Alte neue Weltordnung

Seite 2: Indien vs. China

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Evident wurde dies auch an den Spannungen zwischen China und Indien im August 2017, die beide Länder an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung brachten: Nach zunehmenden Grenzzwischenfällen zwischen beiden südostasiatischen Großmächten beiderseits der konfliktreichen Grenze im Himalaya wurden rasch massive Truppenverbände in der Region zusammengezogen.

Wie immer bei solchen binnenkapitalistischen Konflikten ist deren konkreter Anlass - hier ein Straßenbauprojekt auf einem zwischen China und Bhutan umstrittenen Hochplateau - eingebettet in ein spannungsreiches regionales Interessengeflecht beider Großmächte.

Die Washington Post gab einen Überblick über die zunehmenden geopolitischen Friktionen, die mit dem Aufstieg Chinas in der Region einhergehen (und die Washington bei seinen anti-chinesischen Eindämmungsversuchen zu instrumentalisieren versucht). Die Spannungen reflektierten die zunehmende "geopolitische Konkurrenz" zwischen den südostasiatischen Großmächten, da Pekings Dominanz in der Region aufgrund "ehrgeiziger Infrastrukturprojekte" wachse und Indien "von Einigen" als ein "letztes Gegengewicht" angesehen werde.

Der chinesische Straßenbau an der Grenze zu Bhutan würde Pekings Truppen näher an den strategischen indischen Siliguri-Korridor bringen, einer schmalen Landbrücke in Westbengalen, die die nordöstlichen Provinzen mit dem Rest des Landes verbindet.

Indien wiederum sei verstärkt bemüht, den tibetischen Separatismus zu fördern. Auch im Südchinesischen Meer gehe Peking daran, durch die "Befestigung von Inseln" seine Territorialansprüche in der ressourcenreichen Region durchzusetzen. China beansprucht einen Großteil des Südchinesischen Meeres, durch das einer der wichtigsten globalen Handelswege führt, für sich.

Als angebliche "Aufsteiger" im kapitalistischen Weltsystem verhalten sich die "BRIC"-Staaten China und Indien somit kaum anders, als es die kapitalistischen Kernländer in den vergangenen Jahrhunderten taten.

Imperialismus und die Krise des Kapitals

Unstrittig ist, dass die Vereinigten Staaten seit der Erlangung ihrer Stellung als Welthegemon in zahllosen Kriegen und Interventionen die breiteste Blutspur in der Weltgeschichte nach 1945 hinterlassen haben. Doch ist diese Stellung der USA als globale Hegemonialmacht, die der "unsichtbaren Hand" des Weltmarktes immer wieder mit der eisernen Faust ihrer Militärmaschinerie zum Durchbruch verhalf, nicht neu.

Seit der Ausbildung des kapitalistischen Weltsystems haben immer wieder Großmächte die Stellung einer Hegemonialmacht erobert; dies ist ein konstitutionelles Merkmal des Kapitalismus. Vor den USA hatte beispielsweise Großbritannien diese Stellung inne, und die britische Kolonialpolitik gegenüber Indien war nicht weniger massenmörderisch als etwa der Krieg der USA in Vietnam.

Um die Gegenwart auf den korrekten theoretischen Begriff zu bringen, können somit durchaus - wenn auch begrenzt! - Parallelen zum klassischen Imperialismus des 19. Jahrhunderts gezogen werden - zum globalen Machtkampf der imperialen Großmächte, der in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges kulminierte. Alle kapitalistischen Großmächte, auch Russland, China oder die regionalen "Aufsteiger" Iran und Türkei, streben nach einer Erweiterung ihrer Machtfülle durch Expansion (eine Einteilung in "gute" und "böse" Mächte ist schlich infantil).

Dem uferlosen Akkumulationszwang des Kapitals in der Sphäre der Ökonomie entspricht der Expansionsdrang der kapitalistischen Staaten, der in Wechselwirkung mit eben den Widersprüchen der Kapitalverwertung steht (imperiale Expansion um neuer Märkte, neuer Ressourcen wegen).

Der wichtigste Unterschied zwischen dem späten 19. Jahrhundert und dem derzeitigen Neoimperialismus besteht in der globalen Krisendynamik, die gerade diese neoimperiale Expansion antreibt. Die zunehmenden inneren Widersprüche in den kapitalistischen Machtblöcken (Eurokrise, Folgen der geplatzten US-Immobilienblase) sollen durch diese Expansion kompensiert werden.

Innere sozioökonomische Widersprüche lassen den imperialistischen Drang zur äußeren Expansion - auf Kosten der geopolitischen Konkurrenz - anschwellen, während zugleich die wachsenden Schuldenberge die Aufrechterhaltung dieser Interventionspolitik immer kostspieliger werden lassen.

Die Kämpfe der erodierenden kapitalistischen Staatsmonster untereinander nehmen zu, während all die westlichen Interventionen in den failed states der Peripherie des Weltsystems sich als kolossale Fehlschläge erwiesen haben (Afghanistan, Irak, Somalia, Libyen, etc.). Der Abgang der USA wird somit nicht mehr von einer neuen hegemonialen Ära abgelöst werden - etwa einem "Chinesischen Zeitalter".

Der nun allseits prognostizierte Wachwechsel an der Spitze des kapitalistischen Weltsystems - bei dem China die USA als Hegemon ablösen würde - scheint kaum machbar, da die Volksrepublik als dessen Bestandteil auch von der Krise erfasst wurde, in der sich der Spätkapitalismus befindet. Gigantische Schuldenberge wurden nicht nur in den USA, sondern auch in der Volksrepublik aufgetürmt. Tatsächlich nähert sich China mit Riesenschritten einem ähnlichen Niveau der Gesamtverschuldung an, wie es die USA aufweisen.