Argentiniens Währungskrise und das gefährliche Spiel mit dem US-Dollar

Javier Milei in einem Interview mit TN über die Abschaffung der Zentralbank.

(Bild: Todo Noticias, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons)

Javier Mileis radikale Vision und die Geister der Vergangenheit. Wie Argentinien erneut mit dem US-Dollar zu experimentieren droht und welche Folgen das haben könnte.

Ende Dezember 2021 habe ich zusammen mit einem Kollegen aus Anlass des 20. Jahrestags des größten finanzpolitischen Debakels der jüngeren Geschichte einen Artikel über Argentinien geschrieben, in dem wir resigniert feststellten, es sei kein Licht am Horizont dieses Landes erkennbar.

Wir erinnerten daran, dass es der Versuch Argentiniens in den 1990er-Jahren war, den argentinischen Peso bei einem Wert von 1:1 gegenüber dem US-Dollar zu fixieren, der am Anfang des Debakels stand. "Fixing forever" hieß das Experiment am lebenden Patienten, das unter Aufsicht und positiver Begutachtung durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Argentinien durchgeführt wurde und katastrophal gescheitert ist.

Als wir 2021 den Artikel schrieben, lag der Wert des argentinischen Pesos bei etwa 100 zu 1 gegenüber dem US-Dollar, man benötigte also einhundert Pesos, um einen Dollar zu kaufen. Das war aus fixing forever geworden. In diesen Tagen braucht man fast 400 Pesos, um einen Dollar zu kaufen.

Der Wahnsinn hat eine neue Dimension erreicht. Die Inflationsrate liegt inzwischen bei über einhundert Prozent und die Armut ist ein Massenphänomen geworden. Viele sozialdemokratische (sozialistische) Regierungen, einen hyperkonservativen Wahnsinn von 2015 bis 2019 unter Mauricio Macri und die Assistenz des IWF hat es gebraucht, um ein Land, das eigentlich enorme Entwicklungspotentiale besitzt, zugrunde zu wirtschaften (dazu hier ein Artikel aus dem Jahre 2019).

Im Herbst wählt Argentinien erneut. Gerade gab es Vorwahlen, nach denen man die Stärke der Kandidaten abschätzen kann und, siehe da, knapp gewonnen hat diese Vorwahlen kein Hyperkonservativer wie Macri, sondern einer, der noch viel weiter rechts steht, ein ausgemacht verrückter Libertärer namens Javier Milei.

Der hat viele tolle Ideen und die beste ist, wie könnte es in Lateinamerika anders sein, er will endlich die verdammte nationale Währung abschaffen und sie vollständig durch den US-Dollar ersetzen. Fixing forever war gestern, vollständige Dollarisierung ist das neue Zauberwort, dann gibt es endlich keine Währung und keine nationale Geldpolitik mehr, die die Menschen zur Verzweiflung bringen kann.

Nun ist es keineswegs ausgemacht, dass Milei die Präsidentschaftswahl Ende Oktober gewinnt, aber die Tatsache, dass man mit einem solchen Programm 30 Prozent in einer Vorwahl erreichen und viele junge Menschen begeistern kann, sollte uns schlaflose Nächte bereiten.

Ja, uns, weil die Europäer als zweitgrößter Anteilseigner des IWF unmittelbar verantwortlich sind für den Irrsinn, den diese Organisation in der Welt anrichtet und für die schlimmen politischen Folgen, die das irgendwann hat. Deutsche Minister fahren zwar nach Südamerika, um Fachkräfte anzulocken, aber noch nie ist einer auf die Idee gekommen, die Gastgeber zu fragen, warum Lateinamerika an der Währungsfrage verzweifelt.

Dollarisierung ist eine Sackgasse

Was Dollarisierung bedeutet, kann man leicht an einem anderen lateinamerikanischen Land studieren, das ebenfalls bald wählt und im Begriff ist, in eine mindestens so chaotische politische Lage abzurutschen wie Argentinien. Ecuador ist schon seit dem Jahr 2000 dollarisiert und das Ergebnis ist keineswegs die große Stabilität und der Fortschritt, den die Anhänger dieses radikalen Schrittes für ihre Sicht der Dinge proklamieren.

Zwar gibt es in einem dollarisierten Land keine unmittelbaren Währungskrisen mehr, aber es gibt in der Regel einen schleichenden Verfall, weil fast immer die Inflation noch zu hoch ist, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erodiert, und weil die Zinsen, die man für Dollarkredite bezahlen muss, die einheimischen Investoren systematisch überfordern.

Das Schlimmste an der Dollarisierung ist jedoch, dass sie wirklich eine Reise ohne Wiederkehr ist. Fixing forever war nach weniger als zehn Jahren zu Ende, aber aus der Dollarisierung kommt man nicht mehr raus. In Ecuador hat der heute umstrittene, aber in meinen Augen wirklich aufgeklärte Präsident Rafael Correa in seiner zehnjährigen Amtszeit mehrfach versucht, in Lateinamerika eine Koalition für monetäre Zusammenarbeit zu formen, die ihm ermöglicht hätte, die Dollarisierung infrage zu stellen. Doch die ganze Region ließ alle Initiativen im Sande verlaufen, aus Gleichgültigkeit, aus heimlicher Rivalität, aus Angst vor den Amerikanern, warum auch immer.

Ohne internationale Übereinkunft hat auch Correa sich nicht getraut, einen Schritt in Richtung Rückkehr zu einer nationalen Währung zu machen. Sind die Bürger erst einmal im Besitz des stabilen Dollars, kann ihnen keine Regierung erklären, dass sie in der Lage wäre, eine neue nationale Währung zu schaffen, die so stabil wie der Dollar ist und die gravierenden Nachteile der Dollarisierung vermeidet. Von immerwährender Inflationierung und Abwertung traumatisierte Menschen kann man niemals mehr in ein neues nationales Währungsabenteuer hineinlocken.

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