Anders Wirtschaften ohne Wachstum
Seite 2: Suffiziente, ökosozialistische und commonsbasierte Postwachstumsökonomien
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Vetter benennt drei Hauptströmungen der Postwachstumsökonomie, die unterschiedliche Transformationswege skizzieren. Die Suffizienzpolitik möchte anstelle eines "Immer mehr" ein "Genug" in den politischen Nachhaltigkeitsstrategien auf allen Ebenen, von der EU bis hinein in die Kommunen, verankern. Dieser Gedanke findet sich langsam auch in entsprechenden Fach-Konferenzen.
Ökosozialistische Strategien (wie sie bspw. Klaus Dörre vertritt) zielen auf die Vergesellschaftung von Land und Produktionsmitteln. Sie beziehen sich teilweise auf den Demokratischen Konföderalismus, wie er in Rojava (Nord-Ost-Syrien) aufgebaut wird.
Vertreter:innen der Commons-Bewegung stellen die gemeinsame Bewirtschaftung von materiellen und immateriellen Ressourcen – bspw. Landwirtschaftsflächen, Gebäude oder Software – in den Mittelpunkt. Anstelle ausbeuterischer Öffentlich-Privater-Partnerschaften (auch PPP) könnten Kommunen Partnerschaften mit Commons eingehen (CPP), beispielsweise indem genossenschaftliche Solaranlagen auf den Dächern öffentlicher Gebäude installiert werden.
Was tun?
Es gibt viele Wege zu einer Postwachstumsgesellschaft. Andrea Vetter bezieht sich auf den US-amerikanischen Soziologen Erik Olin Wright (1947-2019) und skizziert vier Transformationswege. Sie betont, dass es nicht darum gehe, diese konkurrent gegeneinander auszuspielen, sondern dass sie ineinander greifen und dass jede und jeder herausfinden kann, welcher Weg den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen am besten entspricht.
Freiräume schaffen und erhalten
Wichtig sei das Tun, also nicht nur über Veränderungen zu schreiben, sondern diese auch zu leben. Dafür werden schon heute überall auf der Welt kleine Orte und Projekte aufgebaut, die als Freiräume anderen als den herrschenden Wachstumslogiken folgen.
Institutionen verändern
Auch wenn bürokratische Institutionen schwer zu verändern sind, sei es doch gerade deshalb wichtig, in die Abläufe in öffentlichen Verwaltungen, Bibliotheken, Universitäten etc. einzugreifen. Beispielsweise indem Engagierte sich beruflich in solche Institutionen einbringen, oder indem juristische Mittel zur Veränderung eingesetzt werden.
Widerstand leisten
Widerstand kann viele Formen annehmen. Die Widerständigen setzen ihre Körper ein um zu demonstrieren, zu blockieren und öffentliche Wirksamkeit zu erzielen, so wie es beispielsweise aktuell in Grünheide bei den Protesten gegen Tesla geschieht.
Geschichten erzählen
Vetter plädiert dafür, eine Gegenhegemonie gegen das Wachstumsparadigma aufzubauen, indem als normal Angesehenes in Frage gestellt wird. Sei es nicht empörend, dass noch immer erwartet wird, 40 Stunden die Woche zu arbeiten? Neben den konkreten Freiräumen kann auch Literatur andere Geschichten erzählen. Aktuell empfiehlt sie den utopischen Roman "Immer nach Hause" von Ursula K. LeGuin, der gerade auf deutsch erschienen ist.
Obwohl die Zeit drängt …
Angesichts der sich beschleunigenden Katastrophen drängt sich die Frage auf, ob all diese strategischen Überlegungen und die daraus folgenden Handlungsweisen nicht viel zu lange dauern. Müsste nicht eine Transformation weltweit möglichst schnell und durchgreifend umgesetzt werden?
Andrea Vetter zitiert den nigerianischen Philosophen Bayo Akomolafe, der auf ein Sprichwort seines Heimatlandes verweist: "Wenn die Zeit drängt, dann lasst uns langsamer machen". Das scheint jeder Logik zu widersprechen. Aber das Sprichwort stellt sich gegen den kulturellen Wachstumsmodus des "Schneller-Höher-Weiter". Vielleicht hat ja diese Haltung das Potenzial, Teil einer Gegenhegemonie zu werden.
In der nächsten Veranstaltung dieser Reihe des Buchladen Schwarze Risse sollen die Überlegungen, wie der Übergang zu einer sozial und ökologisch tragfähigen Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren kann, am Beispiel eines Industriezweigs konkretisiert werden. Es diskutieren Martin Bott, Betriebsrat bei Mercedes Benz Stuttgart und Stephan Krull, Ex-Betriebsrat bei VW Wolfsburg und Transformationsbefürworter der ersten Stunde innerhalb der IG Metall über die Frage, welchen Beitrag die Automobilindustrie zur Transformation in Richtung einer radikalen Mobilitätswende beitragen kann.
Die Veranstaltung in Kooperation mit dem Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall findet am Freitag, 12.04.2024 um 18.00 Uhr im IG Metall Haus, Alte Jakobstraße 149, 10969 Berlin statt: "Spurwechsel – Die Mobilitätswende".