Angriffe auf Bundestag: Keine Konsequenzen für Umstürzler und Störer
Seite 2: Vereitelter Angriff auf Bundestag: Keine Konsequenzen
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Trotz massiver Bedenken um die Sicherheit von Abgeordneten und Mitarbeitern des Bundestags sind allein aus der aktuellen Wahlperiode rund 120 Hausausweise widerrechtlich im Umlauf. Das bestätigte die Bundestagsverwaltung auf Anfrage von Telepolis. Zugleich teilte ein Sprecher des Bundestags mit, dass eine ehemalige Abgeordnete, die Ende 2020 Parlamentarier vor dem Plenarsaal bedrängt hatte, weiterhin Zugang zum Bundestag hat. "Das Hausverbot stellt kein Sanktionsinstrument gegen begangene Regelverstöße dar", so der Parlamentssprecher, der damit Forderungen aus mehreren Fraktionen entgegentrat.
Nach einer Großrazzia gegen sogenannte Reichsbürger im Dezember hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) strengere Sicherheitsmaßnahmen im Bundestag in Aussicht gestellt. Sie gehe davon aus", dass wir die Hausordnung und die Zutritts- und Verhaltensregeln noch einmal verschärfen werden", sagte Bas, nachdem eine militante Aktion gegen das Parlament polizeilich vereitelt worden war. Bas sprach daraufhin von Gesprächen mit den Sicherheitsbeauftragten der Fraktionen. Es seien verschiedene Maßnahmen diskutiert worden, über die Anfang dieses Jahres entschieden werde. Mehrerer Parlamentarier sprachen sich für ein Zutrittsverbot für eine an den Planungen beteiligte Ex-AfD-Abgeordnete aus.
Doch von Konsequenzen ist bislang wenig zu merken. Zwar sagte der Bundestagssprecher gegenüber Telepolis, alle Ausweise würden mit dem Datum des Ausscheidens elektronisch gesperrt, ein erneuter Zutritt zu einer Bundestagsliegenschaft sei daher "nicht möglich". Doch hatten mehrere ehemalige Mitarbeiter unserer Redaktion bestätigt, dass sie teilweise noch über Jahre hinweg mit alten Ausweisen durch die Sicherheitskontrolle gelangt sind.
Das Nachrichtenmagazin Spiegel hatte schon im Jahr 2010 über das "Sicherheitsrisiko Hausausweis" berichtet: 23.000 Menschen, so das Magazin – darunter Handwerker, Praktikanten, Journalisten und Lobbyisten – seien damals im Besitz eines nur "lax" kontrollierten Dokuments gewesen, mit dem sie zwar nicht in den Plenarsaal, doch aber in den Reichstag und vor die Büros der Abgeordneten gelangen konnten.
Eine Störaktion im Bundestag im November 2020, in deren Verlauf die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Barbe Flugblätter mit Kritik an der Pandemiepolitik verteilte und von AfD-Mitgliedern eingeschleuste Personen Politiker beleidigten und Büros besetzten, hatte Vorläufer: So waren schon 2007 und 2009 Aktivisten mutmaßlich durch die Mithilfe von Hausausweis-Besitzern in das Reichstagsgebäude gelangt, wo sie sich mittels eingeschmuggelter Kletterausrüstung sogar in den Plenarsaal abseilen konnten.
Und bereits 2010 sprachen sich einem Artikel der Berliner Morgenpost zufolge die Fraktionen, und mit ihnen Bundespräsident a.D. Wolfgang Thierse (SPD), für eine "rasch(e)" und "drastische" Reduktion der "allzu leicht erreichbaren Hausausweise" aus.
Ob diese allerdings erfolgt ist, ist nicht bekannt. Auch die Einschränkung der Anzahl der Hausausweise für Lobbyisten unter Thierses Nachfolger Norbert Lammert (CDU) im Jahr 2016 veränderte die Situation nicht grundlegend. Erst die Corona-Störaktion Ende 2020 brachte die Debatte wieder ins Rollen, alle Fraktionen des Bundestags übten daraufhin heftige Kritik an der AfD – so wie auch im vergangenen Dezember wieder.
Im Nachgang der Aktion kündigte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) erneut an, Bundestagspräsidium und Ältestenrat würden Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen. Medien berichteten von einem möglichen Entzug des Hausausweises der ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Barbe.
Auch Wolfgang Thierse äußerte sich 2020 erneut zum Thema, diesmal mit den Worten: "Es hat mich immer gewundert, wie viele Menschen Hausausweise haben". Von Telepolis angesprochen auf die Umsetzung der Reduktionspläne von 2010 und die jüngsten Vorfälle um die ehemalige AfD-Abgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann, antwortet Thierse, er könne als ehemaliger Parlamentspräsident nichts zur aktuellen Lage sagen. "Ehemaligenausweise", so Thierse weiter, "halte ich nicht für ein Risiko, denn es ist ja eine begrenzte Zahl und deren Namen sind bekannt."
Also viel Lärm um nichts? Im Fall der Corona-Maßnahmenkritikerin und ehemaligen SPD-Abgeordneten Barbe sei die Verhängung eines Hausverbots "für nicht erforderlich erachtet worden", heißt es nun aus dem Bundestag auf Nachfrage. Auch gegen ehemalige Abgeordnete der AfD seien im Nachgang zu den Ereignissen vom 18. November 2020 keine Hausverbote verhängt worden. Seit Beginn der aktuellen Wahlperiode müssen ehemalige Abgeordnete lediglich eine Sicherheitsschleuse an den Eingängen des Parlaments passieren.
Hat es aber die seit 2010 mehrfach angekündigte "drastische" Reduzierung der Hausausweise gegeben? Schwer zu sagen, heißt es aus dem Parlament. Damals hätten noch nicht die technischen Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, "um rückblickend eine qualifizierte Aussage treffen zu können".
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