Ampel-Bruchstellen: Überlebt die Koalition diese Haushaltskrise?
FDP will prinzipiell an Schuldenbremse festhalten. Wo sie sparen will – und warum sie weniger Angst vor den Folgen haben muss als SPD und Grüne. Ein Kommentar.
Die Haushaltskrise stellt die Bundesregierung auf eine harte Probe. Über die Aussetzung der Schuldenbremse für das laufende Jahr haben sich die Ampel-Parteien zwar geeinigt.
Das Kabinett beschloss an diesem Montag einen Nachtragshaushalt für 2023. Mit der Feststellung einer außergewöhnlichen Notlage sollen Kredite über rund 45 Milliarden Euro rechtlich abgesichert werden, die für Energiepreisbremsen und die Unterstützung von Flutopfern bereits genutzt wurden.
Aber das Jahr neigt sich dem Ende zu; und eine Einigung darüber, wie es dann weitergehen soll, scheint noch in weiter Ferne zu liegen. Die Schuldenbremse zu reformieren oder sogar ganz abzuschaffen, um Zukunftsinvestitionen nicht zu behindern, lehnt die FDP entschieden ab, während SPD und Grüne das Instrument zumindest in seiner jetzigen Form in Frage stellen.
Anders als die FDP wurden SPD und Grüne für soziale und klimapolitische Versprechungen gewählt, für deren Bruch sie bei Wahlen abgestraft werden können. Diese Angst plagt die FDP nicht, da ihre Zielgruppe eine andere ist.
Der plumpe Charme der Bourgeoisie
Natürlich reichen die Stimmen der wirklichen Profiteure ihrer neoliberalen Politik nicht aus, um sicher über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Für die große Mehrheit bedeutet sie entweder Verarmung oder ständige Burnout-Gefahr.
Aber es gibt immer noch genug Menschen, die glauben, die Aura von Erfolg und Reichtum würde auf sie abfärben, wenn sie jemanden wie den FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner wählen. Eine Luxus-Hochzeit auf Sylt spricht dann nicht dagegen, sondern eher noch dafür.
Die FDP und ihre Netzwerke wissen, dass man nicht unbedingt regieren muss, um Macht zu haben. Wenn sie es tut, stellt sie sich deshalb auch mit Konzernchefs gut. Als kleinster Koalitionspartner tritt sie extrem selbstbewusst auf und ist sich ihrer Rolle als unverzichtbarer "Königsmacher" bewusst.
Die FDP dürfte auch am wenigsten Hemmungen haben, den Koalitionsbruch zu riskieren. Sparen will sie bevorzugt im Sozialbereich, der in ihren Reihen auch gerne mal als "Sozialklimbim" bezeichnet wird.
Die Grünen-Chefs Ricarda Lang und Omid Nouripour warnten dagegen vor einem "Kaputtsparen" des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Sparen beim Klimaschutz? – Das würde sich als allgemeiner Trend mittel- bis langfristig rächen, für die Grünen aber vielleicht schon bei der nächsten Bundestagswahl.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck muss als Spitzen-Grüner auch Prügel von seiner Parteibasis fürchten, wenn er dem Wunsch des Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger folgt und sich von den Klimazielen ganz offiziell verabschiedet, obwohl auch deren Einhaltung vom Bundesverfassungsgericht verlangt wurde.
Der Klima-Beschluss von 2021 gilt nach wie vor. Nur das Geld für entsprechende Maßnahmen muss laut dem folgenreichen Haushaltsurteil aus einem anderen Topf kommen als bisher geplant.
Habeck und seine Länderkollegen tun gut daran, alle im Rahmen des Klima- und Transformationsfonds geplanten Projekte auch umzusetzen. Noch scheint er zumindest dafür zu kämpfen. "Alle Projekte, die wir konzipiert haben, müssen möglich gemacht werden", sagte er laut einem Bericht des Handelsblatts vom Montag.
Unklar ist nur, wo das Geld herkommen soll, falls die FDP an der Schuldenbremse festhält. Denn jetzt fehlen 60 Milliarden für Klima- und Transformationsprojekte, weil die Umwidmung nicht verbrauchter Gelder aus dem Corona-Sonderfonds vom Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt wurde. Das wollte die Unionsfraktion mit ihrer Klage erreichen.
Söder für vorgezogene Neuwahl
Nicht gerechnet haben sie wohl mit einer Urteilsbegründung, laut der auch anderen "überjährige" Fonds nicht mehr verwendet werden dürfen, weil dies eine unzulässige Umgehung der Schuldenbremse wäre.
CSU-Chef Markus Söder hält angesichts der Haushaltskrise und der tiefen Gräben innerhalb der Ampel-Koalition eine vorgezogene Neuwahl am 9. Juni 2024 für angemessen. Sie könnte dann parallel zur Europawahl stattfinden.
Die Ampel-Regierung solle die Vertrauensfrage stellen, "nicht im Parlament, sondern vor dem deutschen Volk", forderte der bayerische Ministerpräsident am Montag vor Medienschaffenden in Berlin. Er glaube nicht daran, dass die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch in der Lage sei, die Probleme des Landes zu lösen.
Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach könnten die Unionsparteien aktuell mit 34 Prozent der Stimmen rechnen. Und das, obwohl CDU-Chef Friedrich Merz vor wenigen Tagen zugeben musste, dass deren Abgeordnete sich nicht über das Ausmaß der Folgen im Klaren gewesen waren, als sie vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Nachtragshaushalt von 2021 geklagt hatten.
Die eine oder andere Ampel-Partner würden die Unionsparteien aber wohl als Juniorpartner akzeptieren.