Angeblicher Schlag gegen Militante Gruppe
Rechtsanwälte zweifeln die Tragfähigkeit der Anklage an
Seit dem 31.Juli sitzen vier Berliner in Untersuchungshaft, die beschuldigt werden, der Militanten Gruppe (mg) anzugehören. Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen sind die drei Beschuldigten Florian L., Oliver R. und Axel H. dringend verdächtig, in den frühen Morgenstunden des 31. Juli 2007 in Brandenburg/Havel versucht zu haben, drei Lastkraftwagen der Bundeswehr in Brand zu setzen“, heißt es in der Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft. Der vierte Festgenommene, Andrej H, wird die mg-Mitgliedschaft zu Last gelegt, weil er angeblich intensiven Kontakt zu Florian L unterhalten haben soll. Gegen drei weitere Personen, die auf freien Fuß sind, wird ebenfalls wegen mg-Mitgliedschaft ermittelt.
Die Militante Gruppe war in Kreisen der autonomen und undogmatischen Linken durch die von ihr mitinitiierte Militanzdebatte bekannt geworden. Weil sie sich sowohl mit längeren Texten zu theoretischen Fragen als auch mit kurzen Beiträgen zu tagesaktuellen Themen äußerte, wurde sie gelegentlich mit ironischen Unterschied auch als Kommunikationsguerilla bezeichnet. Allerdings wird der Gruppe nicht nur das Abfassen von militanten Texten angelastet. Die Staatsschutzbehörden werfen ihr zahlreiche Brandanschläge vor.
Erstmals in Erscheinung getreten sein soll sie im Juni 2001 mit einer symbolischen Aktion. Der damalige Regierungsbeauftragte für die Entschädigung der Zwangsarbeiter Graf Lambsdorff und die Repräsentanten der Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft erhielten Briefe, in denen sich scharfe Munition befand. Im Begleitschreiben wurde auf die damalige Debatte um die Entschädigung Bezug genommen. Auch bei den späteren Anschlägen wurde in den Erklärungen immer auf aktuelle politische Debatten verwiesen. Es gab bis zum 31.Juli 2007 keine Festnahmen gegen vermeintliche Gruppenmitglieder. Allerdings berichteten verschiedene Medien unter Bezug auf Informationen des Bundeskriminalamtes schon im November 2003 von einen Fahndungserfolg gegen MG-Mitglieder, was von den Beschuldigten sofort dementiert wurde und sich als offensichtlicher Flop der Ermittlungsbehörden herausstellte.
Es bleibt abzuwarten, ob der jetzt postulierte angebliche „Schlag gegen die MG“ mehr als ein Medienspektakel ist. Schließlich verweisen Juristen und Rechtshilfeorganisationen immer wieder darauf, dass der § 129a, der die Bildung einer terroristischen Vereinigung zum Gegenstand hat, vor allem ein Ermittlungsparagraph ist. Nur in wenigen Fällen kommt es zu Anklagen und die Zahl der Verurteilungen ist noch seltener.
Wissenschaftler im Visier
Im aktuellen Fall beschuldigt die Bundesanwaltschaft Wissenschaftler, die sich seit Jahren mit Stadtumstrukturierung und ihren Folgen für die Bevölkerung befasst haben, das theoretische Rüstzeug für die Militante Gruppe geliefert zu haben. Allerdings wird dieses Konstrukt nicht nur von den Kollegen der Wissenschafter angezweifelt. Die Anwälte der Beschuldigten schreiben in einer Pressemitteilung:
Die Erhebung des Terrorismusvorwurfes gegen die sieben Beschuldigten in diesem neuen § 129a-Verfahren ist höchst spekulativ. Die Haftentscheidungen gegen vier der Beschuldigten sind skandalös. Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft und des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof belegen einmal mehr, wie deutsche Strafverfolgungsbehörden mit den Terrorismus-Sondergesetzen in unverhältnismäßiger und rechtlich haltloser Weise gegen missliebige Tatverdächtige vorgehen.
Als Begründung für das harsche Verdikt verweisen die Juristen auf die dünne Beweislage. So führe die Bundesanwaltschaft als Verdachtsmoment gegen einen in Leipzig arbeitenden Stadtsoziologen an, dass er in einem 1998 veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel Formulierungen gebraucht habe, die auch in Texten der mg verwendet worden sein sollen. Einer der beschuldigten Wissenschaftler sei schon wegen seines Zugangs zur Bibliothek verdächtig. Er habe Gelegenheit gehabt, die für die Texte der Militanten Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen. Auch das angebliche konspirative Treffen zwischen Andrej H. und Florian L. wird von den Anwälten hinterfragt. So hätten die Ermittlungsbehörden nicht deutlich gemacht, was auf dem Treffen besprochen worden sein soll.
Die Juristen verweisen darauf, dass erst durch die gewagte Verbindung vom versuchten Brandanschlag in Brandenburg zu den Theoretikern das Konstrukt einer terroristischen Vereinigung geschaffen wurde, das es überhaupt rechtfertigt, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen leitet. Würde gegen versuchte Brandstiftung ermittelt, wäre die Staatsanwaltschaft Potsdam zuständig, so der Berliner Rechtsanwalt Sven Lindemann. Da die Beschuldigten nicht vorbestraft sind und einen festen Wohnsitz, sowie ein festes soziales Umfeld haben, würden sie dann sogar bis zum Prozessbeginn auf freien Fuß blieben.