Repräsentantenhaus verabschiedet Obamacare-Ersatz im zweiten Anlauf
Ob und wie die Gesetzesvorlage auch durch den Senat geht, ist offen
Im zweiten Anlauf bekam das unter Federführung von Paul Ryan entstandene Gesetz, das Barack Obamas Krankenversicherungsreform ersetzen soll, eine knappe Mehrheit von 217 zu 213 Stimmen im Repräsentantenhaus, in dem die Republikaner eigentlich 45 Abgeordnete mehr als die Demokraten haben. Vor dem ersten Anlauf hatten noch deutlich mehr Republikaner angekündigt, gegen das Gesetz zu stimmen (vgl. Trump warnt Republikaner: Entweder Ryancare - oder Obamacare bis 2018). Nun ließen sich Raúl Labrador aus Idaho, Ron DeSantis aus Florida und 18 weitere Abgeordnete überreden, einen geänderten Entwurf zu akzeptieren, der nur fünf neue Abweichler produzierte.
Ob alle Abgeordneten wussten, worüber genau sie abstimmen, ist zweifelhaft: Die letzten Änderungen wurden noch in der Nacht vor der Abstimmung vorgenommen und eine saubere Berechnung der Auswirkungen durch Congressional Budget Office (CBO) fehlt. Paul Ryan, der 2009 wegen einer fehlenden CBO-Berechnung zum damaligen Obamacare-Entwurf noch meinte, man dürfe nicht über ein Gesetz abstimmen, dessen Kosten man nicht kenne, versuchte das mit einer Liste zu kompensieren, auf der neben den von ihm versprochenen Auswirkungen jeweils das Wort "verifiziert" steht. Durch wen das geschehen sein soll, blieb offen. Reason zufolge war das deshalb der Fall, weil es gar keine Verifizierung gab.
Personen mit Vorerkrankungen
Außerdem leidet das Gesetz, das ein Sechstel der US-Wirtschaft umstrukturieren soll, unter den Entstehungsmängeln, die der damalige republikanische Sprecher John Boehner 2010 dem damals neuen Obamacare-Gesetzentwurf vorgeworfen hatte: Es kam nicht transparent zustande, sondern ist voll von Hinterzimmerdeals. Einer dieser Hinterzimmerdeals wurde mit dem Abgeordneten Fred Upton geschlossen, der offiziell seine Zustimmung gab, nachdem man ihm versprach, den staatlichen Fördertopf für Personen mit Vorerkrankungen von fünf auch acht Milliarden Dollar zu vergrößern. Aber auch diese acht Milliarden Dollar reichen Experten wie Robert Graboyes vom Mercatus Center bei weitem nicht aus, um die damit im Zusammenhang stehenden Kosten auch nur annähernd zu kompensieren.
Personen mit Vorerkrankungen dürfen dem neuen Gesetzentwurf nach zwar weiterhin grundsätzlich nicht von Versicherungen abgelehnt werden - aber einzelne Bundesstaaten haben jetzt das Recht, unter bestimmten Umständen eine Befreiung von dieser Pflicht zu beantragen. Gleiches gilt für die Mindestleistungen, die Versicherungsverträge abdecken müssen. Bisher hat jedoch noch kein Gouverneur angedeutet, von diesen Befreiungsoptionen Gebrauch zu machen. Möglicherweise ging es dem wirtschaftsliberalen House Freedom Caucus, der diese Änderung durchsetzte, hier vor allem um das Prinzip.
24 Millionen neue Unversicherte und steigende Prämien?
In anderen Bereichen scheint der Entwurf weitgehend der aus dem ersten Anlauf geblieben zu sein: Auch er lässt Teile der Obamacare-Reform weiter gelten, ersetzt aber Subventionen für Versicherungsverträge durch Steuererleichterungen, deren Umfang mit dem Alter eines Versicherten zunehmen (vgl. Republikaner legen Entwurf für Obamacare-Ersatz vor).
Für diesen alten Entwurf hatte das CBO errechnet, dass er bis Ende der 2010er Jahre dazu führen würde, dass 14 Millionen Amerikaner weniger krankenversichert sind. Im darauf folgenden Jahrzehnt sollte diese Zahl sogar auf 24 Millionen ansteigen. Die Versicherungsbeiträge würden dieser Berechnung nach erst um 15 bis 20 Prozent steigen und später durch mehr Wettbewerb wieder um zehn Prozent fallen.
Nur 17 Prozent Zustimmung im Volk
Diese Zahlen sorgten dafür, dass der Entwurf im Volk nur auf geringe Zustimmung stieß: In einer Aufrage aus dem März befürworteten ihn lediglich 17 Prozent. Die Demokraten hoffen deshalb, dass auch der geänderte Entwurf die Wahlchancen für diejenigen republikanischen Abgeordneten senkt, die ihm jetzt zustimmten, und haben bereits angekündigt, diese Zustimmungen im nächsten Halbzeitwahlkampf groß herauszustellen.
Allerdings ist noch gar nicht klar, ob und in welcher Form das Obamacare-Ersatzgesetz überhaupt in Kraft tritt: Erst muss nämlich die zweite Kongresskammer zustimmen - der Senat, in dem die Republikaner nur eine knappe Mehrheit von zwei Stimmen, aber deutlich eigenwilligere Mandatsträger wie Rand Paul und Ted Cruz haben. Paul hat bereits angedeutet, dass er gegen das seiner Ansicht nach immer noch schlechte Gesetz stimmen wird - andere republikanische Senatoren haben in Aussicht gestellt, es grundlegend zu ändern. Kommt es zu solchen Änderungen, müsste diesen das Repräsentantenhaus noch einmal zustimmen, in dem bereits die jetzige Mehrheit nur mühsam zustande kam.
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