Atomwaffen-Politik unter Trump: New Nukes, for no Good Reason

Archivfoto einer INF-Inspektion, am 18.10.1988; Bild: US-Verteidigungsministerium /gemeinfrei

Die US-Regierung hat bereits vor einem Jahr angekündigt, ihr Atomwaffenarsenal erweitern zu wollen. Der INF-Vertrag ist dabei nur einer von mehreren störenden Verträgen

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Im Vertrag über "Atomwaffen mittlerer Reichweite" (INF) hatten sich die USA und die damalige Sowjetunion im Jahr 1987 darauf geeinigt, Waffen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 Kilometern zu verbieten. