sich damit in eine bessere Position bringen, um danach Frankreich - den eigentlichen Gegner - in dessen ungeschützter Nordseite anzugreifen. Dieser so genannte "Schlieffenplan" war bereits im Dezember 1905 in einer Denkschrift veröffentlicht und kritisiert worden.

Der deutsche Oberbefehlshaber Kaiser Wilhelm II ließ sich bis zum 6. August Zeit, um dem deutschen Volk die neue Situation zu erklären. Er begann seinen Krieg mit der Lüge von einem angeblichen Angriff feindlicher Kräfte, propagierte gleichzeitig einen Präemptivschlag und rekrutierte den lieben Gott als deutschen Soldaten:

Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre Mein und Meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Entwickelung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit.

Alle offenkundige und heimliche Feindschaft von Ost und West, von jenseits der See haben wir bisher ertragen im Bewusstsein unserer Verantwortung und Kraft. Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, daß wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischem Überfall rüsten, man will nicht dulden, daß wir in entschlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein Ansehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist.

So muß denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter neu sich gründeten. Um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens. Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Und wir werden diesen Kampf bestehen auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war. Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war.

Kaiser Wilhelm II

Den Mittelmächten (Deutsches Kaiserreich, KuK-Monarchie Österreich-Ungarn, später auch Bulgarien und die Türkei) standen fortan die Staaten der Triple Entente (United Kingdom, Frankreich, Russland, später auch Italien und die "assoziierten" USA) gegenüber. Die deutsche Generalmobilmachung betraf rund 13,3 Millionen Männer. Von da ab hieß es, "jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Britt und jeder Schuss ein Russ". Und auf den Koppelschlössern der deutschen Soldatenuniform prangte der Spruch: "Gott mit uns".

Aber der Überfall auf Belgien durch die deutschen Truppen geriet - erwartungsgemäß - sehr schnell ins Stocken und führte zu Kriegsverbrechen gegenüber der belgischen Zivilbevölkerung. Dagegen regte sich internationaler Protest, gegen den wiederum in Deutschland Widerspruch erfolgte.

Zur Rechtfertigung des deutschen Vorgehens wurde im Oktober 1914 der "Aufruf an die Kulturwelt" von Ludwig Fulda veröffentlicht, den 93 Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller, die Crème de la Crème des Kaiserreiches, unterzeichneten. Außerdem erschien am 23. Oktober 1914 eine "Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches", die von dem Philologen Prof. Dr. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff verfasst und von über 3000 Professoren, also fast der gesamten damaligen Dozentenschaft, unterzeichnet wurde:

In dem deutschen Heere ist kein anderer Geist als in dem deutschen Volke, denn beide sind eins, und wir gehören auch dazu. Unser Heer pflegt auch die Wissenschaft und dankt ihr nicht zum wenigsten seine Leistungen. Der Dienst im Heere macht unsere Jugend tüchtig auch für alle Werke des Friedens, auch für die Wissenschaft. Denn er erzieht sie zu selbstentsagender Pflichttreue und verleiht ihr das Selbstbewusstsein und das Ehrgefühl des wahrhaft freien Mannes, der sich willig dem Ganzen unterordnet.

Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches

Neben den Wissenschaftlern engagierte sich insbesondere die evangelische Kirche in der Propagierung der Kriegspolitik.

Kirchliches Kriegsgejubel

Mit der deutschen Reichsgründung im Jahre 1871 wurde der preußische König Wilhelm I zum Deutschen Kaiser, ausgerufen. Da seine Familie, die Hohenzollern, ausgesprochen evangelisch orientiert war, bildeten die Protestanten fortan im Kaiserreich die Bildungs- und Machtelite, auch wenn sich dadurch die katholische Bevölkerungsminderheit diskriminiert fühlte. Erst mit der Weimarer Republik wurde später das preußisch-protestantische Staatskirchentum aufgelöst und eine Trennung von Staat und Kirche verfassungsrechtlich durchgesetzt, die Dominanz der Kirchen über das Bildungssystem abgeschafft.

In Anlehnung an den antiken griechischen Philosophen Heraklit, der einst verkündet hatte, "Krieg ist der Vater aller Dinge", betätigten sich insbesondere die evangelischen Pfaffen als Kriegshetzer. Am 4. August 1914 verkündete der Oberhofprediger Ernst Dryander im Berliner Dom:

Wir ziehen in den Kampf für unsere Kultur- gegen die Unkultur! Für die deutsche Gesittung - gegen die Barbarei! Für die freie, an Gott gebundene Persönlichkeit - wider die Instinkte der ungeordneten Massen. Und Gott wird mit unseren gerechten Waffen sein...."

Oberhofprediger Ernst Dryander

Und Otto Dibelius ergänzte: "Keine Verständigung, sondern Ausnutzung unserer Macht bis zum Äußersten, das ist die Forderung des Christentums. (…) Deutschlands Sieg verkörpert die vollendete Heilsgeschichte." Nach dem Weltkrieg machte Dibelius schnell Karriere in der evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg. Nach dem Reichstagsbrand 1933 begrüßte er das so genannte Ermächtigungsgesetz und bekannte sich offen dazu, ein Antisemit zu sein. Von 1949 bis 1961 amtierte Dibelius gar als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

In gleicher Weise erklärte der evangelische Moraltheologe Reinhold Seeberg sinngemäß, wer zur Verteidigung des Vaterlandes einen belgischen Soldaten erschießt, vollstrecke damit das Werk der christlichen Nächstenliebe! Auch Seeberg machte gleich nach dem Krieg Karriere und wurde 1918 Rektor der Berliner Universität und 1923 Präsident des Zentralausschuss für Innere Mission der EKD.

Die Pfaffen, von den Soldaten als "Hallelujakrieger" verspottet, beließen es nicht bei einer bloß rhetorischen Kriegshetze von den kirchlichen Kanzeln. Zur Finanzierung des Gemetzels riefen sie die verarmte Bevölkerung zur Zeichnung von Kriegsanleihen auf. Und als der deutsche Angriff schon bald in Stocken geriet und in einem sinnlosen Stellungskrieg mündete, waren es wiederum die Pastoren, die mit ihrer Durchhaltepropaganda die Zivilbevölkerung zum Durchhalten aufforderten. Schließlich profitierte die Kirche selbst von ihrer Kriegshetze; nie sind die Gotteshäuser voller als in Kriegs- und Krisenzeiten. Die Folgen des Ersten Weltkriegs sich bekannt: 17 Millionen Menschen starben. In Deutschland hieß es in den amtlichen Todesmitteilungen lapidar: "Er starb für Gott und Vaterland!"

Christliches Kriegsgeschrei vom "Heiligen Krieg"

Der Begriff des "Heiligen Krieges" stammt noch aus der griechischen Antike. Im 11. bis 13. Jahrhundert zur Rechtfertigung der Kreuzzüge. Der Begriff kam im 19. Jahrhundert erneut auf zur Mobilmachung in den anti-napoleonischen Kriegen, so etwa durch den Schriftsteller und Historiker Ernst Moritz Arndt.

Im Ersten Weltkrieg erlebte der Begriff in Deutschland eine Renaissance. Anlässlich des Kriegsbeginns hielt Bruno Doehring, einer der vier evangelischen Hof- und Domprediger des Berliner Doms, am 2. August 1914 vor dem Reichstag einen Gottesdienst vor mehreren zehntausend Gläubigen ab. In seiner Predigt war nichts von der Feindesliebe à la Bergpredigt zu hören, stattdessen forderte der evangelikale Pastor - in Anlehnung an die Lehre vom "gerechten Krieg" - zum "Heiligen Krieg" auf:

Ja, wenn wir nicht das Recht und das gute Gewissen auf unserer Seite hätten, wenn wir nicht - ich möchte fast sagen handgreiflich - die Nähe Gottes empfänden, der unsere Fahnen entrollt und unserm Kaiser das Schwert zum Kreuzzug, zum heiligen Krieg in die Hand drückt, dann müssten wir zittern und zagen. Nun aber geben wir die trutzig kühne Antwort, die deutscheste von allen deutschen: Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt!

Bruno Doehring

Doehring machte später Karriere als erzkonservativer Politiker der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und Professor der Humboldt-Universität und gilt als einer der Erfinder der Dolchstoßlegende.

Dabei war Doehring kein Einzelfall, sondern typisch für den damaligen "Nationalprotestantismus". Der Religionspädagoge und spätere Superintendent Dietrich Vorwerk veröffentlichte 1914 sein Kriegsliederheft "Hurra und Halleluja". Darin hatte er auch das "Vaterunser" zu einem "Kriegsvaterunser" umgedichtet mit folgenden Worten:

Eile, den Deutschen beizustehen,
Hilf uns im heiligen Kriege! (...)
In die Versuchung führe uns nicht,
Dass unser Zorn dein Gottesgericht
Allzu milde vollendet!
Uns und unserem Bundesfreund
Gib Erlösung vom höllischen Feind
Und seinen Dienern auf Erden!
Dein ist das Reich, das deutsche Land;
Uns muss durch deine gepanzerte Hand
Kraft und Herrlichkeit werden!Dietrich Vorwerk

Und Lazarettpfarrer Paul Althaus verkündete: "Wir stehen mit Gott in diesem Krieg als seine Diener zum Tun seines Willens berufen und gedrungen. Darum ist es ein heiliger Krieg (…) Kriegsdienst ist für jeden, der ihn mit reinem Herzen tut, Gottesdienst."

Im Jahre 1933 begrüßte Althaus die Machtergreifung der Nationalsozialisten als "Geschenk und Wunder Gottes". Er wurde Professor für Theologie an den Universitäten in Rostock und Erlangen und Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Der Berliner Gemeindepfarrer Dr. Dr. Adolf Schettler veröffentlichte 1915 seine morbide Schrift "In Gottes Namen Durch - für die deutschen Streiter in Heer und Flotte":

Jesus, Gottes Sohn, in der Nacht da er verraten war, brach das Brot, spendete den Wein zum Zeichen, daß sein Tod ein Opfer sei: für euch gegeben und vergossen. Wer immer sein Leben im heiligen Kampf einsetzt, kämpft unter dem Banner Jesu, folgt seinen Fußstapfen, und über seine Treue schwebt die Verheißung: Gott mit uns. (…)

Der Soldat soll totschießen, soll dem Feind das Bajonett in die Rippen bohren, soll die sausende Klinge auf den Gegner schmettern. Das ist seine heilige Pflicht. Ja, das ist Gottesdienst. Denn der ihn auf den Platz gestellt hat, daß er dem Guten und dem Rechten zum Siege verhelfe, das ist Gott. Wer nicht schießt, wenn er schießen sollte, ist ein Schurke. (…)

Der Soldat stirbt für seine Pflicht. Das Gebot lautet nicht nur: 'Gehe hin und töte'. Sondern auch: 'Gehe hin und lass dich töten'. (…) Wer für seine Pflicht stirbt, stirbt im Dienste Gottes. (...)

Wir müssen so aus dem Kampf hervorgehen, dass auf hundert Jahre unseren Gegnern die Lust vergangen ist, mit Deutschland wieder anzubinden.

Adolf Schettler

Islamischer "Heiliger Krieg Made in Germany"

Der Hohenzollernspross Kaiser Wilhelm II hielt sich seit seiner Orientreise von 1898 selbst für einen großen Freund der Muslime und bewunderte gar ihren (Pan-)Islamismus. Am 3. September 1908 notierte der Kaiser in einem Brief an seinen Reichskanzler Bernhard von Bülow bezüglich der Revolution der so genannten Jungtürken:

Ich habe jahrelang davor gewarnt den Islamismus so mit Füßen zu treten und herauszufordern, und ich bin in ganz Europa verlacht und als Türkenbold verhöhnt worden. (…) Sie alle (gemeint sich die englischen und russischen Politiker, G. P.) haben in ihrer hirnverbrannten Dummheit, Verbohrtheit und unerhörten Selbstüberhebung trotz aller meiner Warnungen den Islam verachtet, mißhandelt, beleidigt, und auf ihm jahrelang herumgetrampelt, bis er endlich nicht mehr ausgehalten hat. (…) Jetzt noch einmal Eingriff von außen, durch 'Reformvorschläge' pp., (...) dann muß, ob er will oder nicht, der Sultan des Propheten grüne Fahne entrollen, dann wird es 'Allah' in allen Ecken Asiens und Afrikas ertönen, und mit den Christen ist es dann zu Ende.

Kaiser Wilhelm II

So blieb es nicht nur bei Ankündigung eines christlichen "Heiligen Krieges", stattdessen wurde er in die Praxis umgesetzt, allerdings anders als es die christlichen Pfaffen erwartet hätten: Die deutschen Geheimdienste initiierten im Ersten Weltkrieg eine Operation, um die Moslems in den britischen, französischen und italienischen Kolonialgebieten zu einem islamischen "Heiligen Krieg" aufzustacheln. Im Gegensatz zum christlichen Begriff handelt es sich bei diesem "Kleinen Dschihad" nicht nur um eine religiös aufgeblähte Propagandaformel, sondern um eine theologische Konzeption, die ein integrierter Bestandteil der Glaubenslehre ist.

Die Planung schien einfach: Um die deutsche Front zu entlasten, sollten in den britischen Kolonialgebieten Volksaufstände der islamischen Bevölkerung provoziert werden, zu deren Niederschlagung britische Truppen vom Kriegsschauplatz in Europa abgezogen und in den Nahen und Mittleren Osten verlegt werden müssten. Geplant war ein Flächenbrand von Marokko bis Indien durch hundert Millionen aufgeputschter Dschihadisten. So erklärte Kaiser Wilhelm II bei Kriegsbeginn:

Unsere Consuln in Türkei und Indien, Agenten etc. müssen die ganze Mohammed Welt gegen dieses verhaßte, verlogene, gewissenlose Krämervolk zum wilden Aufstande entflammen; denn wenn wir uns verbluten sollten, dann soll England wenigstens Indien verlieren.

Kaiser Wilhelm II

"Möglichst viele kleine Putsche, Attentate etc. sind zu veranlassen"

Protagonist der deutschen Dschihad-Planung war Baron Max Adrian Simon Freiherr von Oppenheim, der Sproß einer jüdischen Bankiersfamilie ("Sal. Oppenheim", heute: "Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA"). Natürlich verschweigt das Kölner Bankhaus diese terroristische Vergangenheit. In seiner offiziellen Geschichtsschreibung heißt es zur Biographie Max von Oppenheims lediglich:

Er fand seine Berufung in der Beschäftigung mit dem Orient, die er in zahlreichen Facetten lebte: als Forschungsreisender, als Archäologe, als Ethnologe, als Sammler, als politischer Berater. Dabei hoben ihn die Offenheit und Toleranz, mit denen er orientalischer Lebensart und Kultur begegnete, von den meisten seiner Zeitgenossen ab.

Biographie
Bild: Max von Oppenheim

Zwar war Max von Oppenheim selbst katholisch, aber weil sein Vater ursprünglich jüdischen Glaubens war, hatte er bei der Aufnahme in den deutschen Diplomatischen Dienst mit antisemitischen Vorurteilen zu kämpfen. Staatssekretär Graf Herbert von Bismarck hatte dies am 25. September 1887 erst abgelehnt:

Ich bin einmal dagegen, weil Juden, selbst wenn sie Begabung haben, doch immer taktlos und aufdringlich werden, sobald sie in bevorzugte Stellungen kommen. Ferner ist der Name als gar zu semitisch bekannt und fordert Spott und Gelächter heraus. Außerdem würden die übrigen Mitglieder unseres diplomatischen Korps, auf dessen ausgesuchte Beschaffenheit ich stets große Mühe verwende, es peinlich empfinden, wenn man ihnen einen Judenbengel bloß deshalb zugesellt, weil sein Vater Geld zusammengejobbert hat. Wäre der Vater arm, so würde der Sohn niemals daran gedacht haben, sich in die Diplomatie einzudrängen.

Bismarck

Schließlich gelang Oppenheim am 2. Juni 1896 doch die zunächst noch "kommissarische" Aufnahme, allerdings ohne Diplomatenstatus. Danach lebte und arbeitete er am deutschen Generalkonsulat in Kairo. Dort assimilierte er sich mit der arabischen Bevölkerung und galt bald als einer der führenden deutschen Orientexperten. Die Briten wähnten in ihm schon damals einen aufrührerischen Spion und sorgten für seine Ausweisung. Im Jahr 1910 musste Oppenheim Ägypten verlassen und ging nach Syrien, wo er als (Hobby-)Archäologe die antiken Stätten von Tell Halaf entdeckte und ausgrub.

Schon damals entwickelte Oppenheim die Idee, sich die Muslime gegebenenfalls durch Ausrufung eines Dschihad sich nutzbar zu machen. In seinem Bericht "Die Panislamische Bewegung" an das Auswärtige Amt vom 5. Juli 1898 heißt es:

Nach den neuesten Berechnungen bilden die Muhammedaner mit 260 Millionen Menschen ungefähr den sechsten Theil der Erdbevölkerung. Dabei macht der Islam in Asien und vorzüglich in Afrika stetig große Fortschritte und wiewohl oder gerade weil die europäische Kolonialpolitik in diesem Jahrhundert in Afrika immer energischer und zielbewußter für das Christenthum und die abendländische Kultur erobernd aufgetreten ist, ist besonders hier eine muhammedanische Reaktion entstanden, die mit allen Mitteln den europäischen Bestrebungen sich entgegenstemmend mit dem mehr oder weniger offenen ausgesprochenen Endzweck die christliche Herrschaft über die muhamedanischen Länder zu beseitigen. (…)

Der Djehad, der heilige Krieg gegen die Ungläubigen, hat im Laufe der Zeiten seine Gestalt verändert, es wird ihm gegenwärtig statt seines früheren rein aggressiveren ein mehr defensiver Charakter beigemessen. Auch heute noch würden seine Folgen unberechenbar sein, wenn er ausgerufen würde, nachdem die muhammedanischen Völker in gehöriger Weise vorbereitet worden wären. Der Sultan von Konstantinopel erhielt, ohne den Djehad proklamiert zu haben, bereits in dem letzten Kriege gegen Rußland aus allen Ländern des Islam Geldbeiträge und Freiwillige, (...).

Baron Max Adrian Simon Freiherr von Oppenheim

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der pensionierte Ex-Legationsrat wieder in den diplomatischen Dienst zurückbeordert und mit der Führung der Dschihad-Operation betraut. Bereits im Oktober 1914 legte er ein entsprechendes Strategiepapier "Denkschrift betreffend die Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde" (136 Seiten) für den Dschihad-Guerillakrieg vor:

In dem uns aufgedrängten Kampfe gegen England, den dieses bis aufs Messer führen will, wird der Islam eine unserer wichtigsten Waffen werden. Egypten und Indien sind die Achilles-Ferse des seegewaltigen britischen Kolosses. (…) Das Eingreifen des Islam in den gegenwärtigen Krieg ist besonders für England ein furchtbarer Schlag. Tun wir alles, arbeiten wir vereint mit allen Kräften, damit derselbe ein tödlicher werde!"

Baron Max Adrian Simon Freiherr von Oppenheim

Das Papier forderte u. a. Sabotageaktionen gegen die Ölfelder von Baku am Schwarzen Meer, die Blockade des Suezkanals sowie Flugblatt-Aktionen. In einer zweiten Phase sollte dieser Guerillakrieg um konventionelle Militäroperationen der türkischen Streitkräfte mit Unterstützung deutscher Expeditionskorps erweitert werden. In seiner Denkschrift heißt es:

Möglichst viele kleine Putsche, Attentate etc. sind zu veranlassen, ganz gleichgültig, ob diese gelingen oder nicht. In jedem Falle werden sie dazu beitragen, die Engländer in Egypten noch kopfloser zu machen, wie sie augenscheinlich schon sind. (…) Die zu erwartenden Repressalien werden, je grausamer sie einsetzen und je mehr sie, wie vorauszusehen, Unschuldige treffen, die Wut und den Fanatismus des Volkes vermehren und die schwerfälligen, manchmal mit Unrecht als überfeige bezeichneten Stadtbewohner und Fellachen für den Kampf bis aufs Messer zur Herauswerfung der Engländer bereitwilliger machen.

Baron Max Adrian Simon Freiherr von Oppenheim

Politische Ausgangsbasis der deutschen Überlegungen war das Bündnis des Kaiserreiches mit dem türkischen Pascha. Es war ein Verhältnis zum gegenseitigen Nutzen. Deutschland versprach sich davon, dass seine Kriegsgegner geschwächt würden. Dafür sicherte das Kaiserreich den Türken zu, für den Fall eines russischen Angriffs militärischen Beistand zu leisten. Mit dem Ausruf des Dschihad wollten die Türkei auch sezessionistische Tendenzen innerhalb des osmanischen Herrschaftsraumes eindämmen. Außerdem wollte die Regierung in Istanbul von der deutschen Militärhilfe profitieren.

Nachrichtenstelle für den Orient

Die Führung des "deutschen" Dschihad lag beim kaiserlichen Großen Hauptquartier (GHQ) und der Obersten Heeresleitung (OHL). Insbesondere der deutsche Militärgeheimdienst, die OHL-Nachrichtenabteilung IIIb unter Leitung von Oberstleutnant Walter Nicolai, war mit der Organisierung des "Heiligen Krieges" betraut. Führungsfunktionen übernahm auch die neugegründete Sektion Politik des Generalstabs des Feldheeres. Die Sektion wurde zunächst von Rudolf Nadolny Sein Nachfolger wurde im Juli 1916 Hauptmann Dietrich von Hülsen. Die Führung der Militäroperationen lag bei der deutschen Militärmission in der Türkei. Außerdem wurde eine spezielle Nachrichtenstelle für den Orient (NfO) am 1. November 1914 errichtet.

Bei der Nachrichtenstelle für den Orient handelte sich dabei um eine halbstaatliche Organisation, die zwischen Auswärtigen Amt und der Sektion Politik des Heeresgeneralstabs angesiedelt war. NfO-Leiter war zunächst Baron Max von Oppenheim, ab März 1915 Karl Emil Schabinger Freiherr von Schowingen und schließlich Prof. Dr. Eugen Mittwoch.

Die Nachrichtenstelle hatte bis zu 59 Mitarbeiter (Wissenschaftler, Diplomaten oder Journalisten). Zu diesem "think tank" deutscher Orient-Kriegspropaganda gehörten seinerzeit bekannte Orientalisten, Indologen und Religionswissenschaftler: Prof. Dr. C. H. Becker, Prof. Dr. Helmuth von Glasenapp, Prof. Dr. Martin Hartmann, Prof. Dr. Oskar Mann, Prof. Dr. Eugen Mittwoch, Prof. Dr. Willy Spatz, Dr. Ruth Buka, Dr. H. Müller, Dr. Pröbster, etc.. Allerdings konnten die wissenschaftlichen Freigeister nur schwer an einen routinemäßigen Arbeitsalltag gewöhnt werden. Außerdem setzten sie ihre akademischen Auseinandersetzungen und Diskurse innerhalb der NfO fort. So prägten Eifersüchteleien und Neid das Arbeitsklima. Viele arbeiteten eher für ihren Eigennutz als für die Interessen der Nachrichtenstelle; andere waren sich der politischen Folgen ihrer Tätigkeit nicht wirklich bewusst oder verstießen gegen die Grundregeln der Konspiration.

Die NfO-Nachrichtenstelle befand sich in Berlin-Mitte (Wilhelmstraße 62, später Tauentzienstraße 19a). Sie gliederte sich in neun Länder- und Sachabteilungen für arabische, indische, persische, russische oder türkische Angelegenheiten. Der Nachrichtenstelle standen pro Monat lediglich 5.000 Reichsmark zur Verfügung, so dass Max von Oppenheim die Finanzierung weitgehend aus seinem Privatvermögen bestritt. Nach dem Krieg weigerte sich das Auswärtige Amt, die Auslagen von Oppenheim zu erstatten, da diese angeblich zu hoch berechnet waren.

Die Aufgabe der Nachrichtenstelle bestand vor allem in der Informationsbeschaffung aus offenen oder anderen Quellen und der Verbreitung pro-deutscher Propagandaarbeit an der Front, in den deutschen Kriegsgefangenenlagern und im moslemischen Raum. Während des Krieges gab die NfO insgesamt 1.012 verschiedene Publikationen (Flugblätter, Broschüren, Bücher, Zeitungen und Filme etc.) in 24 Sprachen mit einer Auflage von 3 Millionen Exemplaren heraus. Seit Februar 1915 erschien die Zeitschrift "Al-Dschihad" für die moslemischen Insassen einschlägiger deutscher Kriegsgefangenenlager (Cottbus, Limburg, Sennelager, Wünsdorf bzw. Zossen, etc.). Allerdings bleib ihre Reichweite eher begrenzt. Dazu erklärte Herbert Landolin Müller, der heute die Islamismusabteilung beim Landesamt für Verfassungsschutz in Stuttgart leitet, in seiner Dissertation "Islam, gihad ("Heiliger Krieg") und Deutsches Reich)" (1991):

Obwohl es sich bei den Mitarbeitern der NfO um Fachleute handelte, die ihr Metier, die Theorie, hervorragend beherrschten, erwiesen sie sich als schlechte Werbefachleute. Ganz auf die sie beherrschenden europäischen Fragen der Zeit fixiert, waren sie borniert genug, um erst allmählich und widerwillig zu erkennen, daß ihre Themen, die sie für die Leserschaft in der islamischen Welt aufbereiteten, für die Masse der Menschen in diesem Kulturkreis nicht einmal von marginaler Bedeutung und somit auch nicht vermittelbar waren.

Herbert Landolin Müller

Noch im Herbst 1915 musste der damalige NfO-Chef Schabinger den Generalstab in mehreren Schreiben auf die Existenz seiner halbstaatlichen Kolonialbehörde aufmerksam machen. Die NfO konnten die an sie gestellten Erwartungen nur z. T. erfüllen. Daher spielte sie in der deutschen Dschihad-Kriegführung eher eine untergeordnete Rolle.

Die Dschihad-Ambitionen in den Operationsgebieten

"Stürzt Euch auf den Feind wie die Löwen"

Zur Initialisierung eines Dschihads entsandte man deutsche Militärs und Agenten, arabische Intellektuelle, die im deutschen Reichsgebiet lebten, arabische Kriegsgefangene, die dazu freigelassen wurden, und jede Menge Abenteurer und Hochstapler. Über die Gesamtkosten der Dschihad-Operation liegen keine zuverlässigen Angaben vor. Die ersten Aktionen liefen bereits in den ersten Kriegstagen an, Wochen bevor Max von Oppenheim sein Strategiepapier vorlegte.

