Asylrecht: Merz will einen gesetzlichen Vorbehalt

Friedrich Merz. Bild: Olaf Kosinsky / CC-BY-SA-3.0-DE

Der Kandidat für den CDU-Vorsitz sucht Profil und Aufmerksamkeit in der Migrationsdebatte. Er will die Debatte anheizen, alles andere lässt er offen

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Es müsse offen darüber geredet werden, ob das Asylgrundrecht "in dieser Form fortbestehen" könne, sagte Friedrich Merz am Mittwochabend bei der CDU-Regionalkonferenz in Thüringen. Laut Tagesschau verknüpfte Merz seinen Vorstoß in Hinblick auf eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik.

Diese erfordere, wenn sie ernsthaft gewollt sei, eine große öffentliche Debatte darüber, "ob man einen gesetzlichen Vorbehalt ins Grundgesetz schreibt". Deutschland sei das einzige Land auf der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in seiner Verfassung stehen habe, sagte Merz.

Vorbehalte

Wer dazu im Grundgesetz bei Artikel 16 nachschaut, liest unter (1) zunächst den klassischen Satz: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht". Allerdings finden sich in den folgenden Abschnitten beispielsweise unter (2) und (3) Formulierungen, die auch einem juristischen Laien als Einschränkungen oder Vorbehalte des ersten Satzes auffallen. Beispiel: "Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen …" (2), "Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird …" (3).

Die Bestimmungen waren Ergebnis des sogenannten Asylkompromisses von 1992, bei dem auch die SPD mitwirkte. Das "Tabu", über die im Grundgesetz festgelegte Asylregelung zu debattieren, wurde demnach bereits gebrochen, woraus verschärfte Regelungen hervorgingen

Über welche Vorbehalte Friedrich Merz jetzt konkret reden will, hat er bislang nicht präzisiert. Aber gleichwohl: Er hat eine Debatte ausgelöst, die heute von allen großen Medien aufgenommen wurde. Man reagiert wie auf Knopfdruck. Eindeutig herrscht nach wie vor großer Gesprächsbedarf, wenn es um Fragen der Migration geht.

Asylrecht aus "politischen Gründen"

Dazu gehört auch das Asylrecht, wenn auch, wie es ein Info-Kasten der Tagesschau erklärt, Asyl nach Artikel 16a des Grundgesetzes "selten gewährt wird": "Im ersten Halbjahr 2018 war dies in 1,3 Prozent aller Asylanträge der Fall, im gesamten Jahr 2017 in 0,7 Prozent der Fälle." Der überwiegende Teil derjenigen, denen Asyl gewährt wird, erhalten den Asylstatus nicht, weil sie politisch verfolgt werden, sondern weil sie vor Kriegen fliehen oder aus anderen Notlagen heraus Zuflucht suchen. Hier greift die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK).

Einzelfallprüfungen

Sollte die Aussage von Merz so verstanden werden, dass sich einzig Deutschland zu Einzelfallprüfungen ("Individualrecht") verpflichtet habe, so stimme das nicht, erwidert Pro Asyl:

Alle Unterzeichnerstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention haben sich mit ihrer Unterschrift verpflichtet, niemanden, dem Verfolgung droht, zurückzuweisen. Die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) wird deshalb auch in einem Verfahren geprüft. Es handelt sich um eine völkerrechtliche Verpflichtung. In der EU ist das Asylrecht in Artikel 18 der Grundrechtecharta geregelt. Dieser Artikel bezieht sich auf die GFK. Die EU-Staaten gewähren also Asyl nach Maßgabe der GFK. Diese deckt auch den wesentlichen Gehalt des deutschen Asylrechts ab, das ja in seiner alten Fassung sehr schlicht war: Politisch Verfolgte genießen Asyl.

Pro Asyl

Juristen, wie zum Beispiel Daniel Tym, Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz, stellten außerdem schon bei früheren Debatten (über das Recht, Asylsuchende an den deutschen Grenzen zurückzuweisen) mit Bezug auf das Bundesverfassungsgericht heraus, dass die europäischen Regelungen den deutschen vorgehen.

Wohin will Merz die Debatte steuern?

Nun kann man, wie an den Reaktionen auf den Diskussionsbeitrag von Thym im Verfassungsblog zu sehen, darüber streiten; offenkundig ist daran, dass die Debatte, die Merz einfordert, kein neues Terrain betreten würde. Ein Endloskreisel?

Jedenfalls muss man nun darauf warten, welche konkrete Vorstellungen Merz mit seiner Äußerung verbindet. Was wäre seine Formvorstellung? Was hat er genau im Sinn, wohin soll die Debatte gehen? Einfach nur für Wirbel sorgen?

Bislang ist der Eindruck, dass ihm Aufmerksamkeit genügt, der Kandidat hat nun gezeigt, dass auch er für Veränderungen der Asylpolitik der CDU steht. Das Inhaltliche erscheint nachrangig, vorrangig ist, dass der Politikrückkehrer Punkte gegen Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn sammelt (vgl. Migrationspakt, allgemeine Dienstpflicht und "gehobene Mittelschicht").

Das Migrations-/Asylthema eignet sich gerade gegen Kramp-Karrenbauer. Die Saarländerin verteidigt den Migrationspakt. Sie sei davon überzeugt, dass der Pakt "für Deutschland mehr Vorteile als Nachteile bringt", schreibt die Welt.

Merz hingegen, so berichtet die Springer-Zeitung, verlange eine Klarstellung, ob durch den UN-Migrationspakt "keine neuen Asylgründe" geschaffen werden. Das müsse in "geeigneter Weise klargestellt werden", wird er zitiert.

In diesem Fall macht er auch konkrete Vorschläge: eine Protokollerklärung der Bundesregierung oder eine Entschließung des Bundestags. Auch ein Beispiel nannte Merz: Der Klimawandel dürfe nicht als Asylgrund gelten.