"Arbeit ist kein Ponyhof"

Symbolbild: Priscilla Du Preez/Unsplash

Die Vorstandsvorsitzende der BA, Andrea Nahles, irritiert die Einstellung der jüngeren Generation zur Arbeit und deren Ansprüche. Damit liegt sie im Trend. Aber: Wer will schon mehr Überstunden machen?

Neulich wurde der Satz in einem Nachrichtensender stundenlang alle 15 Minuten gesendet, so dass er sich als Sentenz des Tages festsetzte: "Arbeit ist kein Ponyhof." Was heißt das?

Der Satz stammt von Andrea Nahles. Die ausgebildete Germanistin schätzt an der deutschen Sprache, dass sie "sehr präzise und schön" ist. Das sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit einem Interview, in dem auch die Abwandlung des Satzes fällt, wonach das Leben kein Ponyhof, sprich: nicht immer ein Vergnügen, ist.

Nahles münzt ihn auf die Arbeit um. Adressiert ist ihre Übertragung auf die junge Generation und deren Einstellung. Sie plädiert generell für ein größeres Engagement. "Wer sich mit seiner Arbeit identifiziert, ist flexibel und bereit, eins draufzulegen, wenn es mal eng wird", sagte sie der Augsburger Allgemeinen.

Dem folgen Nachfragen zur Einstellung der jüngeren Generation. "Einige junge Menschen scheinen den Einklang von Leben und Arbeit sehr ernst zu nehmen", so der Interviewer, "und bei Einstellungsgesprächen zu fordern, dass sie ihren Hund ins Büro mitnehmen dürfen und keine einzige Überstunde machen müssen".

Das bringt die BA-Vorsitzende zum Lachen. Sie sagt:

So etwas irritiert mich auch manchmal. Wir müssen Arbeit immer wieder neu aushandeln. Der Arbeitsmarkt verändert sich in Deutschland stärker als in anderen Ländern, weil wir ein massives demografisches Problem haben. Der deutsche Arbeitsmarkt wandelt sich von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmer-Arbeitsmarkt.

Fragen der Work-Life-Balance müssen neu ausgehandelt werden, wie meine Generation die Verteilung der Arbeit zwischen Frau und Mann in Familien neu ausgehandelt hat. Aushandeln heißt aber auch an die jüngere Generation gerichtet: Arbeit ist kein Ponyhof.

Andrea Nahles

Den Satz hört man im Arbeitsleben seit Jahren, meist von Vorgesetzten. Er ist ein geflügelter Ausspruch. Neu ist, dass er sich an eine Diskussion anschließt, die seit einiger Zeit ein verändertes Arbeitsethos postuliert. Nicht nur in Deutschland und nicht nur die jüngere Generation betreffend.

Frankreich: Der Albtraum der Arbeitgeber

Aus Frankreich meldete Jürg Altwegg im Herbst 2022, dass viele Franzosen trotz offener Jobangebote "nicht mehr arbeiten wollen". Eine ganze Gesellschaft schreibe sich krank, so der Autor der FAZ, mit der für die Zeitung nicht untypischen Spitze: "ein altes Arbeitsrecht schützt sie".

Das Schlagwort für den "Albtraum der Arbeitgeber" heißt: "la grande démission": die große Kündigung. Altwegg schreibt im Oktober von einem "ungebrochenen Trend", einem "Massenphänomen", das weder in Deutschland noch in Großbritannien zu beobachten sei. Drei Monate später berichtet die Wirtschaftszeitung Les Echo davon, dass das Phänomen noch immer präsent sei und den Arbeitgebern Sorgen bereite.

Das auf TikTok populär gewordene "Quiet Quitting" oder die stille Kündigung verbreitet sich seit einem Jahr auch in Frankreich. Viele Arbeitnehmer beschließen, nur noch die auf ihrer Stellenbeschreibung angegebenen Aufgaben zu erledigen und sich strikt an die in ihrem Arbeitsvertrag festgelegten Arbeitszeiten zu halten. Das bedeutet, dass sie keine Überstunden mehr machen und keine Aufgaben übernehmen, die über ihre Rolle im Unternehmen hinausgehen.