Türkei

Die Türkei galt damals aufgrund ihrer inneren Schwächen als "der kranke Mann vom Bosporus". Der deutsche Generalstabschef Generaloberst Hellmuth Johannes Ludwig von Moltke erklärte noch im März 1914: "Die Türkei ist militärisch eine Null!"

Aber schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte das deutsche Kaiserreich enge Verbindungen mit der Türkei bzw. dem Osmanischen Reich geknüpft. Generalfeldmarschall Wilhelm Leopold Colmar Freiherr von der Goltz sorgte für eine Modernisierung der türkischen Armee. Dazu wurden türkische Offiziere an deutschen Militärschulen ausgebildet, außerdem forcierte "Goltz-Pascha" die Aufrüstung der Truppen durch deutsche Rüstungsexporte (Krupp, Loewe, Mauser, etc.). Dazu standen dem Generalfeldmarschall auch 30.000 Reichsmark Bestechungsgelder zur Verfügung. Schon damals sprach sich der Generalfeldmarschall dafür aus, die Türkei gegebenenfalls als Insurrektionsmacht zu nutzen. Im Jahr 1913 wurde er pensioniert.

Durch den Beginn des Ersten Weltkrieges knüpften Deutschland und die Türkei noch engere Beziehungen. Die deutsche Presse sprach damals vom "Türkenfieber". Am 2. August 1914 unterzeichneten beide Seiten einen geheimen Beistandspakt. In Artikel 4 heißt es: "Deutschland verpflichtet sich, das Gebiet des Ottomanischen Reiches im Falle der Bedrohung nötigenfalls mit den Waffen zu verteidigen."

Daraufhin rief der senile türkische Herrscher Sultan-Kalif Mehmed Reşad V. am 11. November 1914 in der Fatih-Moschee von Istanbul den Dschihad aus. In einer Erklärung an seine Soldaten vom gleichen Tag heißt es:

Hütet Euch, und sei es nur einen Moment, von dem festen Willen und der Festigkeit der Füße und der Aufopferung um des Kampfes und des gesegneten ĝihad willen abzuweichen, den wir gegen die Feinde begonnen haben, die es mit ihrer Feindseligkeit auf unsere offenkundige Religion und unser heiliges Vaterland abgesehen haben. Stürzt Euch auf den Feind wie die Löwen, denn die Existenz und das Leben unseres Reiches sowie die Existenz von 300 Millionen Muslimen, die wir zum Größten ĝihad durch die erhabenen Rechtsgutachten aufgerufen haben, ist verknüpft mit Eurem Sieg: Die Gebete aus den Herzen von 300 Millionen unterdrückten Muslimen, flehend an den Herrn der Herrn gerichtet in ganzer Leidenschaft und Vertiefung in den Gebetshäusern und Freitagsmoscheen und in dem verehrten Hause Gottes, sind alle mit Euch, wo immer Ihr seid. (…)

Und vergesst nicht, dass Ihr im heutigen Krieg beim Aufnehmen der Waffen Kameraden jener beiden Heere seid, mit denen wir gemeinsam kämpfen und die die mutigsten, prächtigsten und mächtigsten Heere der Welt sind. Es sollen die Gefallenen von Euch die frohe Botschaft des Sieg es zu den früher Gefallenen bringen, und möge der Kampf derer von Euch, die am Leben bleiben, gesegnet und ihr Schwert scharf sein!

Sultan-Kalif Mehmed Reşad V.

Über die historischen Ereignisse von damals berichtet Wolfgang Schwanitz:

Nach der Ausrufung des Djihad zog eine große Anzahl von Menschen vor die Kaiserlich Deutsche Botschaft, auf deren Balkon der Gesandte Hans von Wangenheim und Karl E. Schabinger mit den "Turkos" standen. Der Dragoman (Übersetzer der Botschaft, G. P:) schrieb darüber: "Ich stellte die Nordafrikaner vor mir auf und soufflierte ihnen 'Hoch lebe der Sultan, der Kalif'". Der deutsche und der österreichische Botschafter sowie Nazim Bey und Mukhtar Bey hielten Reden, anschließend begaben sich die Vertreter beider Seiten in das Stadtinnere. Schabinger berichtete: "Ich sehe jetzt noch den türkischen Polizisten, der ebenfalls mit hineinging (ins beste Stadthotel; das Tokatlian gehörte einem Armenier - W. G. S.) und sich zwei oder drei Meter entfernt vor eine schöne englische Stehuhr stellte, den Revolver zog, und in die Uhr hineinschoss. Das war der Anfang des 'Heiligen Krieges'.

Wolfgang Schwanitz

Am 14. November 1914 bestätigte der oberste islamische Geistliche in Istanbul, der so genannten Scheichülislam, die politische Dschihad-Erklärung durch fünf Fatwas:

Wenn heute von Seiten der Russen, Engländer, Franzosen und denen, die diesen helfen, Unrecht und Feindseligkeit gegen das islamische Kalifat festgestellt werden, insofern, als diese das Gebiet des Islams und das übrige osmanische Land - das beschützt sein möge - mit ihren Kriegsschiffen und ihren Landstreitkräften angriffen, wobei sie - Gott bewahre - das Licht des Islams auszulöschen bestrebt sind, ist es dann auch Pflicht, dass diejenigen von allen Muslimen, die unter der Regierung jener Staaten stehen, herbeieilen zum Kampf, indem sie gegen jene Staaten den ĝihad erklären, oder nicht? Gott der Erhabene weiß es am besten. (…)

Und in diesem Fall, wenn die Muslime, die unter der Regierung der Staaten der Engländer, Frankreichs, der Russen, Serbiens, Montenegros und derer, die ihnen in diesem gegenwärtigen Krieg helfen, stehen, gegen die beiden Staaten Österreich und Deutschland kämpften, die den erhabenen islamischen Staat unterstützen, und ihr Kampf gegen diese beiden Staaten Schaden für das islamischen Kalifat nach sich zöge, verdienten sie dann deswegen schmerzhafte Strafe, weil es sich um eine schwere Sünde handelt, oder nicht? Gott der Erhabene weiß es am besten.

Der der oberste islamische Geistliche in Istanbul

Auf Betreiben des türkischen Kriegsministers "Generalleutnant" Envar Pascha, dem Führer der Jungtürken-Bewegung, wurden Teile der türkischen Streitkräfte unter deutsches Kommando gestellt. Otto Liman von Sanders war seit dem 30. Juni 1913 Leiter der deutschen Militärmission in der Türkei. In seiner Amtszeit führte er eine Reorganisation der türkischen Truppen durch. Weil er sich die Pläne des Auswärtigen Amtes zur Entfachung eines Dschihad in Frage stellte und darüber mit dem deutschen Botschafter in Streit geriet, wurde er im März 1915 durch Generalfeldmarschall von der Goltz abgelöst. Daraufhin übernahm von Sanders den Oberbefehl über die 5. türkische Armee zur Verteidigung der Dardanellen.

Generalfeldmarschall von der Goltz wurde mit Beginn des Ersten Weltkrieges reaktiviert und als neuer Leiter der deutschen Militärmission zum zweiten Mal in die Türkei entsandt. Im März 1915 übernahm er den Oberbefehl über die 1. türkische Armee in Istanbul, ab Oktober 1915 führte er die 6. türkische Armee, die im Dezember 1915 den Briten in der Schlacht von Kut (Irak) eine vorübergehende Niederlage beibrachte. Von der Goltz war auch an dem Völkermord an den Armeniern beteiligt. Am 19. April 1916 verstarb er in Bagdad an Typhus.

Der deutsche General Erich von Falkenhayn benahm den Oberbefehl über die Heeresgruppe F "Yıldırım". Der Stab dieses Verbandes bestand fast ausschließlich aus deutschen Stabsoffizieren, die unterstellten Verbände waren die 4., 7. und 8. türkische Armee. Später kamen auch zahlreiche Feldeinheiten aus Deutschland hinzu, die schließlich rund zehn Prozent des Gesamtpotentials ausmachten. Die Heeresgruppe wurde 1918 gegen die britischen Streitkräfte in Palästina eingesetzt.

Major Friedrich Freiherr Kreß von Kressenstein war im Januar 1914 pensioniert, aber mit Beginn des Ersten Weltkrieges reaktiviert worden. Als Oberstleutnant trat er der osmanischen Armee bei und wurde Chef des Generalstabs des 8. türkischen Armeekorps. In dieser Funktion nahm er an den beiden türkischen Offensiven gegen Ägypten in den Jahren 1915 und 1916 teil, die beide von britischen Truppen abgewehrt wurden.

Vizeadmiral Anton Wilhelm Souchon wurde als Kommandeur der deutschen Mittelmeerdivision (Schlachtkreuzer SMS Goeben, Kleiner Kreuzer SMS Breslau sowie Stationsyacht SMS Loreley) vom Sultan zum Befehlshaber der türkischen Marine ernannt.

Max von Oppenheim leitete von März 1915 bis März 1917 eine NfO-Nachrichtenstelle an der deutschen Botschaft in Istanbul.

Im Jahr 1914 hatte die deutsche Militärmission im Osmanischen Reich lediglich rund 100 Stabsoffiziere umfasst, bis zum Kriegsende leisteten insgesamt 18.000 bis 25.000 Deutsche ihren Dienst in den türkischen Streitkräften. Die Unterstützung der türkischen Regierung kostete mindestens 300 Millionen Reichsmark.

Das deutsch-türkische Bündnis zerbrach erst im Laufe des Jahres 1918, als das Scheitern des Dschihads offensichtlich war. Anlass für den Bruch waren der Versuch der deutschen Truppen sich das aserbaidschanische Rohöl anzueignen und die deutsche Unterstützung für die Regierung in Georgien. Im einem Abkommen vom 28. Mai 1918 sicherte das deutsche Kaiserreich den Georgiern Schutz gegen Russland und die Türkei zu. Anfang Juni 1918 kam es zu einem Scharmützel zwischen türkischen Truppen unter dem Kommando von General Vehib Pascha und einem deutschen Expeditionskorps (3.000 Mann) unter dem Kommando von Generalmajor Friedrich Kreß von Kressenstein. (http://de.wikipedia.org/wiki/Kaukasusfront_%28Erster_Weltkrieg%29)

Marokko

Marokko war seit dem 12. März 1912 in eine spanische Zone und ein französisches Protektorat geteilt. Dennoch gab es in dem Land Unabhängigkeitsbestrebungen, die schon vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges von Deutschland unterstützt worden waren. Diese Kanonenbootdiplomatie wurde bekannt als "Panthersprung nach Agadir".

Auch die deutsche Rüstungsindustrie beteiligte sich am Dschihad: Die Mannesmann-Röhrenwerke AG war eine der großen deutschen Metallverarbeitungsfirmen mit Sitz in Remscheid. Seit 1909 besaß ihre "Marokko-Mannesmann-Companie" bzw. das "Marokko-Minen-Syndikat" umfangreichen Grundbesitz in Marokko (7 Mio. Hektar), um sich dort Schürfrechte zur Erzförderung zu sichern. Außerdem war Mannesmann in der Landwirtschaft tätig. Durch den Boom der Rüstungsindustrie und den erhöhten Stahlbedarf profitierte das Unternehmen vom Kriegsausbruch. Bei Kriegsbeginn im August 1914 hatten die Firmenvertreter Marokko bereits verlassen. Hauptmann Alfred Mannesmann organisierte von Spanien bzw. der spanischen Zone aus seine subversiven Aktivitäten in Marokko. Er wurde im Juni 1915 vom marokkanischen Kriegsgericht in Casablanca in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Der Ingenieur Franz Far von der deutsch-spanischen Gesellschaft "La Navarette" erhielt 1915 den Auftrag, einen Aufstand der Berberstämme im Rif-Gebirge unter Führung von Abd al-Malik anzuzetteln. Aber der Versuch scheiterte, zumal Far gar kein Arabisch sprach. Am 26. November 1915 kam Franz Far unter ungeklärten Umständen ums Leben. Sein Nachfolger wurde Friedrich Albert Bartels, der ebenfalls scheiterte und sich 1918 mit 66 marokkanischen Gefolgsleuten nach Spanien absetzen konnte. Wiederholt gab es Versuche, Waffen, Munition und Sprengstoff nach Marokko zu schmuggeln, darin waren u. a. der deutsche Konsul in Tetuan Dr. Zechlin und der deutsche Marineattaché von Krohn verwickelt. Mehrfach konnten die spanischen Behörden solche Lieferungen abfangen. So wurden im Januar 1916 3.000 Gewehre beschlagnahmt, die man in Kunststeinen versteckt hatte.

In Südmarokko wollten die Deutschen einen Aufstand der al-Hayba entfachen. Hier leitete Hauptmann d. R. Dr. Pröbster von der NfO die Operation. Am 14. November 1916 brachte ein U-Boot ihn und zwei Begleiter nach Cap Draa. Nach dem Auftauchen mussten die drei Männer in ein Beiboot umsteigen und die 200 Meter zum Strand rudern. Aber das Boot kenterte und ein Teil der Ladung (Waffen, Handgranaten und Gold) ging verloren. Anschließend wurden die Gestrandeten von Einheimischen noch zusätzlich ausgeraubt.

Algerien: Die deutschen Operationen in Algerien leitete "Ernst Braun" alias Ernst Kühnel, ein bekannter Archäologe und Kunsthistoriker. Die NfO warb fünf frühere Fremdenlegionäre an, um in Algerien einen Aufstand zu initiieren. Allerdings erwiesen sich vier als unzuverlässig: Nachdem sie ihre Operationsgelder in Spanien erhalten hatten, setzten sie sich mit den Geldern ab. Als einziger Kämpfer blieb Adolf Staringer übrig. Dieser sollte algerische Eisenbahnlinien und die Talsperre bei Perrégaux angreifen. Vermutlich wurde Staringer von den französischen Behörden enttarnt und hingerichtet.

Libyen

Libyen (damals Tripolitanien und Cyrenaika) befand sich teils unter französischer, teils unter italienischer, teils unter britischer Kontrolle. Der Bruder von Alfred Mannesmann, der Physiker, Ingenieur und Rittmeister Dr. Otto-Felix Mannesmann, wurde im August 1914 deutscher Konsul in Tripolis. Unter dem Decknamen "Dr. Mann" führte er eine kleine deutsche Expedition aus insgesamt fünf Personen, darunter zwei weitere Mitarbeiter der Mannesmann AG: Direktor Hans Steinwachs und der Übersetzer Salama.

Die Gruppe hatte den Auftrag, einen Aufstand der arabischen Senussis unter Führung von Scheich Sayyid Ahmad al-Sharif gegen die Franzosen zu organisieren. Dabei sollten die Senussis von einigen Tuareg-Stämmen unterstützt werden. Aufgrund italienischer Proteste mussten alle Expeditionsteilnehmer außer Mannesmann Libyen schon am 24. August 1914 wieder verlassen, da die neutrale Regierung in Rom Auseinandersetzungen mit der Entente befürchtete. Danach schlug Mannesmann sein Hauptquartier in Dfna bei al-Sallum auf. Zeitweilig wurde er von dem deutschen Agenten Baron Otto von Gumppenberg unterstützt.

Zur militärischen Versorgung der Senussi wurden Gewehre und Munition zunächst als "Bierfässer" von Italien nach Libyen geschmuggelt. Doch die italienischen Sicherheitsbehörden kamen den Dissidenten im März 1915 auf die Spur. Danach setzte die deutsche Reichsmarine mehrere U-Boote als Blockadebrecher ein: U 35 (unter Korvettenkapitän Waldemar Kophamel), U 38 (unter Korvettenkapitän Max Valentiner) und U 39 (Korvettenkapitän Walther Forstmann). U 35 konnte am 5. November 1915 im Golf von Sollum den britischen Hilfskreuzer HMS Tara versenken, dabei wurden 12 Matrosen getötet und 92 Überlebende gefangengenommen. An Bord von U 39 diente zeitweise auch Martin Niemöller als Steuermann, der später als Vertreter der "bekennenden Kirche" zu einem der wichtigsten Widerstandskämpfer und Friedensaktivisten in Deutschland wurde.

Bei ihrem Feldzug gegen die Engländer hatten die Aufständischen anfangs durchaus Erfolge. Im November 1915 räumten die Briten Sollum und Sidi Barrani in der westlichen Wüste und zogen sich nach Marsa Matruk zurück, wo sie im Dezember 1915 einen Angriff der Rebellen erfolgreich abwehren konnten. Anschließend eroberten die Engländer Sollum am 14. März 1916 zurück. Otto-Felix Mannesmann wurde am 10. April 1916 bei einer Karawanenreise von Einheimischen getötet. Vermutlich handelte es sich um einen Raubmord, um die restlichen Expeditionsgelder (ca. 300.000 Reichsmark) zu erbeuten.

