Als Spanien mit Gewalt die erste europäische Weltmacht wurde

Seite 2: Siege gegen Imperien der Indigenen

Die Eroberung Amerikas lässt sich allerdings mit der auf den europäischen Schlachtfeldern bewiesenen Schlagkraft der spanischen Tercios kaum erklären. Dafür waren die Verhältnisse zu verschieden. Die Konquistadoren führten keine königlichen Armeen, sondern kleine, privat organisierte Truppen europäischer Abenteurer, und in Amerika wurden keine Schlachten wie bei Pavia ausgefochten.

Europäische Waffen aus Eisen, Arkebusen und Kanonen sowie die jenseits des Atlantiks unbekannte Kavallerie gaben den Invasoren zweifellos einen Vorteil. Trotzdem mag der Triumph von wenigen Spaniern über die Azteken und Inkas auf den ersten Blick erstaunen. Allerdings war die tausendfache Überlegenheit der indigenen Armeen meist nur eine scheinbare.

Die Führer der Konquistadoren waren im politischen Ränkespiel der europäischen Renaissance sozialisiert und verstanden es schnell, sich die inneren Konflikte der amerikanischen Reiche zunutze zu machen. So kämpften die Spanier bald nicht mehr allein, sondern bildeten die mit rücksichtsloser Zielstrebigkeit handelnde Kerntruppe großer indianischer Heere.

In einer einst viel beachteten – und seither auch viel kritisierten Studie – hat Tzvetan Todorov die These aufgeworfen, dass Hernán Cortés aufgrund seiner europäischen Erfahrungswelt die mesoamerikanischen Verhältnisse einfach schneller verstehen oder zumindest instrumentalisieren konnte, als die Führer der Azteken das umgekehrt vermochten.

Auf dem Schlachtfeld waren die Armeen der indigenen Reiche mit ihren Waffen aus Holz und Stein und ihrer ritualisierten Kriegsführung den Spaniern und den von ihnen gesponnenen Bündnissen jedenfalls nicht gewachsen. Danach blieb die Masse der vom Ackerbau lebenden Bevölkerung dem Zugriff der Eroberer ausgeliefert.

Erhebungen blieben nicht aus, doch stets zeigte sich, dass es unmöglich war, Bauer und Krieger zur gleichen Zeit zu sein. Ein Bauer musste seine Felder bestellen und seine Ernte einbringen, wollte er sich nicht seine Existenzgrundlage entziehen. Diese Zwänge setzten dem bäuerlichen Widerstand saisonale Grenzen.

Zudem boten Dörfer und Felder leichte Angriffsziele. Der Ausweg in die Berge zur Aufnahme einer Guerilla blieb den Ackerbauern weitgehend versperrt, denn das Leben in der Wildnis stellte Anforderungen, denen sie auf die Dauer nicht gewachsen waren. Zusätzlich schwächten die eingeschleppten Krankheiten ihre Widerstandkraft weiter.

So gelang es den Spaniern, die staatenbildenden Agrargesellschaften zwischen dem zentralen Andenraum und dem südlichen Nordamerika innerhalb weniger Jahre zu unterwerfen. Anders war die Lage in Regionen, in denen die Spanier auf Gesellschaften ohne staatliche Organisation trafen, die nur beschränkt Ackerbau betrieben oder als Jäger und Sammler lebten.

Diese meist kleinen Völker erwiesen sich militärisch als ungleich widerstandskräftiger als die Armeen der Azteken oder Inkas. Schon waffentechnisch entpuppten sich die Völker Nordmexikos als höchst unangenehme Gegner. Ihre bevorzugte Waffe, der Bogen, war bei den Spaniern gefürchtet. In manchen Gegenden wurden die Pfeilspitzen zudem noch oft vergiftet.

Die relativ egalitäre Sozialstruktur der Kulturen des Nordens, unter deren Mitgliedern sich kaum Arbeits- und politische Funktionsteilungen entwickelt hatten, sieht man von der Aufgabentrennung zwischen den Geschlechtern ab, förderte die militärische Schlagkraft weiter. Männer waren gleichzeitig Krieger, Jäger und Sammler.

Im Krieg praktizierten sie eine listenreiche, am Endzweck orientierte Guerilla-Taktik. Die politische Zersplitterung dieser Regionen zwang die Spanier schließlich, Dorf für Dorf zu besiegen oder zumindest in ihr Bündnissystem zu integrieren, was die Eroberung des Nordens äußerst langwierig werden ließ.

Die Grenzen der Expansion in Asien

Zum Ende mag ein kurzer Blick auf Asien angebracht sein. Einmal auf den Philippinen etabliert, wurde in Madrid auch über mögliche Eroberungen in China diskutiert. Das reizt zur Frage, wie sich die spanischen Tercios wohl gegen die chinesische Reichsarmee geschlagen hätten.

Möglicherweise hätten sie die eine oder andere Schlacht gewonnen, aber niemals den Krieg. Denn dazu war der technologisch-taktische Vorsprung zu gering, die zahlenmäßige Überlegenheit der Chinesen zu groß. Schließlich haben noch die imperialistischen Mächte des 19. und 20. Jahrhunderts von der Eroberung Chinas Abstand genommen (mit Ausnahme des benachbarten Japans).

Jede Spekulation erübrigt sich jedoch, da die Spanier logistisch gar nicht in der Lage waren, ein starkes Heer in den fernen pazifischen Raum zu entsenden. So wurden sie selbst mit den kleinen islamischen Sultanaten Südostasiens nicht fertig. Ihre Expansion erreichte ihre Grenzen.

Prof. Dr. Bernd Hausberger, geb. 1960, Promotion an der Universität Wien, von 1993 bis 2006 am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin, seit 2006 Professor für lateinamerikanische Geschichte am Colegio de México in Mexiko-Stadt

Zum Weiterlesen:

  • Friedrich Edelmayer (2017): Philipp II.: Biographie eines Weltherrschers. 2. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart
  • John H. Elliott (2006): Empires of the Atlantic World. Britain and Spain in America, 1492-1830. Yale University Press, New Haven/London
  • Bernd Hausberger (2015): Die Verknüpfung der Welt. Mandelbaum, Wien.
  • Notario López, Ignacio u. Iván (2012): The Spanish Tercios. 1536-1704. Osprey, Oxford
  • Stefan Rinke (2019): Conquistadoren und Azteken. Cortés und die Eroberung Mexikos. Beck, München
  • Tzvetan Todorov (1985): Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen. Suhrkamp, Frankfurt