Anhaltende Kritik an Familienministerin Spiegel

Ministerin Spiegel während des Pressestatements am Sonntag (Screenshot)

Rücktrittsforderungen wegen Urlaubs nach Flutkatastrophe 2021. Grüne muss Angaben zu Teilnahme an Kabinettssitzungen korrigieren

Ein Pressestatement von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Bündnis 90/ Die Grünen) sorgt zu Wochenbeginn in Medien und Politik für Debatten. Die 41-jährige Bundespolitikerin hat mit dem Auftritt am Sonntagabend versucht, ihren vielfach geforderten Rücktritt abzuwenden.

Zuvor war publik geworden, dass Spiegel unmittelbar nach der Flutkatastrophe im Sommer vergangenen Jahres, die in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zahlreiche Menschenleben forderte und viele wirtschaftliche Existenzen vernichtete, in einen vierwöchigen Familienurlaub gefahren war.

Das Boulevardblatt Bild hatte berichtete, in einer Krisensitzung am Sonntag mit den Grünen-Ministern Robert Habeck, Annalena Baerbock, und den Partei- sowie Fraktionsvorsitzenden sei Spiegel der Rücktritt nahegelegt worden.

Hochwasserkatastrophe 2021 in Rheinland-Pfalz (8 Bilder)

Dernau nach der Hochwasserkatastrophe. Bild: GerritR / CC-BY-SA-4.0

Die Politikerin aber habe darum gebeten, noch eine Chance zu bekommen. Die genannten Grünen-Spitzenpolitiker oder Parteigremien bestätigten den Bericht zunächst nicht.

Bei ihrem Auftritt am Abend bezeichnete die Ministerin ihren vierwöchigen Familienurlaub nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer als Fehler. Die Entscheidung in ihrer Zeit als rheinland-pfälzische Landesministerin für Klimaschutz und Umwelt begründete sie auch mit dem Gesundheitszustand ihres Mannes.

Dieser habe zwei Jahre zuvor einen Schlaganfall erlitten. Zudem hätten die vier Kinder des Paares im Kita- und Grundschulalter "ganz klar mit Spuren versehen". Die Familie habe einen Urlaub gebraucht, "weil mein Mann nicht mehr konnte".

Zahlreiche Medien bezeichneten den Auftritt der Bundesministerin als "denkwürdig". Grund dafür war unter anderem die Art des Vortrags, bei dem die Politikerin mehrfach stockt und nach Worten rang.

Außergewöhnlich war auch das Ende der Konferenz: Die 41-Jährige wandte sich an eine Person außerhalb der Kamera und sagte: "Jetzt überlege ich noch, ob ich irgendwas …". Nach einer kurzen Pause fügte sie vor laufenden Kameras hinzu: "Jetzt muss ich es noch irgendwie abbinden." Danach fügte sie stockend am: "Ich möchte mich für die Fehler ausdrücklich entschuldigen."

Ministerin äußert sich nicht weiter

Vor allem dieser letzte Passus sorgt am Tag nach dem Pressestatement für rege Debatten. Während Parteifreunde den Auftritt als empathisch und menschlich nachvollziehbar bezeichneten, warfen politisch Gegner der Politikerin ein berechnendes Verhalten vor und hinterfragten die Authentizität der zur Schau getragenen Emotionen.

So verteidigte der Parlamentarische Staatssekretär im Familienministerium, Sven Lehmann (Bündnis 90/ Die Grünen), die Ministerin. "Am Beispiel Anne Spiegel wird auch verhandelt, wie menschlich Politik sein darf", schrieb er auf Twitter:

Politiker*innen sind Menschen. Menschen können Fehler machen oder in harten Abwägungen Entscheidungen treffen, die sie später bereuen. Wer in der Politik keine Maschinen will, bekommt Menschen.

Sven Lehmann

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hatte bereits vor dem Auftritt der Familienministerin ihre Entlassung gefordert. Dieser Forderung schlossen sich weitere Politiker der Union an, ebenso der familienpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Reichardt.

Zu der anhaltenden Kritik trägt auch bei, dass Spiegel zur Teilnahme an Kabinettssitzungen während ihres Familienurlaubs die Unwahrheit gesagt hat. Noch am Samstag hatte sie gegenüber der Bild am Sonntag erklärt, an allen Kabinettssitzungen teilgenommen zu haben. Tags darauf musste sie einräumen, tatsächlich zu keinem der fraglichen Termine zugeschaltet gewesen zu sein.

Die Nachrichtenagentur dpa berichtete, Spiegel äußere sich zu den Rücktrittsforderungen aus der Opposition nicht und lehne auch die Beantwortung von Fragen ab: "Von ihrer Partei, den Grünen, gab es am Sonntagabend auf Nachfrage zunächst keine Stellungnahme. Am Montag kommt der Bundesvorstand der Partei im schleswig-holsteinischen Husum zu einer Klausurtagung zusammen."

In den beiden Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 mehr als 180 Menschen ihr Leben verloren, davon 134 im Ahrtal, das sich auf beide Länder erstreckt. Allein in Rheinland-Pfalz wurden gut 750 Menschen verletzt, dort wurden auch große Teile der Infrastruktur sowie tausende Häuser zerstört. Bis heute leben zahlreiche Menschen noch in Not- oder Ausweichquartieren.