Angola wagt die Hoffnung

Seit drei Jahren ist der Frieden einigermaßen stabil - die Opposition fordert baldige Wahlen

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Isaías Samakuva ist ein ernster Mann. Er sitzt in seinem Arbeitszimmer hinter dem schweren Schreibtisch und grübelt, mit der rechten Hand berührt er seinen kurz geschnittenen Vollbart. Über ihm ein gewaltiges Porträtfoto seines Amtsvorgängers Dr. Jonas Savimbi; Samakuva gewinnt aus seinem Bezug auf Savimbi politische Autorität in der eigenen Partei, zugleich ist diese Bezugnahme aber auch eine schwerwiegende Bürde. Seit drei Jahren herrscht Frieden in Angola, endlich. Drei Jahrzehnte lang hat der brutale Bruderkrieg das Land zerrissen. Auf den gemeinsamen Kampf gegen die portugiesischen Kolonialherren folgte nach dem Rückzug der Weißen Herren im Jahr 1975 der Import des Ost-West-Konfliktes.

Samakuva ist als Offizier der UNITA-Rebellen von diesem Konflikt geprägt worden; dennoch bescheinigt er sich selbst die Fähigkeit, sich aus der Kriegslogik lösen zu können. Samakuva war beim Parteikongress der ehemals CIA-finanzierten Union für die totale Unabhängigkeit Angolas (UNITA) im Sommer des vergangenen Jahres der Überraschungssieger bei der Kampfabstimmung um den Parteivorsitz. Und nun haben ihn die wichtigsten der angolanischen Oppositionsparteien als gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten akzeptiert.

Gestritten wird in Angola, dem Land an der Westküste des südlichen Afrikas - gelegen zwischen Namibia, Sambia und der Demokratischen Republik Kongo - über den Termin der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die Opposition fordert die Durchführung im kommenden Jahr, Präsident José Eduardo dos Santos (MPLA) spricht von September 2006.

Doch wie groß sind die Chancen für einen politischen Neuanfang? Wie steht es um die nationale Einheit des Landes und wie gefestigt ist der Frieden? Kein angolanischer Politiker und kein internationaler Beobachter kann das bislang einschätzen. Zumindest als positive Überraschung werten deutsche Diplomaten, Entwicklungshelfer und die Vertreter der parteinahen Stiftungen Friedrich Ebert (FES, SPD-nah) und Konrad Adenauer (KAS, CDU-nah) den Ausgang des UNITA-Kongresses in 2003. Zwei Jahre nach dem Friedensschluss sollte dieser Kongress Ausdruck sein für die Wandlung der Rebellenarmee in eine politische Partei; alles andere als ein einfaches Unterfangen. Nach dem Tode des Parteigründers und Kriegsfürsten Savimbi hatte dessen rechte Hand General Gato das Ruder übernommen. Der alte Kämpfer ist bei seinen Leuten durchaus beliebt; trotzdem erhielt er von den rund 1.500 Delegierten, die sich in einer ehemaligen Kaserne der Roten Armee in Viana bei Luanda versammelt hatten, gerade einmal 200 Stimmen.

Geschlagen wurde er von dem charismatischen Samakuva, der die UNITA in den vergangenen Jahren als Botschafter in Paris vertreten hatte. Der neue Parteivorsitzende stellt sich dar als Anhänger einer Zivilgesellschaft nach dem Vorbild der EU mit sozialdemokratischer Ausrichtung. Damit haben die UNITA-Delegierten die alten Krieger aus der Führung abgewählt, denn sie sind den Krieg leid. Neben Samakuva wurden eine ganze Reihe von UNITA-Rückkehrern aus dem Ausland in die Vorstandsriege gewählt, Männer wie der weltgewandte Adalberto Costas Júnior: Der neue Kommunikationschef der Partei war zuvor Repräsentant in Lissabon und Rom. Unterdessen soll die Partei sogar einen Antrag auf Aufnahme in die Sozialistische Internationale gestellt haben. Die Feuerprobe, ob es den neuen Führern der UNITA gelingt den Frieden zu festigen und ihren Teil zur Versöhnung im zerrissenen Lande beitragen, steht freilich noch aus.

