Seehofer wegen Patronen-Metapher angezeigt
Ein SPD-Politiker will "klären lassen", ob es ein Verstoß gegen den Paragrafen 130 des Strafgesetzbuchs vorliegt
Dass die Union keineswegs ein Monopol auf Zensurexzesse hat, zeigt eine am Donnerstag bei der Staatsanwaltschaft Passau gestellte Strafanzeige des ehemaligen SPD-Verkehrsstaatssekretärs Ulrich Kasparick gegen Horst Seehofers offensichtliche (und möglicherweise scherzhaft als Gaddafi-Sohn-Zitat eingesetzte) Metapher, er werde sich in der Berliner Koalition "bis zur letzten Patrone" gegen eine stärkere Zuwanderung in die deutschen Sozialsystem sträuben.
Der gelernte Theologe Kasparick meint, dass Worte "die Tat enthalten" würden, sei ein "alt bekannter [sic] Zusammenhang" und er wolle "klären lassen" ob Seehofers Äußerung, den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Die Metapher erinnert Kasparick an die Propaganda im Zweiten Weltkrieg und stört seiner Ansicht nach "den öffentlichen Frieden in erheblicher Weise". Der bayerische Ministerpräsident habe damit eine "rote Linie überschritten, die ein Demokrat niemals überschreiten darf".
In seinem Blog beklagt sich der lange nach 1945 geborene und in der DDR sozialisierte SPD-Politiker darüber, dass ihm Bürger in hunderten von Emails eine unangemessene Einschränkung der Redefreiheit vorwerfen und wettert aus diesem Anlass auch gleich gegen die "weitgehend anonyme Kommunikation im Internet", die im offenbar ein ähnlicher Dorn im Auge ist wie Seehofers Rede.
Ob Kasparick mit seiner Strafanzeige Erfolg hat, ist ausgesprochen fraglich. In der Vergangenheit betonten Staatsanwaltschaften, dass Meinungsäußerungen von Politikern gegenüber der Presse und auf Kundgebungen "mit plakativen und auch überspitzten Aussagen verdeutlicht werden [dürfen], da nur auf diese Weise hinreichende Aufmerksamkeit erlangt werden" könne. Und wenn Gewaltmetaphern tatsächlich strafbar sein sollen, wie Kasparick sich das vorstellt, dann könnte es letztlich auch für die Zensoren und ihre häufig gebrauchte Formulierung von "geistigen Brandstiftern" – wenn man es so "gewalttätig" formulieren will – "brenzlig werden".