Nach dem Tod von Mannesmann entsandte der deutsche Geheimdienst Anfang 1916 eine weitere Expedition mit Decknamen "Mirr". Diese wurde von Baron Paul Wolff Freiherr von Todenwarth geleitet. Per U-Boot ging es nach Libyen, mit an Bord waren Waffen, Geschenke und - der wichtigste Punkt der Mission - eine Funkstation. Mit ihr sollte endlich eine moderne Verbindung zwischen den Rebellen und dem Kaiserreich hergestellt werden. Das Unternehmen glückte, die Funkstation lieferte wichtige Erkenntnisse für den Seekrieg im Mittelmeer. Weil Todenwarth gegenüber den Senussis und deren Verbindungsmännern im osmanischen Reich geschickter agierte als sein Vorgänger, brachte er die frustrierte Rebellenschar wieder auf prodeutsche Linie. Aber im Februar 1917 waren die Senussi endgültig besiegt und mussten ihre Oase Siwa aufgeben. Todenwarth hielt bis Kriegsende 1918 aus. Die Senussis luden ihn ein, künftig bei ihnen zu leben und weiter gegen die Italiener zu kämpfen. Aber im Frühjahr 1919 ergab sich der Baron freiwillig den Alliierten und kehrte 1920 nach Deutschland zurück.

Sudan

Der deutsche Ethnologe und Regierungsrat Leo Frobenius wollte eine geheime Mission in dem neutralen Äthiopien leiten, um von dort aus den Aufstand im anglo-ägyptischen Sudan zu organisieren. Die italienischen Behörden in Massawa (Eritrea) verweigerten jedoch die Weiterreise und so kehrte Frobenius zurück nach Deutschland. Frobenius besaß das fragwürdige Talent, sich überall unbeliebt zu machen.

Einen zweiten Versuch unternahm der deutsche Diplomat Lorenz Jensen über Wollo (Äthiopien). Ende 1915 konnte er den äthiopischen Kronprinz Lej Iyasu V. dazu bewegen, sich dem osmanischen Aufruf zum Dschihad anzuschließen. Die Äthiopier, Eritrea und somalische Derwische wurden aus Deutschland mit Waffen beliefert. Im Jahr 1916 griff Lej Iyasu V. den Südsudan an. Dort hatten deutsche Agenten parallel einen Aufstand christlicher Afrikaner sowie muslimischer Darfuris unter der Führung von Sultan Ali Dinar inszeniert, während pro-türkische Senussi aus Libyen durch Ägypten in den Nordsudan vorstoßen sollten. Iyasus Unternehmen scheiterte jedoch schon im Anfang, seine deutlich unterlegenen äthiopischen Truppen wurden im Mai rasch geschlagen.

Im September 1916 rächten sich die britischen Agenten und organisierten eine erfolgreiche Revolte gegen den äthiopischen Kaiser Lej Iyasu V.. Daraufhin wurde das Personal der deutschen Botschaft vorübergehend inhaftiert.

Ägypten

Seit 1882 übten die Briten die Vorherrschaft in Ägypten aus, obwohl das Land offiziell weiterhin zum osmanischen Reich gehörte. Neben der Türkei war Ägypten das Hauptgebiet der deutschen Aktivitäten. Hier leitete Dr. Curt Max Prüfer die NfO-Operationen. Dieser hatte Arabistik studiert und ab 1907 an der deutschen Botschaft in Kairo als Dolmetscher gearbeitet. Ein Versuch des amtierenden Vizekönigs Abbas Hilmi Pascha, das britsche Joch mit deutsch-türkischer Hilfe abzuschütteln, scheiterte bereits 1914. Danach ging es vorrangig um die "Beobachtung und Überwachung" der weiteren politischen Entwicklungen. Die Ägypter misstrauten den türkischen Verbündeten der Deutschen. Auf der anderen Seite wandten sich viele NfO-Emissäre nicht nur gegen die britische, sondern auch gegen die türkische Bevormundung ihres Heimatlandes, daher wurden sie schon bei der Ausreise nach Ägypten von türkischen Militärbehörden gestoppt. Andere Emissäre erwiesen sich einfach als unfähig.

Wie Salvador Oberhaus in seiner Dissertation "'Zum wilden Aufstande entflammen' - Die Deutsche Ägyptenpolitik 1914 bis 1918" im Jahr 2006 schrieb, waren die deutschen Aufklärungsmöglichkeiten in Ägypten quasi nicht existent:

Die Nachrichtenlage des Auswärtigen Amts bei Kriegsausbruch kann als katastrophal bezeichnet werden. Die Mittelmächte hatten ihren Informationszugang ins Land verloren. Die Nachrichtenverbindungen aus der Vorkriegszeit rissen ab. Ernst Jäckh, der sich Anfang 1915 in Konstantinopel aufhielt, bestätigte Zimmermann die amtlichen Meldungen, denen gemäß aus Ägypten keine direkten und verlässlichen Nachrichten zu erhalten sind. Die Wilhelmstraße verfügte über kaum gesicherte Informationen, deren Inhalt auch tatsächlich verifiziert werden konnte. Die Herkunft der Information war kaum nachprüfbar. Die über Ägypten eingehenden Informationen basierten häufig nicht auf persönliche Beobachtungen der Berichterstatter, sondern kamen aus zweiter oder dritter Hand. Die Meldungen waren daher oft widersprüchlich oder aufgrund der langen Informationswege veraltet. (...)

Im Januar 1916 hatte sich am mangelhaften Informationsfluss aus Ägypten und an der Ineffizienz der Propagandatätigkeit trotz anhaltender Bemühungen um das "Projet d ́Organisation de rapports secrets avec l ́Egypte" nichts geändert. Die vorhandenen Strukturansätze vermittelten einen unverändert provisorischen Charakter. (…)

Im Herbst 1916 war der Versuch, nachrichtendienstliche Strukturen bzw. Propagandanetzwerke für Ägypten einzurichten, endgültig gescheitert.

Salvador Oberhaus

Der Journalist der "Münchener Nachrichten", Hanns Schmid, stellte sich im März/April 1915 als Spion zur Verfügung, um die britischen Militärstellungen am Suezkanal auszuspionieren. Mehrere Versuche, den Suezkanal durch eine Schiffsversenkung zu blockieren, scheiterten. Im August 1914 planten die Deutschen, den Frachter Rabenfels durch den deutschen Lotsen Brasch im Suezkanal zu versenken, aber die alarmierten Engländer verweigerten dem Schiff die Durchfahrt durch die Wasserstraße. Gleichzeitig plante der Militärattaché der österreichischen Botschaft, Josef Pomiankowski, den Frachter Arimetea mit Zement zu beladen und im Kanal zu versenken, in der Hoffnung, dass das Wasser den Zement bindet und die Fahrrinne unpassierbar machen würde. Aber die Reederei weigerte sich, den Frachter zu verkaufen.

Ein weiterer Plan stammt vom Kapitän des Schlachtkreuzers SMS Goeben, Kapitänleutnant Fritz Hilgendorf. Dieser wollte einen Dampfer im Kanal versenken. Allerdings scheiterte auch dieses Vorhaben durch den luxuriös-auffälligen Lebensstil und die Geschwätzigkeit des Kapitäns. Pläne, die Hafenanlagen von Port Said und Alexandria durch den deutschen Oberstleutnant Robert Mors Ende 1914 zu zerstören, wurden von den Briten durch die Festnahme von Mors im Oktober 1914 ebenfalls vereitelt. Im Juli konnte der deutsche Offizier Schuh das Schiff Teirefias durch eine Mine beschädigen, dadurch war die Durchfahrt durch den Suezkanal immerhin für mehrere Stunden unterbrochen.

Die beiden österreichischen Agenten Georg Gondos und M. Paul Simon wollten die Ölförderanlagen in Gemsah am Golf von Suez sprengen. Sie mussten ihr Vorhaben Ende 1914 aufgeben, da die britische Truppenpräsenz vor Ort einen Anschlag unmöglich machte. Im Februar 1915 wagten sei einen zweiten Versuch. Diesmal wurden sie von der 600 Mann starken Guerillaeinheit Teşkіlât -i Mahsusa (TM) unter Führung von Eshreff Kushcubasi unterstützt. Diesmal konnten sie tatsächlich mehrere Bohrlöcher zerstören.

Der deutsche Großindustrielle Fritz Thyssen wollte sich mit einem Scheitern der Insurrektionspolitik nicht abfinden. In einem Schreiben an den Reichstagsabgeordneten Matthias Erzberger vom 13. Januar 1916 vertrat er die Auffassung, mit dem Abwurf zahlloser Flugblätter aus Zeppelinen über Kairo ließen sich die Einwohner doch noch zur Revolution antreiben.

Auch zwei türkische Militäroffensiven scheiterten: Am 2. Februar 1915 griff die 4. türkische Armee mit 19.000 Mann die britischen Stelltungen an, die von 30.000 Soldaten verteidigt wurden. Nach mehrstündigem, verlustreichem Gefecht mussten sich die Türken zurückziehen. Auch ein zweiter Angriff im August 1916 wurde von den Briten abgewehrt.

Arabische Halbinsel

Auf der arabischen Halbinsel (heute Saudi-Arabien) versuchten die Deutschen Scharif Hussein für sich zu gewinnen, doch dieser verbündete sich lieber mit den Briten. Diese versprachen ihm Unterstützung bei seinem Unabhängigkeitsstreben und zahlten dem Saudi umgerechnet rund 600 Mio. Euro. Daraufhin rief Hussein 1916 zum Unabhängigkeitskampf gegen die Türken auf. Militärberater der arabischen Beduinen und damit wichtigster Gegenspieler Oppenheims war der britische Agent Thomas Edward Lawrence, der später als "Lawrence von Arabien" weltbekannt wurde. Bis zum 1. Oktober 1918 konnten die Beduinen bis Damaskus vorstoßen. Daraufhin wurde ein Waffenstillstand ausgehandelt.

