Long Covid: Spike-Proteine als heimliche Gehirn-Saboteure entlarvt
Forscher haben einen möglichen Hauptverursacher von Long-Covid-Symptomen gefunden. Spike-Proteine des Coronavirus im Gehirn. Was sie dort anrichten.
Eine neue Studie wirft ein Schlaglicht auf mögliche Ursachen von Langzeitbeschwerden, die viele Menschen nach einer Covid-19-Infektion plagen. Die Forscher fanden Hinweise darauf, dass die Spike-Proteine des Coronavirus noch lange nach der akuten Infektion in Schädel, Hirnhäuten und Gehirn der Betroffenen nachweisbar sind.
Außerdem lösten die Spike-Proteine in Mäusen Entzündungsreaktionen aus und schädigten die Gehirnzellen. Dies könnte eine Erklärung für kognitive Einschränkungen und andere neurologische Beschwerden bei Long-Covid-Patienten sein.
Schon länger ist bekannt, dass eine Covid-19 Erkrankung nicht nur die Lunge, sondern auch andere Organe wie das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen kann. Viele Genesene klagen noch Monate später über Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme, depressive Verstimmung und anhaltende Erschöpfung. Die genauen Mechanismen dahinter waren bisher unklar.
Ein internationales Forscherteam um Ali Ertürk vom Helmholtz-Zentrum München untersuchte nun Proben von Schädelknochen, Hirnhaut und Gehirn verstorbener Covid-19 Patienten. Sie fanden in vielen Fällen Ablagerungen von Spike-Proteinen in diesen Regionen, selbst wenn kein aktives Virus mehr nachweisbar war. Bei Kontrollpersonen ohne Covid-19 fanden sich diese Ablagerungen nicht.
Die Forscher testeten dann die Wirkung der Spike-Proteine im Mausmodell. Spritzten sie die Proteine Mäusen direkt in den Schädelknochen, verteilten sich diese innerhalb von 30 Minuten bis ins Gehirn und lösten dort Entzündungsreaktionen und Zellschäden aus. Mäuse, die mit Spike-Proteinen behandelt wurden, zeigten außerdem vermehrt Angstsymptome.
Die Forscher vermuten, dass die Spike-Proteine über spezielle Kanäle vom Schädelknochen durch die Hirnhäute bis ins Gehirn gelangen. Dort binden sie an ACE2-Rezeptoren auf den Gehirnzellen und aktivieren entzündliche Signalwege wie den MAPK-JNK Pathway. Die chronische Entzündung könnte zur Schädigung und zum Absterben von Nervenzellen führen.
Der MAPK-JNK-Weg (Mitogen-Activated Protein Kinase c-Jun N-terminal Kinase Pathway) ist ein Signalübertragungsweg in Zellen, der an der Regulierung von Zellprozessen wie Wachstum, Differenzierung, Entzündungsreaktionen und Apoptose beteiligt ist. Auf Deutsch wird er oft als MAPK-JNK-Signalweg bezeichnet. Dieser Signalweg spielt eine wichtige Rolle bei der Reaktion von Zellen auf Stress und wird mit verschiedenen Krankheiten, einschließlich Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen, in Verbindung gebracht.
In der Studie konnte zudem gezeigt werden, dass eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff die Ablagerung von Spike-Proteinen im Gehirn deutlich reduzierte, wenn auch nicht vollständig verhinderte. Dieses Ergebnis unterstreicht einmal mehr die Bedeutung der Covid-19 Impfung.
Ausblick: Die Studie liefert erstmals eine schlüssige Erklärung, wie eine Covid-19 Infektion auch längerfristig das Gehirn schädigen könnte. Die Ergebnisse müssen nun in weiteren Studien bestätigt und mit der klinischen Symptomatik der Patienten in Verbindung gebracht werden.
Die Identifikation der beteiligten Proteine und Signalwege eröffnet aber schon jetzt neue Ansatzpunkte für die Diagnose und Behandlung von Long-Covid. Beispielsweise könnten spezifische Biomarker im Blut oder Nervenwasser die Früherkennung erleichtern. Und eine gezielte Entzündungshemmung könnte möglicherweise das Fortschreiten der Gehirnschädigung stoppen.
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse bleiben noch viele Fragen offen. So muss geklärt werden, wie lange die Spike-Proteine im Gehirn überdauern und ob sie bei allen Covid-19 Varianten gleichermaßen auftreten. Auch der Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik bei Long-COVID-Patienten muss noch genauer untersucht werden. Da die Studie hauptsächlich auf Untersuchungen an verstorbenen Patienten und Mäusen beruht, müssen die Ergebnisse erst noch am lebenden Menschen bestätigt werden.
Die neuen Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Langzeitfolgen von Covid-19. Sie zeigen, dass die Beschwerden eine nachweisbare biologische Ursache haben und keine Einbildung sind. Gleichzeitig machen die Ergebnisse Hoffnung auf neue Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. Bis es soweit ist, können Betroffene durch eine gesunde Lebensweise, ausreichend Ruhe und geistige Entlastung dazu beitragen, die Regeneration des Gehirns zu unterstützen. Die wichtigste Botschaft lautet jedoch: Lassen Sie sich impfen und schützen Sie sich und andere so vor schweren Covid-19 Verläufen und Folgeschäden!