Amerika spielt Monopoly, Russland spielt Schach

Seite 2: Eine unerwartete "Willkommenspolitik" nach dem Regime Change

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Das konnte einfach nicht wahr sein, dachte Wladimir, doch als er die Geschäftspartner darauf ansprach, diesen nur mit einem königlichen Vollrausch zu erklärenden und daher ungültigen Deal rückgängig zu machen, meinten diese nur "Vertrag ist Vertrag" und lehnten ab.

"Was tun?" fragte sich Wladimir in Anlehnung an seinen berühmten Vorgänger und Namensvetter, den man "Lenin" genannt hatte. Im Land herrschte große Armut und die Staatskassen waren leer. Nach der alten Regel "Amerika spielt Monopoly, Russland spielt Schach" analysierte König Wladimir in den Gemächern des Kreml gewissenhaft die Stellung, er suchte mit seinen besten Strategen nach dem besten Zug und fand ihn schließlich: eine Exportsteuer auf jedes Fass Öl, das die exzeptionalistischen Multis außer Landes schaffen.

Der Tag, an dem das neue Gesetz in Kraft trat, bedeutete dann einen doppelten Umschwung: Die Kassen des Reichs füllten sich wieder, den vielen Armen, Rentnern und Tagelöhnern ging es besser und der kleine Wladimir wurde für seine Landsleute bald zu einem der beliebtesten Könige seit dem zwei Meter langen Peter dem Großen.

Im exzeptionalistischen Königreich hingegen und auch bei seinen Vasallen mutierte der bis dahin als fähig und kooperativ geltende König nun quasi über Nacht zum "gefährlichen", "aggressiven" Putin. Die Herolde und Lautsprecher im Königreich bekamen sich in der Folge kaum noch ein, die Ultraboshaftigkeit und Gefährlichkeit Wladimirs in den schrillsten Farben und unter Zuhilfenahme von reichlich Fake News auszumalen, sodass bald fast alle im Lande vergessen hatten, dass sein Verbrechen eigentlich nur darin bestanden hatte, dass er die Schätze seines Landes nicht weiter umsonst, sondern zum Marktpreis abgeben wollte.

Dies aber war nicht die Art von "Willkommenskultur", die die Meister der Intelligence nach einem regime change erwarteten. Als sie dann im benachbarten Königreich Ukraine einen Putsch inszenierten, um die Katapulte ihrer Nato-Truppen direkt vor Wladimirs Haustür zu platzieren und seinen wichtigsten Seehafen auf der Insel Krim unter Beschlag zu nehmen, hypnotisierte Putin bekanntlich mit der Magie seiner Gedankenstrahlen die Krim-Bewohner, die über Nacht allesamt in sein Reich überliefen. Damit wurde er in den Augen des exzeptionalistischen Königreichs nun endgültig zum Ultrabösen und fortan geschah quasi kein Übel auf der Welt mehr, das nicht sofort dem schrecklichen Wladimir zugeschrieben wurde.

Email und die Detektive

Als dann unsichtbare Häscher der Vizekönigin Hillary ihre gesamte Post entwendeten und die Dokumente veröffentlichten, welche ein Ausmaß an korrupter Vermischung von Politik und Geschäften verdeutlichten, das selbst wohlmeinende Hillary-Unterstützer erschaudern ließ, war der sicher geglaubte Sieg gegen den Kandidaten mit der Eichhörnchenfrisur dahin.

Donald wurde König, aber die Schuld wollten Hillary und ihre Partei nicht bei sich selbst suchen und so lag es nahe, die Wahlniederlage dem als Universal-Übeltäter und Großfeind schon eingeführten Ultrabösen zuzuschreiben. Zwar konnten die offiziellen Meister der Intelligence und alle Detektive des Landes keinerlei Belege dafür vorweisen, aber die Hillary ergebene Gilde der Herolde und Lautsprecher posaunte Tag für Tag Geschichten in die Welt, wie der perfide Wladimir die Wahlen manipuliert und Donald auf den Thron gehievt hätte.

Den eigentlichen Treppenwitz der Geschichte, nämlich wie es überhaupt dazu kommen konnte, das höchst geheime Staatspost in Hillarys Privatgemächern lagerte, wo sie von Häschern sehr einfach geklaut werden konnte, erzählte dagegen kaum jemand. Als Hillary nämlich Vizekönigin unter Obama geworden war, bekam dieser von den Meistern der Intelligence ein hoch modernes und abhörsicheres Zwitschergerät, das man "Blackberry" nannte. Hillary wollte auch eines, aber die Meister sagten nein, es gibt nur eins für den Chef. Da war Hillary beleidigt: "Dann benutze ich eben mein privates Gerät weiter", sagte sie. Geht nicht, sagten die Meister, zu unsicher für eine Außenministerin und nicht passend zum dem Netz im Ministerium. "Dann richte ich mir eben zu Hause eine eigene Station ein", sagte sie, stampfte mit dem Fuß und ließ sich nicht abhalten. Die Geräte in ihrem Ministerium benutzte sie nie, alle Post lief über ihre Heimstation und wird eben dort dann Beute für die unbekannten Häscher. Und so nahm das Drama seinen Lauf.

Dass sich Hillary die Wahlniederlage mit ihrer eigenen Zickigkeit wegen eines blöden Zwitschergeräts selbst eingebrockt hatte, gab nun aber keine vorteilhafte Nachricht her und so wurde die Geschichte vom großen Postdiebstahl durch die unsichtbaren Häscher des Ultrabösen erfunden. Wie wir schon im 1. Kapitel dieser Chronik gesehen haben, strickten die Meister der Intelligence an dieser Story kräftig mit und erhoben sie vom fiktiven Status der Fake News zu einer immer noch faktenfreien, aber nun quasi-offiziellen, halb-amtlichen "Wahrheit", die von den Herolden und Lautsprechern weiter gesponnen werden konnte.

Im zweiten Schritt beseitigten sie dann Donalds Chefstrategen, General Flynn, indem sie ihm heimliche Kontakte mit dem Ultrabösen vorwarfen. An denen war zwar gar nichts Illegales, aber die Meister hatten die Gespräche belauscht und festgestellt, dass der General seinem Chef nicht alles darüber berichtet hatte - und diese Info an ihre Lautsprecher durchgestochen.