Der lange Bürgerkrieg hatte das Land zerstört

Das Misstrauen sitzt tief, auf beiden Seiten. Der Bürgerkrieg war brutal bis auf die Knochen, die UNITA agierte als Buschterroristentruppe. Wenn die vom CIA und aus dem Handel mit Blutdiamanten finanzierten Rebellen in ein Dorf einfielen, ließen sie in der Regel niemanden am Leben; egal ob Männer, Frauen, Kinder, Priester oder Nonnen. Wenn die UNITA kam, musste ums nackte Überleben gerannt werden. Nur weiße Farmer hatten eine Chance, gefangen genommen zu werden. Die UNITA-freundliche Hans-Seidel-Stiftung (HSS, CSU-nah) übernahm dann schon auch mal die Lösegeldverhandlungen. Während die Rebellen, lange Zeit von der Apartheids-Armee Südafrikas unterstützt, große Teile des Hinterlandes beherrschten und somit die Diamantenminen in der Hand hatten, verteidigte die moskautreue MPLA-Regierung die Küstenregion und die größten Städte des Landes wie die Hauptstadt Luanda. Die MPLA hatte die Hand auf der Ölförderung und genoss militärische Unterstützung aus Kuba.

Dabei war das Land aber weit davon entfernt, der eigenen Bevölkerung ähnliche soziale Errungenschaften zu bieten wie Kuba. Zum einen verhinderte der von den Interessen der USA und Sowjetunion geleitete Bürgerkrieg fast jede Entwicklung des Landes. Andererseits ist Angola seit Jahrzehnten der fünftgrößte Erdölexporteur Afrikas; Petro-Dollars sind also zur Genüge vorhanden. Diese flossen in den Waffenkauf und auf die Konten der Familie Dos Santos.

Die angolanische Spielart des Stalinismus war besonders brutal. Kritiker wurden schneller einen Kopf kürzer gemacht, als das ihnen der Mund verboten wurde. Einer der wenigen Fälle, der für internationale Aufmerksamkeit sorgte, war die Ermordung des angolanischen Journalisten Ricardo de Mello in der ersten Hälfte der neunziger Jahre. De Mello hatte einen Fax-Infobrief betrieben und war vor seiner Haustür niedergeschossen worden, nachdem er in einem Artikel berichtet hatte, dass Präsident Dos Santos seiner Frau eine staatliche Diamantenmine zum Geburtstag geschenkt hatte. Die Journalistengewerkschaft macht eine Sondereinheit der Polizei für die Tat verantwortlich, die bis heute nicht aufgeklärt ist.

Die aktuelle Entwicklung im Lande macht jedoch Hoffnung für die Zukunft. Im Jahr 1992 waren die Erwartungen auf einen Frieden wie in Mosambik gescheitert. Nach einem ersten Friedensschluss hatten sich MPLA und die UNITA unter Jonas Savimbi, zu Zeiten der portugiesischen Kolonialherrschaft ursprünglich als maoistische Organisation mit Unterstützung aus China gegründet, auf das Abhalten von Parlamentswahlen unter internationaler Beobachtung geeinigt. Die Rebellen verloren die Wahl, woraufhin Savimbi seine Rebellen wieder zu den Waffen greifen ließ und mit ihnen in den Busch zog. Den Kontakt zu seinen westlichen Freunden wie der Konrad Adenauer Stiftung brach er ab.

Das nahmen ihm viele seiner Gefolgsleute übel, die Parlamentsfraktion trennte sich von der UNITA-Guerilla, aber viele zogen trotzdem wieder murrend mit ihm in den Krieg. Ausgerechnet der CIA sorgte zehn Jahre später für das Ende, indem er der MPLA die Position Savimbis verriet, nachdem dieser sich per Satellitentelefon in den USA gemeldet hatte. Kaum war der Kriegsherr tot, da krochen seine Kämpfer aus dem Busch; sogar die Generäle waren halbverhungert. Heute sitzen drei UNITA-Minister als kooptierte Mitglieder in der Regierung, klagen aber über geringen Einfluss.

In Angola wirkt es, als halte das Land den Atem an und in Luanda träumt so mancher, dass die Stadt wieder so werden möge wie damals. Damals, als 1974 der Befreiungskampf in Afrika die Nelkenrevolution in Portugal auslöste, die Faschismus wie Kolonialismus besiegte und Luanda eine Perle Afrikas war, erfüllt von der Hoffnung, ein besseres Morgen sei zum Greifen nah.