Amerika und das deutsche Wesen

Präsident Bush zum deutsch-amerikanischen Tag

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Amerikas Größe hängt tief am deutschen Wesen. Da folgen wir nicht etwa Wilhelm II., sondern US-Präsident Bush höchstselbst. In seiner Proklamation zum letztjährigen Deutsch-Amerikanischen Tag, dem 06.10.2001, strich er die vitale Rolle heraus, die Amerikaner deutscher Abstammung spielten, die Kraft des demokratischen Geistes der USA zu etablieren. Dieses Jahr betonte er, dass deutsche Einwanderer dank ihrer Arbeit, ihres Erfindergeistes und ihres Mutes großen Einfluss auf Amerika genommen und das Land gefestigt hätten.

Seit dem 06.Oktober 1987 wird der German-American Day gefeiert, aber dieses Jahr mag mancher Deutsch-Amerikaner schon gezittert haben, ob Deutschlands historische Beiträge so gewürdigt werden können wie noch letztes Jahr. Die Welt schien jedenfalls über den alljährlichen Routinefestgang Amerikas so erstaunt gewesen zu sein, dass es hieß, der amerikanische Präsident habe den 6. Oktober "überraschend" zum deutsch-amerikanischen Tag erklärt.

"Überraschend" mag allein sein, dass Bush den deutsch-amerikanischen Schulterschlusstag nicht ungnädig gestrichen hat - jetzt, wo Deutschland so unwillig ist, in die Zukunft der amerikanischen Weltsicherheit zu investieren. Seitdem Bundeskanzler Schröder mit seiner Kriegsabsage Bush brüskiert hat, sind wir stolz auf jeden US-Sympathiepunkt, den wir wieder verbuchen dürfen. Schröders Wahlsieg wurde ignoriert, aber zum 03. Oktober gab es zumindest für Bundespräsident Rau amerikanische Vereinigungsgrüße.

Die Bundesregierung freut sich inzwischen über solche Streicheleinheiten, die indes kaum selbstlos erfolgen. Letztes Jahr hob Bush nach den Septemberanschlägen wohl nicht zufällig hervor, dass Tausende von Deutsch-Amerikanern sich freiwillig meldeten, um für die Union in den Bürgerkrieg zu ziehen. The Times they are a-changin?.

Bei der diesjährigen Steuben-Parade hielt sich die amerikanische Polit-Prominenz ganz gegen ihre Gepflogenheiten geschlossen fern, obwohl doch dieser alljährlichen Deutschtümelei nachgesagt wird, dass die Straßen nach dem Aufzug sauberer als vorher seien. So gehört sich das auch, weil Lederhosen, Dirndl, Leopard und deutsche Gründlichkeit unsere stolzen Wahrzeichen sind, die auch Miss Liberty gut stehen. Mit Solidarität zum unsicheren Solidarpolitiker Schröder lassen sich indes derzeit in der amerikanischen Stimmungsdemokratie keine Pluspunkte verbuchen.

Dabei ist Amerikas Selbstverständnis ohne deutsches Ingenium gar nicht vorstellbar: So schuf der Deutschamerikaner Emanuel Leutze 1851 mit seinem heroischen Bild Washington Crossing the Delaware River ein herausragendes Symbol des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes. Übrigens stand der "Rhein" Modell für den "Delaware", was zur Vermutung anregt, dass Amerikas Gedächtnisselbstbild maßgeblich vom späten Traum eines deutschen Romantikers bestimmt wird. Dieses Jahr hob Bush hervor, dass 1683 dreizehn Einwandererfamilien Deutschland verlassen haben, um religiöser Verfolgung zu entgehen. Jene Deutschen, die in "Germantown" in Pennsylvania eine erste deutsche Kolonie gründeten und denen sieben Millionen Deutsche folgten. Die Geschichte bleibt sich bemerkenswert treu, wenn man nur den Mut hat, den großen Bogen zu spannen: Die Befreiung der Sklaven in den Südstaaten mit Hilfe deutsch-amerikanischer Soldaten, der Krieg gegen das Hitlerregime und nun eben gegen Saddam Hussein.

"Unsere Freundschaft wurde nach dem Zweiten Weltkrieg geschmiedet und gründet auf gegenseitiger Unterstützung und Respekt", meinte Bush und dazwischen passt eben kein Zentimeter Herta Däubler-Gmelin. Bush hat aber wohl auch dazu gelernt: Die Dialektik vom Mächtigsten und weniger Mächtigen führt frei nach Hegel dazu, dass Freundschaften nicht nur aus selbstlosen Gründen zu pflegen sind.