Asyl: Beschleunigtes Verfahren mit systematischen Mängeln

BAMF-Personalrat schreibt offenen Brief an den neuen Leiter Weise. Angeprangert werden große Lücken bei der Identitätsprüfung der Asylsuchenden

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Erst neulich waren Journalisten zu Besuch bei der Ausbildung von Asyl-Entscheidern. Der Spiegel-Reporter berichtete "Vier Wochen Theorie, zwei Wochen Praxis, fertig ist die Ausbildung. Mehr Zeit gibt es im Moment offenbar nicht."

Auch die FAZ ermittelte sechs Wochen Ausbildung. In ihrem Berichtheißt es, dass Antragsteller, die weder eindeutig aus "unsicheren" noch aus sicheren Herkunftsländern stammen oder ohne Pass oder mit gefälschten Ausweisen Asyl beantragen, den "Schnitt kaputtmachen" (Weise).

Der Schnitt, die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren, liege derzeit bei 5,2 Monaten. Bei den Anträgen aus eindeutig unsicheren Herkunftsländern laut Weise schon bei unter drei Monaten. Die Bearbeitung von über 300.000 Anträgen stehe noch aus. Wie groß der Berg genau ist, der abgearbeitet werden muss, ist unklar, es kommen immer neue dazu, die Zahlen sind nicht bekannt oder werden nicht bekannt gegeben. Im Oktober sei über 31.600 Anträge entschieden worden.

Offensichtlich ist, dass der Zeitdruck hoch ist. Was das in der Praxis heißt, darüber gibt ein offener Brief der Personalvertretung des Bamf , adressiert an den Chef Weise, Auskunft. Unterschrieben ist er vom Vorsitzenden des Gesamtpersonalrats und von einem Vorstandsmitglied des Örtlichen Personalrats in Nürnberg. In dem Schreiben (PDF) wird eine "Schnellschuss-Qualifizierung" der Asyl-Entscheider kritisiert, das ein geordnetes rechtsstaatliches Verfahren nicht gewährleiste.

Demnach würden Mitarbeiter von der Schwesteragentur, der BA - die nach Angaben der FAZ in auffallender Zahl dem Personalnotstand im Bamf abhelfen - "nach einer nur drei-bis achttägigen Ausbildung als Entscheider eingesetzt, um "massenhaft" Bescheide zu erstellen. Der andere Einblick in die Entscheidungspraxis, den das Schreiben eröffnet, zeigt sich bei der Identitäts- und Herkunftsprüfung der Asylsuchenden.

Für Antragstellende, die angeben aus Syrien, dem Irak und aus Eritrea zu kommen, laufen die Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung demnach darauf hinaus, dass die Herkunftsangaben nicht mehr genau geprüft werden. Im Grunde begnügt man sich mit den Angaben des Dolmetschers, der, wie es im Schreiben heißt, in keiner Weise auf die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland vereidigt ist.

Ob der Antragssteller seine Angaben auf eine vorgetäuschte Herkunft stützt, werde auf diese Art nicht nach den Regeln eines geordneten Verfahrens geprüft. Es geht um Schnelligkeit, die Selbstauskunft genügt, abgesegnet ist dies durch Weisungen. Anscheinend mit überwiegend positiven Vorgaben ("Durchwinken") auch bei Ländern, die als sichere Herkunftsländer gelten. In dem Brief heißt es:

Dabei ist zu beachten, dass nach aktueller Weisungslage nicht nur Verfahren aus den Herkunftsländern Syrien, Irak und Eritrea mit ganz überwiegend positiver Bescheidung in den Entscheidungszentren bearbeitet werden sollen, sondern nunmehr auch der gesamte Länderbereich Balkan, der (…) positive Entscheidungen aus verschiedenen Gründen kaum zulässt.