Atomkraft: Auf nimmer Wiedersehen
Energie und Klima – kompakt: In Kürze gehen in den letzten deutschen AKW die Lichter aus. Doch manche träumen von einer Renaissance der Kernspaltung als Energiequelle. Warum das keine Substanz hat.
Bald ist es so weit. Am 15. April gehen die letzten drei deutschen Atommeiler endgültig vom Netz, nach dem ihre Laufzeit zuletzt noch einmal für dreieinhalb Monate verlängert worden war.
Die Versorgungssicherheit sollte damit gesichert werden, so die offizielle Begründung, mit der Olaf Scholz im Herbst den Beschluss in der Koalition durchsetzte. Zuvor hatten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellte Szenarien, die sogenannte Sonderanalyse Winter 2022/2023, allerdings gezeigt, dass das nicht allzu viel Sinn machen würde.
Der Bedarf an schnell einsetzbaren Redispatch-Kraftwerken für die Überbrückung von Engpässen würde nur geringfügig durch den Weiterbetrieb der AKW verringert. Und tatsächlich war in den letzten Monaten die Versorgung auch zu keiner Zeit infrage gestellt. Auf den Streckbetrieb hätte ohne Weiteres verzichtet werden können.
Wobei anzumerken ist, dass von einer zeitweilig sehr ausgespannten Situation ausgegangen wurde, weil noch im September nur die Hälfte der französischen Atomkraftwerke lief und damit mit einer erhöhten Nachfrage der Nachbarn jenseits des Rheins nach elektrischer Energie aus Deutschland gerechnet wurde.
Wenn überhaupt, dann würde es lediglich im Fall der beiden AKW Isar 2 und Neckarwestheim Sinn machen, sie bis Mitte Februar weiterlaufen zu lassen, hatte das Bundeswirtschaftsministerium seinerzeit nach der Lektüre der von den Übertragungsnetzbetreibern erstellten Sonderanalyse befunden.
Dennoch hatten konservative und rechtsradikale Opposition sowie der liberale Koalitionspartner ein Trommelfeuer veranstaltet, die AKW-Laufzeiten müssten verlängert werden.
Schließlich hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) den koalitionsinternen Streit beigelegt, indem er auch für das AKW einen Streckbetrieb bis in den April hinein durchsetzte. Formal hatte das natürlich das Parlament zu entscheiden, da derlei im Atomgesetz geregelt wird, aber die zu sehr mit Waffenlieferungen, Aufrüstung und dem Hochfahren von Verteidigungsaufgaben beschäftigten grünen Abgeordneten beugten sich dem Kanzler-Votum.
Zu Ende ist damit die Auseinandersetzung um die Atomenergie allerdings noch lange nicht. Zum einen sind da noch die Anlagen in einigen Nachbarländern wie Frankreich, Belgien und der Tschechischen Republik. Meist sind diese bereits ziemlich altersschwach, sodass größere Havarien in den nächsten Jahren nicht auszuschließen sind.
Zum anderen arbeiten in Deutschland weiter eine Reihe kleiner Forschungsreaktoren sowie Urananreicherungs- und andere Anlagen für die Herstellung von Brennstäben. Auch ist noch immer kein Endlager für den noch viele Jahrzehntausende strahlenden Müll gefunden, obwohl dessen sichere und gesicherte Lagerung doch eigentlich bereits seit Beginn der 1980er-Jahre als Voraussetzung der Betriebsgenehmigungen der AKW galt.
Einstürzende Neubauten: Unwirtschaftlich, hohe Kosten, gefährlich
Schließlich gibt es immer noch eine kleine Atomlobby, die einen Neubau von AKW fordert und dabei – wenn auch wenig glaubwürdig – auf entsprechende Bauvorhaben in Großbritannien, Finnland und Frankreich verweisen kann. Auf den wenigen dortigen Baustellen gehören Kostenexplosion, allerlei Pannen und jahrelange Verzögerungen zum Alltag.
Mit den Träumen einer nuklearen Renaissance, wie sie Konservative, Rechtsradikale und ein Teil der Liberalen immer noch hegen, hat sich dieser Tage das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin auseinandergesetzt. Das Ergebnis in Kürze: unwirtschaftlich, unausgereift, hohe Kosten, große Verzögerungen bei Planung und Bau, weltweit nur wenige Neubauten und im Falle der schnellen Brüter ein hohes Risiko, Atomwaffen fähiges Material zu verbreiten. Christian von Hirschhausen, DIW-Forschungsdirektor der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt dazu:
Atomenergie war, ist und bleibt technologisch riskant und unrentabel. Daran ändern auch angeblich innovative Reaktorkonzepte nichts, die in Wirklichkeit ihren Ursprung in der Frühzeit der Atomenergie in den 1950/60er Jahren haben.
Untersucht wurden drei Reaktortypen: Leichtwasserreaktoren, SMR genannte Minireaktoren (Small Modular Reactors) und schnelle Brüter. Letztere wären eine wichtige Voraussetzung für eine langfristige Nutzung der Atomkraft im größeren Stil.
Der Brennstoff Uran ist nämlich nur noch sehr begrenzt verfügbar und im Prinzip könnten die sogenannten schnellen Brüter Abhilfe schaffen. Diese können nämlich in der Theorie mehr spaltbares Material erzeugen als sie verbrauchen.
In der Praxis hat sich das bisher allerdings als äußerst schwierig und unwirtschaftlich erwiesen. In Deutschland ging der schnelle Brüter in Kalkar nie in Betrieb. Außer zwei Anlagen in Russland gibt es heute keinen kommerziell arbeitenden Reaktor. Daran hat bisher auch die Entwicklungsgemeinschaft Gen IV nichts ändern können, in der die USA, China, Russland, Südafrika, die Schweiz, Frankreich und einige andere Länder an neuen Konzepten arbeiten.
Ähnlich sieht es bei anderen Anlagentypen aus. Seit mehreren Jahrzehnten hat die Atomwirtschaft keine Reaktorlinien anbieten können, die wirklich in der Lage wären, im Wettbewerb zu bestehen. Auch für die Minikraftwerke gebe es trotz des Hypes, der zeitweise um sie gemacht wurde, kaum Abnehmer.
Die Idee, Atomkraftwerke mit geringer Leistung zu bauen, habe sich bereits in den 1950er-Jahren als zu teuer erwiesen. In den größeren Anlagen war der Strom deutlich günstiger zu produzieren.
So wird es also aller Voraussicht nach dabei bleiben, dass in den nächsten Jahrzehnten einige 100 AKW aus Altersgründen stillgelegt werden, ohne dass sie durch neue Reaktoren ersetzt würden. Es bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass es rechtzeitig geschieht und nicht erst der eine oder andere Methusalem-Reaktor in die Luft fliegen muss.
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