Arbeitsminister Maas und eine Homöopathie-Schirmherrin als Gesundheitsministerin?
Einige Personalien im neuen Kabinett Merkel stehen bereits fest, über andere wird spekuliert
Noch bevor SPD, CDU und CSU gestern ihre Koalitionsvereinbarung offiziell vorstellten, wurde bekannt, dass im neuen Kabinett Merkel Martin Schulz Außenminister, Olaf Scholz Finanzminister und Horst Seehofer Superminister für Inneres, Heimat und Bauen werden soll (vgl. Außenminister Schulz, Finanzminister Scholz und Superminister Seehofer).
Danach drang durch, dass Angela Merkels treuster Adlatus Peter Altmaier das Wirtschaftsministerium übernimmt, das der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel 2017 an die 2009 abgewählte Ex-Justizministerin Brigitte Zypries abgegeben hatte. Altmaiers Nachfolger als Kanzleramtsminister soll Medienberichten nach der bislang recht unauffällige Hesse Helge Braun werden, der derzeit Staatsminister bei der Bundeskanzlerin ist.
Ehemalige Weinkönigin Klöckner soll Landwirtschaftsministerin werden
Informationen der Bild-Zeitung nach, die bislang nicht bestätigt wurden, soll das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das die bayerische CSU zugunsten der CDU räumt, von Julia Klöckner besetzt werden. Die Vorsitzende der rheinland-pfälzischen CDU war früher unter anderem Fraktionsbeauftragte für Verbraucherschutz, Vorsitzende der CDU-Kommission "Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz" und Weinkönigin.
Im Ministerium für Bildung und Forschung soll dagegen ein Mann einer Frau nachfolgen: Hier wird der bisherige Gesundheitsminister Hermann Gröhe als Nachfolger der DDR-Mathematikerin Johanna Wanka gehandelt. Der 56-jährige gläubige Protestant gilt unter anderem deshalb als gesetzt, weil er aus Nordrhein-Westfalen kommt.
Annette Widmann-Mauz
Übernimmt Gröhe das Forschungsministerium, könnte Annette Widmann-Mauz neue Gesundheitsministerin werden. Die 51-jährige Katholikin aus Baden-Württemberg erinnerte bereits öffentlich an die Ankündigung Angela Merkels, die Hälfte der Ministerposten mit Frauen zu besetzen und meinte dazu: "Wenn sie eine solche Ankündigung macht, dann sicherlich in dem Bewusstsein, dass ihr das zumindest für den Koalitionspartner CDU gelingt."
Allerdings ist die Studienabbrecherin und Schirmherrin des Weltärztekongresses Homöopathie 2017 nicht unumstritten: Sie hält eine Kopfpauschale, die von der Bevölkerung abgelehnt wird, für gerechter als einkommensabhängige Krankenkassenbeiträge und machte in der Vergangenheit immer wieder als eifrige Verfechterin von Privatisierungen auf sich aufmerksam.
Unter anderem wollte sie die Zahnbehandlung komplett aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen herausnehmen und legte dazu die Zahl von 20 - 25 € monatlichen auf die Bürger zukommenden zusätzlichen Kosten vor, die ihren Angaben nach von "verschiedenen privaten Versicherungen" errechnet wurden. Dass Versicherungskonzerne potenziell wenig Interesse haben, sich ein fettes Geschäft durch die abschreckende Wirkung realistischer Beitragsätze verderben zu lassen, und dass es für Privatversicherte keinen Schutz gegen unbotmäßige Erhöhungen gibt (weshalb sich der Beitrag nach der Einführung sehr schnell auf eine ganz andere Höhe bringen lässt), kam in ihrem Thesenpapier nicht vor. Konkrete Maßnahmen zur Begrenzung von Beiträgen oder Beitragserhöhungen suchte man darin ebenso vergeblich (vgl. Deutschland sucht das Superrezept).
Außerdem machte die Bundestagsabgeordnete mit der Teilnahme an Reisen auf Steuerzahlerkosten Schlagzeilen, die einem Bericht des Spiegel nach vor allem mit Freizeitaktivitäten angefüllt waren und nur deshalb ein Ende fanden, weil sich US-Politiker über den deutschen Konsul in San Francisco darüber beschwerten, dass die deutsche Delegation Gesprächstermine absagte und lieber die Stadt besichtigte.
Erbt Högl das NetzDG?
Wird Widmann-Mauz tatsächlich Gesundheitsministerin, dann muss der vorher als Kandidat dafür gehandelte Jens Spahn auf diesen Posten verzichten - und Merkel hätte ihren gefährlichsten Rivalen nicht im Kabinett und weniger gut unter Beobachtung.
Zur Zukunft von Heiko Maas gibt es unterschiedliche Informationen: Dem Spiegel zufolge soll der 51-Jährige das Arbeits- und Sozialministerium übernehmen und das Justizministerium der Berlinerin Eva Högl überlassen, während die Welt berichtet, er werde sein Ressort behalten. Als Justizminister ist er vor allem wegen seines Social-Media-Zensurgesetzes NetzDG umstritten, das unter anderem dafür sorgte, dass Deutschland in der Twitter-Statistik für "zurückgezogene Accounts" die Türkei überholt hat.
Ebenfalls unklar ist, ob der bisherige CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller sein Amt behält oder an die 39-jährige Dorothee Bär abgibt. Die interessierte sich in der Vergangenheit allerdings weniger für Afrika als für Digitalpolitik, weshalb sie auch Alexander Dobrindts Ministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur übernehmen könnte, in dem sie in der letzten Legislaturperiode Staatssekretärin war. Das Ministerium wird frei, weil Dobrindt die Führung der CSU-Landesgruppe in Berlin übernommen hat. Ein anderer möglicher Verkehrs- und Digitalminister wäre CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
Endet Schulz wie Scharping?
Nicht mehr angehören wird dem neuen Kabinett seinen eigenen Angaben nach Innenminister Thomas de Maizière, was man in Sozialen Medien sarkastisch betrauert. In Anspielung auf nicht herausgegebene Informationen, die den Worten des Hugenotten nach die Bevölkerung verunsichert hatten, heißt es: "Jetzt werden wir nie erfahren, was uns verunsichern könnte."
Von den Personalentscheidungen, die bereits gestern bekannt wurden, wird die für Martin Schulz als Außenminister am kontroversesten diskutiert: Der Rheinländer spricht zwar passabel Französisch, hat sich aber in der Vergangenheit gegenüber den Staatsmännern anderer Länder recht undiplomatisch geäußert, was man sich in den USA, dem Vereinigten Königreich, Russland, mehreren osteuropäischen Ländern und Italien gemerkt haben dürfte. Vielleicht endet der SPD-Politiker, der in mancherlei Hinsicht an Rudolf Scharping erinnert (vgl. Schulz - Scharping II.?) auf diesem Posten ähnlich kläglich wie Scharping als Verteidigungsminister.
Stimmt die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag zu, will Schulz den Parteivorsitz an Andrea Nahles abgeben. Stimmt sie nicht zu, muss er das wohl ebenfalls. Die Führung der Partei hat er Nahles bereits jetzt kommissarisch übertragen.