Les Echos

Junge, die keine Überstunden mehr machen wollen

In Deutschland las man im Oktober letzten Jahres eine Situationsbeschreibung, die dazu passt, bezogen auf die "Jungen, die nicht mehr arbeiten wollen"

Viele fragen sich: Warum Überstunden machen für einen Job, der uns nicht mehr geben kann, was unsere Eltern wollten? Zudem wissen wir inzwischen, dass zu viel Lohnarbeit krank macht – laut dem DAK-Gesundheitsreport haben 8,6 Millionen Menschen ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko durch eine psychische Erkrankung oder arbeitsbedingten Stress.

Nicole Opitz

Generationsanalysten plakatierten schon in Jahren zuvor: Generation Y und Z machen die wenigsten Überstunden. Ein dankbares Thema für Plakataussagen. Headhunter Klaus Hansen ärgerte sich schon im Sommer 2019 über die Arbeitsmoral junger Berufstätiger ("Völlig unflexibel, aber hohe Ansprüche"):

Die sind ja nicht mal mehr bereit, von Hamburg nach Frankfurt am Main zu ziehen. Geschweige denn nach Cottbus oder Aachen. Es ist modern zu sagen, man sei mobil. Aber mobil sein heißt für junge Arbeitnehmer: mobil im Münchener Süden. Ins Ausland zieht man höchstens, wenn es um London, Paris oder New York geht. Andere Regionen kommen kaum mehr in Frage. (…) Die Arbeitnehmer, die in den 1980er Jahren und später geboren sind, leben nicht, um zu arbeiten. Sie wollen das Leben genießen.

Klaus Hansen, SZ-Interview

Politisch suspekter Rückzug ins Private?

Corona und Quiet quitting haben die Krise anscheinend verschärft. So sah sich vor einer Woche ein Autor des SZ-Feuilletons veranlasst, einen Grundlagenartikel darüber zu verfassen, dass "Arbeit sehr wohl erfüllend" sein kann. Sie dürfe sogar Spaß machen.

Die These lautet, "quiet quitting" geht nur bei Mittelklassejobs, bei "Bullshit-Jobs", nicht "bei der Kassiererin im Supermarkt", bei Busfahrern, der Essenskurieren, die Straßenfegern oder Reinigungskräften". "Für die wirklichen Opfer des kapitalistischen Leistungsprinzips gibt es kein "Quiet Quitting", sondern nur echte Arbeitsverweigerung. Gefolgt von Disziplinarmaßnahmen."

Für die anderen, die der Artikel ins Visier nimmt, laufe die Haltung, die als Absage auf die neoliberale Ideologie gewertet wird, auf einen Rückzug ins Private hinaus - nicht gut für den Gemeinsinn.

Der soziale Vertrag

Die Unterschiede zwischen den Generationen seien "viel geringer als die Gemeinsamkeiten", heißt es dagegen in einem Artikel des Deutschlandfunks zur Frage, ob sich das Arbeitsethos gewandelt hat.

Ausgewählte Studien, die dort vorgestellt werden, bestätigen eher die These, dass der Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance im Laufe der Jahrzehnte größer geworden sei und "eben nicht nur bei der Generation Y, den Millennials".

Doch es gebe einen Unterschied in der Wahrnehmung, wie sich in der Generationenstudie der R+V-Versicherung und Prognos AG zeige:

Dann ist es schon so, dass – jeweils auf Platz drei in der Fremdsicht von Boomern auf die Generation Z und der Generation Z auf Boomer – die einander gegenseitig unterstellen, nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein. Da kann man schon sagen: Da gibt es einen wahrgenommenen Generationenkonflikt.

Hannah Schade, Sozialwissenschaftlerin, Leibniz-Institut für Arbeitsforschung, TU Dortmund

Wichtiger als der wahrgenommene Generationenunterschied sei "der soziale Vertrag zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern", so Hannah Schade.

Die Arbeitsmoral war sicherlich nicht nur höher, weil wir höhere Tugenden hatten wie Fleiß und Pflichtbewusstsein, sondern auch, weil der Arbeitgeber eine lebenslange Verantwortung für den Arbeitnehmer übernommen hat.

Die Perspektiven haben sich geändert. Wer spricht noch vom Ponyhof?