Aserbeidschan und die Kaviardiplomatie

Seite 2: Fluch des Erdöls

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Auch in Baku hat der schöne Schein seine Grenzen. In der Innenstadt wird zwar kräftig gebaut. Alle bekannten internationalen Modelabel sind vertreten. Laden reiht sich an Laden, prächtige Bürgerhäuser laden zum Shoppen ein. Ganz anders sieht es dagegen in den Vorstädten aus: Hier ist noch alles so, wie es die Sowjetmacht bei ihrem Zerfall 1990 hinterlassen hat. Nur dass anscheinend seither nicht mehr renoviert wurde: Man stelle sich vor, seit 1990 wären in der ehemaligen DDR nur der Potsdamer Platz in Berlin neugebaut und Unter den Linden renoviert worden. Natürlich steht Aserbaidschan wirtschaftlich ganz anders da als die fünf östlichen Bundesländer mit ihrer Anbindung an Westdeutschland. Aber Aserbaidschan hat Erdöl. Doch in den Außenbezirken von Baku ist davon nichts zu sehen. Hier herrscht post-sowjetische Tristesse.

Erschwerend hinzu kommt der Preisverfall beim Erdöl. Mit gegenwärtig rund 50 Dollar pro Barrel ist er nur noch halb so hoch wie noch vor ein paar Jahren. Zeitweise machten Rohstoffexporte drei Viertel der Prozent der Einnahmen aus. Die heimische Währung, der Manat, wurde vom Preisverfall mitgerissen. Der Versuch, den Manat zu stabilisieren, ließ die Reserven der Währungshüter in Baku 2014 von 14 Milliarden Dollar auf 4 Milliarden sinken.

Erste Rezession unter Alijew

Aserbaidschan steckt inzwischen in der ersten Rezession seit Beginn der Alijew-Präsidentschaft Mitte der 1990er Jahre. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ging vergangenes Jahr um 3,8 Prozent zurück. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet in diesem Jahr mit einem weiteren Rückgang um mehr als 1 Prozent.

Aserbaidschanische Staatsanleihen werden von Ratingagenturen in der Kategorie Ramsch geführt. Auch die größte Bank des Landes, die International Bank of Azerbaijan (IBA), geriet in Schwierigkeiten. Nach dem neuen Rettungsplan verzichten die Gläubigen auf einen Teil ihrer Forderungen, aber auch der Staat springt ein und steuert 2,45 Milliarden Dollar zur Rettung des Geldinstituts bei. Außerdem bürgt der Staat für faule Kredite in Höhe von 2,9 Milliarden Dollar.

Nach dem Öl kommt Gas

Ganz verschwunden sind die Gewinne aus den Öleinnahmen allerdings nicht. Aserbaidschan verfügt über einen Wohlfahrtsfonds (Sofaz) mit gegenwärtig fast 35 Milliarden Dollar (Stand Juni). Präsident Alijew nennt das etwas hochtrabend die "Ölstrategie", die es Aserbaidschan ermögliche, "eine wichtige Rolle in der Geopolitik des Kaukasus und des Kaspischen Raums zu spielen". Das dahinter stehende Konzept ist allerdings ziemlich simpel: Öl fördern und verkaufen. Mit den Einnahmen ließe sich die Infrastruktur des Landes verbessern, man könne Gehälter und Renten anheben und soziale Programme durchführen, wirbt Alijew:

"Öl hat keinen Wert, wenn es unter der Erde liegt. Manche Leute sagen, dass das Öl unser Volksvermögen ist und wir es zukünftigen Generationen zur Verwendung überlassen sollten. Dies ist eine falsche und populistische Sichtweise."

Doch irgendwann werden diese Einnahmen nicht mehr sprudeln. Baku plant deshalb bereits für die Zeit nach dem Erdöl. Wirklich kreativ ist der Plan allerdings nicht: Statt Erdöl soll Erdgas der Exportschlager des Landes werden. Ab 2020 soll der sogenannte Südliche Gaskorridor Gas in die Europäische Union liefern. Eine 3500 Kilometer lange Pipeline soll Aserbaidschan mit Italien verbinden. "Aserbaidschan öffnet zum ersten Mal in seiner Geschichte seine riesigen Erdgasressourcen für die Welt. Für Georgien, die Türkei, Griechenland und Albanien ist der Gaskorridor das größte Infrastrukturprojekt in deren Geschichte", sagte der Vizepräsident der State Oil Company of Azerbaijan (SOCAR), Elshad Nassirov, im Mai 2016.

Doch noch ist die Zeit nach dem Erdöl nicht angebrochen. Im Gegenteil: In der Umgebung von Baku stehen bis heute die alten Pferdekopfpumpen und pumpen das schwarze Gold aus dem staubig-trockenen Boden. So sah es hier überall aus, bevor ab der Mitte des 19. Jahrhunderts der Ölboom begann und Baku von einer alten Karawanenstadt zur Ölmetropole wurde. Die alten Karawansereien, kleine Herbergen für Kaufleute, zeigt man heute in der Altstadt von Baku den Touristen. Sie sind schön renoviert. Kein Wunder: Die ummauerte Altstadt gehört mittlerweile zum Unesco-Weltkulturerbe.