Angeschossener Republikaner lässt Verantwortungszuweisungskarussell drehen
Medien wie CNN, die bei früheren Anschlägen mit "geistiger Brandstiftung" argumentierten, sehen sich jetzt unfair behandelt
Der republikanische Kongressabgeordneten Steve Scalise, der während eines Baseball-Trainings an der Hüfte angeschossen wurde, schwebt nach einer Operation immer noch in Lebensgefahr - allerdings befindet sich der 51-Jährige den Ärzten zufolge inzwischen auf dem Wege der Besserung. Die inneren Verletzungen und die Knochenbrüche, die er bei dem Anschlag davontrug, werden später noch weitere operative Eingriffe erfordern, wenn er überlebt.
Der Abgeordnete aus Louisiana soll als "Majority Whip" dafür sorgen, dass die Republikaner möglichst so abstimmen, wie es der Präsident und die Parteiführung möchten. Beim Obamacare-Ersatzgesetz war ihm das erst beim zweiten Versuch gelungen (vgl. Repräsentantenhaus verabschiedet Obamacare-Ersatz im zweiten Anlauf). Präsident Trump besuchte gestern zusammen mit seiner Frau Melania das Washingtoner Med-Star-Krankenhaus, in dem Scalise liegt, und twitterte, er "bete für Steve".
Facebook-Seite des Täter gibt Hinweise auf wahrscheinliches Motiv
Der Angriff auf ihn und gut zwei Dutzend andere Politiker, die auf einem Baseballplatz in Alexandria im US-Bundesstaat Virginia für ein Spiel zwischen den beiden großen US-Parteien übten, begann am Mittwoch um 7 Uhr neun Ortszeit, als ein Mann fragte, ob dort Republikaner oder Demokraten trainierten. Anschließend gab der mit einem Gewehr und einer Pistole bewaffnete Täter zwischen 15 und 50 Schüsse ab und verletzte dabei neben Scalile noch den Abgeordneten Roger Williams, einen Mitarbeiter eines Abgeordneten, einen Lobbyisten und zwei Beamte der Capitol-Hill-Polizei, die den Angreifer schließlich mit einem finalen Rettungsschuss außer Gefecht setzte. Dem republikanischen Senator Rand Paul zufolge hätte sonst wohl keiner der Anwesenden das Massaker überlebt.
Informationen von US-Medien nach handelt es sich bei dem Täter um den entweder 63 oder 66 Jahre alten James T. Hodgkinson aus Belleville im US-Bundesstaat Illinois. Der Gewerkschaftler wird von Freunden und Nachbarn als "Progressive" beschrieben. Auf seinem Facebook-Profil nannte er Präsident Trump einen "Verräter", der die "Demokratie zerstört" habe. Nun sei es Zeit, ihn "& Co." zu zerstören. Außerdem gibt er sich dort als Anhänger des demokratischen Senators Bernie Sanders, der sich umgehend von dem Knebelbartträger distanzierte und sich entschieden gegen Gewalt aussprach, die von manchen Trump-Gegnern aus der SJW-Szene offen propagiert wird.
Huffington Post und CNN werden an selbst gesetzten Maßstäben gemessen
Auch in US-Medien wie der Huffington Post konnten fanatische Trump-Gegner wie Jason Fuller die Meinung äußern, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten und dessen Entfernung aus dem Amt seien "nur die ersten Schritte", denen eine "Anklagen wegen Landesverrats" und im Falle eines Schuldspruchs eine Hinrichtung folgen müssten. Das gelte auch für seine Helfer im Weißen Haus und bei den Republikanern. Alles andere würde die "falsche Botschaft aussenden, dass Amerika seinen moralischen Kompass verloren habe".
Noch mehr Aufmerksamkeit als Fuller erregte die (inzwischen entlassene) CNN-Jahresrückblickmoderatorin Kathy Griffin, als sie mit einem blutigen abgeschnittenen Trump-Kopf-Imitat posierte. Solche Bilder und Forderungen werden Trump-feindlichen US-Medien jetzt vorgehalten - was der CNN-Präsident Jeff Zucker unfair findet, obwohl sein Sender in der Vergangenheit bei Ereignissen wie dem Anschlag auf die demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords selbst ähnliche Maßstäbe an Äußerungen von Sarah Palin oder in Tea-Party-Medien anlegte. Diese übertriebenen Maßstäbe fallen nun auf ihre Urheber zurück. "Chickens come home to roost", wie man in Amerika sagt - ein Sprichwort, das sich sinngemäß mit "Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein" übersetzen lässt.
Ob Hodgkinson wirklich Fullers Exekutionsforderung oder Griffins Foto im IS-Stil brauchte, um zu seinen Attentatsplänen zu kommen, ist jedoch zweifelhaft. Und selbst wenn er sich durch diese oder ähnliche Äußerungen zu seiner Tat inspiriert gefühlt hat, könnte dies ebenso wenig eine Einschränkung der Meinungsfreiheit rechtfertigen wie ein Amoklauf an einer Schule ein Verbot von Computerspielen. Wer eine "gewalttätige Sprache" aus dem Weg schaffen will, der müsste schließlich auch Formulierungen wie die vom "geistigen Brandstifter" aufs Korn nehmen, mit der entsprechende Forderungen in Deutschland regelmäßig ohne Sinn fürs Paradoxe begründet werden (vgl. Seehofer wegen Patronen-Metapher angezeigt).