"Alternativen" und "ziviler Ungehorsam" gegen G7-Gipfel
Seite 2: "Stimmung in Frankreich ist nach den Gelbwesten-Protesten sehr aufgeladen"
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Wie verhalten sich die Institutionen gegenüber den Gegenaktivitäten? Es braucht ein großes Gelände für das Protestcamp, schließlich werden mehrere tausend Menschen erwartet, man hätte das Messegelände nicht zur Verfügung stellen können.
Joseba Alvarez: Wir standen stets im Dialog mit den Behörden und haben verhandelt. Man hat zudem die Erfahrung, ich war auf mehreren Gipfeln wie in Genua, Saloniki ..., weshalb man versucht, durch ein gewisses Entgegenkommen, einen Teil des Protests zu kontrollieren. Klar, sie haben auch Angst vor Anschlägen, schließlich gab es in Frankreich schon einige islamistische Anschläge. Und zudem sind da Aktionen des Schwarzen Blocks, wo die französischen Autoritäten mit harten Auseinandersetzungen rechnen.
Die Stimmung in Frankreich ist vor allem nach den vielen Gelbwesten-Protesten schon sehr aufgeladen. Deshalb versucht man, dass möglich nichts passiert. Deshalb lassen sie vermutlich einige Räume offen. Wenn sie keinerlei Raum lassen würden, wäre die Lage für sie unkontrollierbar. Die Chance, dass es zu Auseinandersetzungen kommt, deutlich größer.
Würden die Leute nicht im Protestcamp übernachten, würden sie verstreut überall in der Gegend campieren. Deshalb wurde schließlich vom Präfekt ein ehemaliges Ferienlager von Nestle am Rand von Hendaye zur Verfügung gestellt. Es wird auch ein Busverkehr von den lokalen Behörden eingerichtet, damit die Teilnehmer aus dem Protestcamp am Rand von Hendaye ins Zentrum und über die Grenze zum Messegelände gelangen können. Sonst hätten die Autos alles verstopft und es gibt ohnehin keine Parkplätze…
Da wir nicht wollen, worauf viele Kommunikationsmedien aus sind, die hier Krawall-Bilder schießen wollen, haben wir den Gegengipfel im Vorfeld organisiert. Für uns ist es wichtig, Alternativen aufzuzeigen. An Krawall haben wir kein Interesse. Der kann, wie wir aus Genua nur zu gut wissen, auch von eingeschleusten Provokateuren ausgehen.
Wenn der Gegengipfel normal abläuft, ohne Störungen durch Sicherheitskräfte beiderseits der Grenze und die Grenze offenbleibt, schafft das zudem ein Klima. Das wirkt sich wiederum auf die Proteste während des Gipfels aus. Wird schon während des Gegengipfels provoziert, können wir uns das Desaster an den Gipfeltagen ausmalen. Es scheint, dass man sich darüber auch in Frankreich bewusst ist.
Wie kann man sich das hier vorstellen? Schließlich fällt der Gipfel zudem mit dem zentralen Rückreise-Wochenende zusammen und die Gelbwesten sind gerade für ihre Autobahn-Blockaden bekannt. Der Rückreiseverkehr führt alljährlich schon ohne Gipfel zu enormen Staus.
Joseba Alvarez: Das Chaos kann hier nächste Woche unvorstellbare Ausmaße annehmen. Trotz der Versuche, die Leute über Katalonien umzuleiten, werden hier in den nächsten Tagen Millionen durch das Baskenland reisen. Dazu kommt natürlich der übliche LKW-Verkehr. Deshalb will Frankreich die Autobahn offenhalten. Aber klar, es reicht nicht, den Grenzübergang offen zu halten, denn eine Blockade an irgendeiner Stelle hat fatale Auswirkungen.
So waren die Verhandlungen immer von einem Tauziehen geprägt und in diesem Rahmen konnten wir in sechs Monaten einige Zugeständnisse heraushandeln, wie das Protestcamp, der Busverkehr, die verschiedenen Veranstaltungszonen und die offene Grenze der Santiago-Brücke. Klar ist aber, dass es außerhalb der Plattform noch verschiedene Aktivitäten geben wird. Da sind die Aktionen der Gelbwesten, es sind Blockaden geplant.
Ist es für die Gegenaktivitäten problematisch, dass es hier die Grenze gibt, der Gipfel im mondänen Badeort Biarritz mitten im Urlaubsmonat August stattfindet?
Joseba Alvarez: Klar, die Mehrzahl der Gegner kommt natürlich aus dem südlichen Teil des Baskenlandes, da im Großraum Bayonne-Biarritz-Anglet nicht einmal 300.000 Menschen leben und Biarritz am untersten westlichen Ende Frankreichs liegt. Im Sommer sind natürlich Mobilisierungen immer schwieriger. Deshalb ist nun alles etwas komplizierter.
Das könnte eine Rolle bei der Auswahl des Zeitpunkts gespielt haben, dass man das bourgeoise Biarritz gewählt hat, mit vielen reichen französischen Rentnern, wo es weniger Gegner gibt. Und in einer großen Stadt wie Bilbao oder früher in Genua, Thessaloniki oder Marseille. Da hat man aus den Stadtteilen der einfachen Menschen schon eine ganz andere kritische Masse vor Ort für Proteste.
Erwartet die Plattform G7EZ Auseinandersetzungen schon im Vorfeld?
Joseba Alvarez: Im Prinzip nicht, wenn es wie vereinbart hier in Irun und Hendaye läuft. Klar, wenn die spanische Guardia Civil oder die französische Gendarmerie die Grenze sperrt und die Teilnehmer des Gegengipfels nicht durchlässt, anfängt Personenkontrollen durchzuführen oder ähnliches, können wir natürlich nicht für die Reaktion von etlichen tausend Menschen garantieren.
Wir treten für einen friedlichen Verlauf und für aktiven zivilen Ungehorsam ein. Klar, das sind unsere Vorstellungen. Was aber machen Polizei und paramilitärischen Kräfte? Sind die alle unter Kontrolle oder will daraus jemand eine Auseinandersetzung provozieren? All das wissen wir natürlich nicht. Wir haben alles dafür getan, dass es hier einen Protest geben kann, auf dem über Alternativen zu dem herrschenden System debattiert werden kann.