Atomland Bangladesch - es wird ernst
Seite 2: Erdbeben und Zyklone
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Die Zahl der Zyklone, die Bangladesch regelmäßig verwüsten, hat zugenommen und wird mit großer Wahrscheinlichkeit weiter zu nehmen. Dazu liegt das Land in einer Gegend mit einem hohen Risiko moderater und schwerer Erdbeben. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu schweren Beben.
Auch wenn Ruppur zu den weniger gefährdeten Orten im Land gehört: Unwahrscheinlich ist ein Beben dort nicht. Und auch bei diesen Punkten gilt: Es geht nicht darum, Angst vor einem Supergau zu schüren. Die in Ruppur verwendeten Reaktoren des Typs WWER-1200 verfügen über aktive und passive Sicherheitssysteme, die unter anderem Stürmen, Erdbeben und Flugzeugabstürzen widerstehen sollen.
Es geht darum aufzuzeigen, wie unsinnig der Standort Ruppur ist, um den reibungslosen Ablauf eines Kraftwerks zu garantieren, das Strom produzieren soll. Auch das Argument der Premierministerin Hasina greift noch nicht, dass ein Atomkraftwerk "ihr" Land unabhängig von Importen zur Energieerzeugung macht: Erst im letzten Jahr sind die ersten Uranvorkommen im Land entdeckt worden, eine Nutzung ist nicht wirklich in Sicht.
Billig wird der Atomstrom nicht werden: Nur wenn keine weiteren Kosten dazu kommen sollten, und sollte das Kraftwerk 40 Jahre lang laufen, mit der üblichen Auslastung von 70 Prozent, wird die Einheit 7 Cent kosten. Solarstrom in der Region liegt bei 3 Cent - Anfang Oktober bekam die chinesische Firma Longi Solar den Zuschlag die Module für einen 200 MW Solarpark im Norden Bangladeschs zu liefern. Bisher war China durch den Bau von Kohlekraftwerken in Bangladesch aufgefallen.
Indisch-russische Atompartnerschaft in Ruppur
Indien, das die Flusspegel in Bangladesch durch seine Staudämme beeinflusst, ist selbst am Bau des Kraftwerks beteiligt. Am 1. März 2018 unterzeichneten in Moskau die Botschafter Indiens und Bangladeschs, zusammen mit dem stellvertretenden Generaldirektor für internationale Beziehungen des russischen Staatskonzerns Rosatom, Nikolai Spasski, einen Vertrag über den Bau der beiden Reaktoren in Ruppur mit einer Nennleistung von jeweils 1200 Megawatt.
Da Indien kein Mitglied der NuclearSuppliers Group (NSG) ist, die sich der Nonproliferationspolitik verpflichtet hat, versicherten die Verantwortlichen von Rosatom, dass ihr Partner nur untergeordnete Aufgaben ausführen wird.
Ein Blick in den indischen Bundesstaat Tamil Nadu nach Kudankulam zeigt, wie gut diese Partnerschaft bisher läuft: Wegen Planungsfehlern und Protesten der lokalen Bevölkerung dauerte es zwölf statt fünf Jahre, bis der erste der russischen Druckwasser-Reaktoren WWER-1000/412 Ende 2014 den Betrieb aufnahm.
Doch schon nach sechs Monaten musste der Reaktorblock wegen Sicherheitsproblemen für sieben Monate stillgelegt werden. Allein in den ersten zwei Betriebsjahren gab es 15 Schnell-Abschaltungen. Bei einem Unfall wurden sechs Arbeiter ernsthaft verletzt.
Es spricht vieles dafür, das Rosatom beim Bau in Kudankulam Teile verwendet hat, die aus Reaktoren der Tschernobyl-Generation stammen. Indische Wissenschaftler hatten sich die in Kudankulam verbauten Komponenten genauer angesehen und entsprechende Schlüsse gezogen. Die Bauteile entsprächen damit nicht den erhöhten Sicherheitsanforderungen, die seit dem Reaktorunglück in Tschernobyl verlangt werden.
Mittlerweile ist das Kraftwerk in Kudankulam zwar wieder in Betrieb, aber es läuft nur mit halber Leistung. Trotzdem haben die Partner mit den Bauarbeiten für die Blöcke drei und vier begonnen. Auch in Ruppur wollte Rosatem zuerst die Reaktoren der WWER-1000 Reihe verbauen.
Doch in den Anfängen der Hasina-Regierung gab es noch eine große Aktivisten-/Protestbewegung in Bangladesch: 2015 unterschrieb Rosatem so immerhin die Lieferung von Reaktoren der 1200-Reihe. Bis auf den Textilbereich sind fast alle Protestbewegungen in Bangladesch niedergeschlagen worden. Was die lokalen Schlägerbanden von Hasinas Awami-Liga nicht zustande brachten, wurde übers Geld geregelt: Fast alle Nicht-Regierungs-Organisationen im Land werden direkt oder indirekt von der Regierung kontrolliert, so hängen Wissenschaftler und Intellektuelle am Geldtropf der Regierung.
In meinen Jahren in Bangladesch habe ich mir vor Ort einige angebliche Taten der Hasina-Regierung angeschaut: Auf dem Papier funktionierende Krankenhäuser sind in Wirklichkeit leer, weil ohne Personal: Wenn Bangladesch in vielen sozialen Indexen besser als Indien abschneidet, warum "rennen" die Ost-Bengalen dann in die Krankenhäuser nach Indien? Angebliche Smartschulen mit nur wenigen Computern. Angeblich geschlossene, dreckige Gerbereien. Angebliche Fortschritte von Fabriken in Sachen Umweltverschmutzung oder angebliche Fortschritte der Arbeitsbedingungen: Ich bin mir sicher, dass die Atomkraftwerke in Bangladesch noch für internationale "Unterhaltung" sorgen werden.
Mit großer Sicherheit wird dann auch wieder in Deutschland der "Hilfe, das Kind ist in den Brunnen gefallen"-Journalismus auf Hochtouren laufen und fragen: Wie konnte das nur passieren? Dafür wird nicht einmal eine Kernschmelze nötig sein.
Nur wer wird dann in Bangladesch die Rolle des Bösewichtes übergestülpt bekommen? Den braucht es, alles andere wäre zu komplex. In Bangladesch bauen zwar Russen und Inder das Atomkraftwerk, aber Kanadier und Franzosen hätten es ebenfalls gerne getan und auch Thyssenkrupp sind die Umstände in Ruppur egal: Hauptsache der Rubel rollt.