Am Anfang der vierten Covid-19-Welle

Seite 2: Die Delta-Variante gewinnt die Vorherrschaft

Sehen wir uns abschließend den Bedeutungsgewinn der Delta-Variante [B.1.617.2] an (wobei deren Bedeutungsgewinn deren höhere Infektiösität anzeigt - eben deshalb verbreitet sie sich schneller als die Alpha-Variante [B.1.1.7] bzw. wächst die Zahl der Delta-Fälle, obwohl die Zahl der Alpha-Fälle sinkt):

Die Virusvarianten werden vom RKI mittels verschiedener Erhebungsinstrumente beobachtet. Am ehesten Aussicht auf Repräsentativität hat eine - allerdings relativ kleine - Stichproben, die jede Woche sequenziert wird. Die Ergebnisse werden (als absolute und relative Zahlen) in RKI-Datei VOC_VOI_Tabelle.xlsx als Tabelle veröffentlicht.

Die Entwicklung der vergangenen elf Wochen sieht wie folgt aus:

Anmerkung: Mit erheblichen Nachmeldungen ist - für alle Varianten - zu rechnen

In der Stichprobe gab es in KW 25 erstmals mehr Delta- (428 Proben) als Alpha- (226 Proben)-Fälle (ebd. [Datei v. 13.7.], Tabelle 1 [Zeile 26 "KW 25", Spalte B "Alpha-Fälle" und D "Delta-Fälle"). In KW 26 waren es bisher 118 Alpha- und 407-Delta-Proben. Dies dürfte ausschließen, daß es KW 27 noch einmal zu einem stärken Rückgang der Alpha-Fälle, als Anstieg der Delta-Fälle kam - der bereits bekannte Anstieg der Gesamt-Inzidenz von KW 26 zu 27 deutet zusätzlich darauf hin.

Varianten-spezifische Hospitalisierungszahlen

Kommen wir zum Schluß - unter dem Gesichtspunkt der verschiedenen Varianten - noch einmal auf die Hospitalisierungszahlen zurück. In dem aktuellen VoC-Bericht des RKI ist auf S. 18 nebenstehende Graphik abgebildet:

  • Unter denjenigen, die mit einer Delta-Infektion hospitalisiert werden, sind also - so ergibt sich aus der Graphik - die unter 60-Jährigen stärker vertreten, als dies bei denjenigen der Fall ist, die mit einer Alpha-Infektion hospitalisiert sind.
  • Dagegen sind unter denjenigen, die mit einer Alpha-Infektion hospitalisiert werden, diejenigen, die 60 Jahre und älter sind, stärker vertreten, als dies bei den Delta-Hospitalisierten der Fall ist.
Schaubild 6: Unter denjenigen, die mit einer Delta-Infektion hospitalisiert werden, sind die Jüngeren stärker vertreten, als dies unter den "Alpha-Hospitalisierten" der Fall

Politische Bewertung

Die vorstehend aufgezeigte Entwicklung - wieder ansteigende Inzidenz und Positivenquote; erhöhter Hospitalisierten-Anteil - ist die Quittung für eine Infektionsschutzpolitik, die nie den Ehrgeiz hatte, das Zurverfügungstehen von Impfstoffen zu nutzen, um die Infektionszahlen und die Zahl der Hospitalisierungen/Intensivpatient:innen unter den jeweiligen Vorjahreswert zu drücken. Vielmehr wurden und werden höhere Zahlen als im vergangenen Jahr zum entsprechenden Zeitpunkt in Kauf genommen, solange sie nur unter den Höchstwerten der zweiten bzw. dritten Welle liegen.

Der Ehrgeiz der hegemonialen Fraktion der Locker-Laschets von Linkspartei bis AfD war nicht auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung, sondern darauf gerichtet, dass der Euro auch in den Branchen, die von den Infektionsschutzmaßnahmen umsatz-nachteilig betroffen waren, wieder schnell rollen soll.

Den Preis müssen nicht nur diejenigen, die weiterhin hospitalisiert werden müssen oder sterben, zahlen; sondern der Preis besteht auch darin, dass jede nicht-verhinderte Infektion das Risiko weiterer Mutationen impliziert. Eine Niedriginzidenz-Politik, die angesichts der Impfstoffe nun deutlich einfacher (weniger belastend) möglich ist, wird bei steigenden Impfquoten nicht etwa überflüssig, sondern bleibt richtig (nur wurde sie in der BRD - außer einigermaßen während der ersten Welle - nie praktiziert):

Was wir im Sommer tun, kann uns den Herbst kosten. Wir wissen heute noch nicht, über welchen Buchstaben des griechischen Alphabets wir dann sprechen. Vielleicht schützt Pfizer nicht so gut vor Omikron und Psi.

FAZ vom 13.07.2021

Vgl. auch in den Virologen Martin Stürmer im Tagesspiegel vom 09.07.2021:

Wir gehen davon aus, dass vollständig geimpfte Infizierte in den allermeisten Fällen milde bis asymptomatische Krankheitsverläufe haben. Trotzdem sollten wir jetzt nicht leichtsinnig werden und die Inzidenzen niedrig halten. Sonst riskieren wir, dass das Virus weitere Mutationen bildet.

PS.:

Aus einer Veröffentlichung in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet über die Auswirkungen der Delta-Variante in Schottland:

In summary, we show that the Delta VOC in Scotland was found mainly in younger, more affluent groups. Risk of COVID-19 hospital admission was approximately doubled in those with the Delta VOC when compared to the Alpha VOC, with risk of admission particularly increased in those with five or more relevant comorbidities. Both the Oxford-AstraZeneca and Pfizer-BioNTech COVID-19 vaccines were effective in reducing the risk of SARS-CoV-2 infection and COVID-19 hospitalisation in people with the Delta VOC, but these effects on infection appeared to be diminished when compared to those with the Alpha VOC. We had insufficient numbers of hospital admissions to compare between vaccines in this respect. The Oxford-AstraZeneca vaccine appeared less effective than the Pfizer-BioNTech vaccine in preventing SARS-CoV-2 infection in those with the Delta VOC. Given the observational nature of these data, estimates of vaccine effectiveness need to be interpreted with caution.

The Lancet