Argentiniens Währungskrise und das gefährliche Spiel mit dem US-Dollar
Seite 2: Regelbasierte Ordnung ohne die entscheidende Regel
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In Deutschland redet man gern über regelbasierte internationale Ordnungen. Die Außenministerin ist geradezu als Botschafter für solche Ordnungen unterwegs. Man verweigert sich aber zugleich der einfachen Einsicht, dass in einer funktionierenden regelbasierten Handelsordnung kein Land über lange Zeiträume hinweg Leistungsbilanzüberschüsse haben darf, weil das zwingend mit sich bringt, dass andere über lange Zeiträume hinweg Defizite aufweisen, also dauernd über ihre Verhältnisse leben. Das kann Deutschland schon deswegen nicht wahrhaben wollen, weil es selbst in dieser Hinsicht weltweit der größte Sünder ist, denn es lebt seit zwei Jahrzehnten systematisch unter seinen Verhältnissen.
Wer dauernd über seinen Verhältnissen lebt, wird früher oder später ein Währungsproblem haben, weil Leistungsbilanzdefizite von überbewerteten Währungen verursacht werden, die nach Abwertung der Währung des Defizitlandes verlangen. Genau dafür aber gibt es in unserer genialen regelbasierten Handelsordnung keine Regel.
Außer in Europa überlässt man die Entscheidung, ob Währungen auf- oder abwerten sollen, gern den Devisenmärkten, denn dort spekulieren unsere Banken und Hedgefonds mit großen Summen, und denen wollen wir ja nicht das Geschäft verderben. Wenn Länder dann in Krisen geraten, weil die Spekulanten über Nacht die Kurve kratzen und die Währung eines Landes wie Brasilien oder Argentinien ohne jede Grenze und gegen jede Vernunft abschmiert, dann schicken wir schnell den IWF, der alles noch schlimmer macht, weil er in unserem Auftrag verpflichtet ist, die Macht der Märkte über alles zu stellen.
Lateinamerika muss sich intellektuell emanzipieren
Es ist aber keineswegs so, dass die auftretenden Fehlentwicklungen nur Folge einer ungeeigneten internationalen Ordnung sind. Die Länder selbst machen große, unverzeihliche Fehler. Man hat in ganz Lateinamerika bis heute nicht begriffen, dass Inflationierung immer in gewaltigen Krisen endet und deswegen gar nicht erst begonnen werden darf. Man hängt auch immer noch in fast allen Ländern dem naiven Glauben an, man bräuchte nur eine unabhängige Zentralbank und schon wäre es ein Leichtes, die Inflation zu kontrollieren.
Langandauernde Inflation aber ist das Resultat eines Versagens der politischen Führung, die es nicht schafft oder nicht einmal versucht, allen gesellschaftlichen Gruppen einen Konsens darüber abzuringen, dass die Verteilung dessen, was erwirtschaftet wird, fair zu sein hat und derjenige niemals gewinnen wird, der versucht, den anderen übers Ohr zu hauen. Glaubwürdig ist ein solcher Versuch vermutlich nur dann, wenn er von der Bereitschaft einer Regierung begleitet wird, den enormen, schon bestehenden Ungleichheiten mit Mitteln der Steuerpolitik zu Leibe zu rücken.
Ein solcher gesellschaftlicher Konsens muss Bestand haben, lange bevor es überhaupt um das Erwirtschaften geht. Nur so kann man verhindern, dass es immer wieder zu massiven Verteilungskonflikten und folgenden inflationären Phasen kommt, die dann nur noch mit Gewalt von der Notenbank gestoppt werden könnten.
Häufig unterbleibt aber genau das, weil man die negativen wirtschaftlichen Folgen in Form von Arbeitslosigkeit und noch größerer Armut politisch nicht verkraften kann. Liegen die Inflationsraten in der Größenordnung von einhundert Prozent und das Land wirtschaftlich am Boden, wie es derzeit in Argentinien der Fall ist, kann überhaupt niemand mehr verantworten, diese Inflation mit geldpolitischen Maßnahmen zu stoppen.
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Argentinien kann nur erfolgreich sein, wenn es sich von den neoliberalen westlichen Ideen über Arbeitsmärkte, Geldpolitik, staatliche Schulden und Finanzmärkte emanzipiert. Lateinamerika muss insgesamt von Asien lernen, dass nur ein aktiver und aufgeklärter Staat eine Marktwirtschaft erfolgreich steuern kann.
Wer glaubt, man könne mit libertären Vorstellungen eine moderne Wirtschaft in eine Weltwirtschaft entlassen, die nichts, aber auch gar nichts mit einer fairen regelbasierten Ordnung gemein hat, wird noch viel kläglicher scheitern als seine Vorgänger. Wir können nur hoffen, dass Argentinien dieses Schicksal erspart bleibt.
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