Außerdem zahlte die NfO dem Betrüger Max Roloff 200.000 Goldmark für eine Propagandareise nach Mekka, worauf dieser verschwand.

Jemen

Im Jemen wollte Major Ottmar von Stotzingen einen Nachrichtenstützpunkt errichten, jedoch musste die Operation im Frühjahr 1916 auf türkischen Druck hin abgebrochen werden.

Irak

Ab Oktober 1915 war Major Arthur Bopp für die deutschen Kriegsoperationen in Persien gegen die russische Vorherrschaft verantwortlich. Jedoch scheiterten die Aufstandsplanungen.

Iran

Große Teile Persiens waren mit Beginn des Ersten Weltkrieges von russischen und britischen Truppen besetzt worden. Dagegen richtete sich eine "provisorische persische Regierung" unter Führung von Reza Qoli Khan Nezam al Saltaneh in Kermanschah, die von der deutschen Reichsregierung finanziell und militärisch unterstützt wurde.

So führte Hauptmann Fritz Klein, ehemaliger Militärattaché in Teheran, von 1914 bis 1916 eine Expedition durch. Im irakischen Kerbela gelang es ihm, die schiitische Geistlichkeit zu einer Fatwa zugunsten des deutschen Kaiserreiches zu animieren. Außerdem sprengte er eine britische Ölpipeline am Persischen Golf.

Dem früheren deutschen Konsul in Buschehr, Leutnant d. R. Wilhelm Wassmuss, gelang es, im Südiran eine Widerstandsbewegung mehrerer persischer Stämme (Kaschgai, Tangsir, etc.) gegen die britischen Besatzungstruppen aufzubauen. Nach der Niederlage der türkischen Truppen am 11. März 1917 in der Schlacht von Bagdad gegen britische Verbände musste die deutsche Gesandtschaft in Kermanschah aufgegeben werden. Im Oktober 1918 erlitten die Kaschgai bei Firuzuabad eine vernichtende Niederlage.

Afghanistan

Nach einem britischen Feldzug hatte der afghanische Herrscher 1893 einen Protektoratsvertrag mit Britisch-Indien unterzeichnet; aber auf afghanischer Seite bestand grundsätzlich ein Interesse daran, seine volle Unabhängigkeit wieder zu erlangen. Dies wollte sich das deutsche Kaiserreich im Ersten Weltkrieg zunutze machen (Ein deutscher James Bond in Kabul).

Oberleutnant Oskar von Niedermayer und der Legationsrat Werner Otto von Hentig, der zuvor Attaché in Istanbul und Teheran gewesen war und somit als einziger Expeditionsteilnehmer "Orienterfahrung" hatte, leiteten eine Expedition nach Afghanistan. Sie erreichten mit einer Gruppe von ca. 60 Mann am 26. September 1915 glücklich Kabul. Der britische Geheimdienst hatte schon früh von der deutschen Militärexpedition erfahren und der Gruppe in rumänischen Bahnhöfen einen Teil ihrer Ausrüstung gestohlen. Persische Straßenräuber entwendeten einen Teil der goldenen Reisekasse.

In Kabul angekommen, wurde die deutsche Expedition gleich unter Hausarrest gestellt. Erst am 1. Oktober 1915 erreichten sie eine Audienz bei Emir Habibullah Khan. Nach langen Verhandlungen wurde am 24. Januar 1916 ein deutsch-afghanisches Freundschaftsabkommen unterzeichnet. Darin verpflichtete sich die deutsche Reichsregierung zur Lieferung von 100.000 Gewehren, 300 Geschützen und eine Summe von 10 Mio. Pfund. Im Gegenzug sollte Habibullah seine Neutralität aufgeben und auf Seiten Deutschlands und der Türkei in den Krieg eintreten. Während die deutsche Seite ihre Lieferverpflichtungen einhielt, gab Habibullah die afghanische Neutralität nicht auf. Die russische Offensive im Kaukasus und die Niederlagen der Türkei ließen einen Erfolg der Mittelmächte unwahrscheinlich erscheinen. Außerdem hatte die Briten dem afghanischen Herrscher wohl noch mehr Geld und Silber geboten.

Immerhin konnte Niedermayer in Afghanistan ein eigenes Agentennetz aufbauen, dessen Zentrale war die deutsche Apotheke in Isfahan (Iran). Außerdem errichtete man eine Station zum Abhören des britischen Funkverkehrs. Mit mehreren österreichischen Offizieren, die aus russischer Kriegsgefangenschaft geflohen waren, bemühte sich Niedermayer um eine verbesserte Artillerieausbildung der afghanischen Armee. Einen Plan zur Ermordung des britischen Konsuls konnte der britische Geheimdienst vereiteln.

Im Mai 1916 zog sich die deutsche Expedition erfolglos aus Afghanistan zurück. Im September 1916 schloss sich Niedermayer der deutschen Militärmission im Osmanischen Reich unter dem Kommando von Generalfeldmarschall von der Goltz an. Im Juni 1917 wurde er Hauptmann im Generalstab der Heeresgruppe Yıldırım. Von Hentig reiste mit seiner Gruppe durch China und die USA zurück nach Deutschland. Für die 22.000 Kilometer lange Strecke benötigte er rund ein Jahr. Der afghanische Herrscher Habibullah wurde - vermutlich im Rahmen einer Palastintrige - im Februar 1919 ermordet.

Indien

In Indien lebte eine starke muslimische Minderheit. Die Leitung der deutschen Aktivitäten in Indien lag bei dem Missionar Ferdinand Grätsch. Die achtzehn Mitglieder eines Indischen Komitees in Berlin wurden als Agenten in ihr Heimatland entsandt.

Der deutsche Legationsrat Werner Otto von Hentig wollte von Afghanistan aus Aufstände in Indien schüren. Dazu verbündete man sich mit dem indischen Prinzen Raja Mahendra Pratap, einem Hochstapler, der von seinem Vater gerade mal zwei Dörfer geerbt hatte. Der Prinz lebte in Berliln und schloss sich der Niedermayer-Hentig-Expedition nach Afghanistan an. Am 1. Dezember 1915 proklamierte er in Kabul eine indische Exilregierung unter seiner Führung. Allergings blieb der Entwurf einer eigenen Staatsflagge seine wichtigste Amtshandlung, ansonsten verprasste er einen Teil der deutschen Expeditionsgelder. Als die Expedition in Afghanistan schließlich scheiterte, waren auch die Aufstandspläne für Indien Makulatur. Nur einmal kam es zu einer deutschen Militäraktion in Indien: Bereits am 23. September 1914 griff der deutsche Kreuzer SMS Emden die Ölanlagen von Madras an.

Der Versuch, die Bevölkerung in den arabischen Ländern zu einem "Dschihad - Made in Germany" zu animieren, musste scheitern. Mehrere deutsche Militärs hatten die Erfolgschancen von Anfang an eher gering eingestuft. "Ich stehe den Leistungen dieser Beduinenhorden skeptisch gegenüber", notierte etwa Generaloberst Kronprinz Rupprecht von Bayern in seinem Kriegstagebuch am 10. Dezember 1914. Für Graf von Hardenberg, einen ehemaligen Konsul in Tunis, waren die Muslime ohnehin nur eine "Rasse von Sklaven".

Auch der deutsche Diplomat und Orientalist Friedrich Rosen, der damals die Orientabteilung im Auswärtigen Amt leitete, kritisierte im Nachhinein die Dschihad-Planungen. In seinen Memoiren "Aus einem diplomatischen Wandererleben" schrieb er 1959:

Ich hätte über die Wahnvorstellungen gelacht, von denen diejenigen beherrscht wurden, die mit der politischen Leitung oder Ausführung deutscher Unternehmungen in allen mohammedanischen Ländern betraut waren, wenn uns die Sache nicht zu ernst vorgekommen wäre. Aber im Auswärtigen Amt glaubte man damals ebenso fest an die grüne Fahne des Propheten und den Heiligen Krieg, wie einige Jahre später an den Völkerbund und die Segnungen der Locarno-Politik. So wie Voltaire als der Vater der französischen Revolution angesehen wird, so konnte man Karl May als den Vater unserer Orientpolitik dieser Zeit betrachten. Was an Kenntnissen des Orients existierte, ging jedenfalls über diese wohl einzige Quelle kaum hinaus.

Friedrich Rosen

Für die Niederlage in Nordafrika und dem Nahen Osten gab es mehrere Gründe:

  • Nur wenige Moslems anerkannten das osmanische Kalifat,
  • viele Moslem ignorierten einfach den Aufruf zum Dschihad einfach,
  • viele verstanden nicht, warum sie - gemäß dem deutsch-türkischen Dschihad - mit einem Teil der "Ungläubigen" gegen andere "Ungläubige" kämpfen sollten,
  • die Verpflichtung zum (kleinen) Dschihad ist eine kollektive Verpflichtung der Bevölkerung, kein individueller Zwang für jeden Einzelnen,
  • der Einwand, durch die Zusammenarbeit mit Deutschland würde sich die Türkei zu einem Vasallen des deutschen Kaiserreiches machen,
  • rassistische Ressentiments der europäischen Dschihad-Planer gegenüber den Muslimen, der ein echtes Zusammenwirken unmöglich machte,
  • es fehlte auf Seiten der Mittelmächte eine charismatische islamische Führungsfigur,
  • die finanziellen und materiellen Mittel und organisatorischen Fähigkeiten reichten nicht aus,
  • die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei waren durch gegenseitiges Misstrauen und die Angst geprägt, übervorteilt zu werden,
  • die deutschen Dschihad-Planungen kaschierten nur osmanische Herrschaftsambitionen,*- gegen die Vorherrschaft der Türken in ihrem osmanischen Reich regte sich schon länger arabischer Widerstand,
  • die britischen Kolonialtruppen waren dem osmanischen Heer und deutschen Expeditionskorps militärisch überlegen.

Mehrere Kollaborateure hatten sich nach dem Scheitern der Dschihad-Bestrebungen in den arabischen Ländern nach Deutschland abgesetzt. Bei Kriegsende im November 1918 galten die meisten dieser "Dschihadisten" nun als "politisch unerwünscht", daher wollte das Auswärtige Amt die einstigen Bündnispartner abschieben. Das Ministerium beschaffte entsprechende Reisedokumente, lehnte aber eine finanzielle Unterstützung der Exilanten in der Regel ab. Nur wenige Betroffene erhielten ein dauerhaftes Bleiberecht.

Das Scheitern des deutsch-türkischen Dschihads trug nur am Rande zur militärischen Niederlage der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg und damit zum Untergang des Osmanischen Reiches bei. Allerdings führte diese Entwicklung nicht zur Befreiung der arabischen Länder, sondern ersetzte nur eine osmanische durch die englische bzw. französische Vorherrschaft.

Dennoch war der deutsche Versuch, durch eine Dschihad-Guerillakriegsführung die autoritären Herrschaftsverhältnisse in den arabischen Gebieten zu destabilisieren, nicht völlig absurd. Dies zeigte sich am Beispiel Russland. Zwar kam es auch hier nicht zu einem muslimischen Aufstand gegen die russischen Truppen im Transkaukasus und Persien, aber die Etablierung eines russischen Dissidenten als "Revolutionsführer" in Sankt Petersburg erfüllte schließlich den gleichen Zweck. Am 3. März 1918 unterzeichneten Deutschland und Russland in Brest-Litowsk ein Friedensabkommen, damit endete für Deutschland der verlustreiche Zweifrontenkrieg und die Soldaten wurden für die Westfront frei. Zwei Wochen später startete hier die fünfte und letzte deutsche Frühjahrsoffensive in diesem Krieg (Operation Michael). Am 29. September 1918 forderte die Oberste Heeresleitung einen Waffenstillstand, am 11. November 1918 unterzeichneten die Kriegsparteien im französischen Compiègne schließlich ein entsprechendes Abkommen.

Zweiter Versuch: Nazi-Dschihad

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges fühlte sich der betagte Max von Oppenheim im Juli 1940 noch einmal bemüht, das Reichsaußenministerium zu einem zweiten Dschihad-Versuch in den britischen und französischen Kolonialgebieten zu ermuntern. Die Reichsregierung griff die Idee begierig auf, als Ergänzung zum Einsatz des Afrikakorps unter Generalleutnant Erwin Rommel in Libyen (1941-43). Im Mai 1942 rief der palästinensische Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husaini, der damals im Exil in Berlin lebte, den Dschihad aus.

Die Durchführung der Operation lag vor allem beim Auslandsgeheimdienst Amt Ausland/Abwehr unter der Führung von Admiral Wilhelm Canaris. Außerdem hatte Adolf Hitler selbst mit seiner Weisung Nr. 30 die Aufstellung eines speziellen Kommandos zur Vorbereitung von Sonderoperationen im Nahen Osten, insbesondere in Syrien und Irak, befohlen. Dieses Kommando erhielt zunächst die Bezeichnung "Sonderstab F" nach seinem Kommandeur Generalleutnant Hellmuth Felmy, im September 1942 wurde es umbenannt in "Generalkommando z.b.V." (zur besonderen Verwendung). Bei diesem zweiten Dschihad-Versuch konnten die Nazis auf die Unterstützung durch kollaborierende "Vichy-Franzosen" in den französisch-arabischen Gebieten setzen.

Ab 1941 wurde unter Führung von Major Andreas Mayer-Mader die Spezialeinheit "Tiger B" aus muslimischen Kriegsgefangenen aufgebaut, danach folgte das Sonderbataillon "Bergmann" und das "Erste Ostmuselmanische SS-Regiment". Später wurden zehntausende Muslime aus der Sowjetunion als Kriegsfreiwillige rekrutiert. Seit Juni 1944 bestand in Göttingen sogar eine Schule zur Fortbildung von Wehrmachtsimanen.

Ein Plan zur Besetzung der Türkei (Unternehmen Gertrude) wurde Ende 1942 aufgegeben. In Syrien leitete Rudolf Rahn die deutschen Aktionen. Im Irak führte der deutsch-freundliche Ministerpräsident Raschid Ali al-Gailani am 1. April 1941 einen Staatsstreich durch. Als die Briten mit einer Militärintervention reagierten, forderte der Staatssekretär im Reichsaußenministerium, Ernst von Weizsäcker, der Vater des späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, "den bewaffneten Widerstand gegen England aufzunehmen". Daraufhin entsandte das Reichsaußenministerium 1941 eine Sonderexpedition unter Leitung von Dr. Arthur Berg alias "Fritz Grobba" und vier Angehörigen der Division "Brandenburg" in den Irak.

Die Reichsluftwaffe setzte im Mai 1941 das Sonderkommando Junck (zwei Staffeln mit Me 110 und He 111) unter dem Kommando von Oberst Werner Junck ein. Nach dem Scheitern dieser Mission entsandte die Abwehr im Sommer 1943 ein zweites Sabotageteam unter Führung von Johann Gottlieb Müller, das u. a. die irakischen Ölanlagen sprengen sollte (Unternehmen Mammut). In Persien baute man ein Agentennetz mit mindestens 400 Spionen auf. Außerdem schickte man Angehörige der SS und der Organisation Todt nach Afghanistan, die als Bauingenieure getarnt die deutsche Kolonie vor Ort verstärken sollten. Nicht zuletzt planten die Achsenmächte Deutschland und Japan die gemeinsame Besetzung von Indien. Aber auch die deutschen Pläne für einen "Islamfaschismus" scheiterten.

Im Jahr 1957 arbeiteten die Wehrmachtsgeneräle Hellmuth Felmy, Walter Warlimont und Franz Halder für die Historical Division der US Army die Studie "MS P-207 - Die deutsche Ausnutzung der arabischen Eingeborenenbewegung im Zweiten Weltkrieg" aus. Darin bilanzierte General Warlimont:

Die militärischen Pläne und Maßnahmen haben besonders darunter gelitten, dass ihnen durchweg geeignet gelegene, feste Stützpunkt im arabisch besiedelten Gebiet fehlten. Wo deutsche Truppen diesen Räumen vorübergehend nahe kamen oder gar für kurze Zeit darin eindrangen, erwies es sich mit aller Klarheit, dass erst im Kriege gewonnene Stellungen oder gar schnelle Improvisationen wie im Irak der seit Jahrzehnten festgefügten englischen Militärherrschaft in diesen Gebieten nicht entfernt gewachsen waren. Fehlten überdies deutsche Seestreitkräfte im Mittelmeer fast gänzlich, so zeigt sich auch die deutsche Luftwaffe in jenen kontinentfernen Räumen selbst 1941 schon Mängeln der Bodenorganisation und der Reichweiten, der Verbindungen und des Nachschubs als stark unterlegen. Es kann aber schliesslich auch nicht verkannt werden dass sich, abgesehen vielleicht vom Iran, kein deutscher "Lawrence" gefunden hat, der aus eigener Kenntnis und Kraft der grossen Aufgabe gewachsen gewesen wäre.

MS P-207

Später hatten die Amerikaner mit ihrem "Heiligen Krieg" in Afghanistan gegen die Sowjetunion zunächst mehr Erfolg, aber auch dieser Dschihad mündete in einen "Blowback" und richtete sich schließlich gegen die USA selbst. Derweil träumt in Deutschland ein evangelikaler Altpastor immer noch von großen scheinheiligen Kriegen.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).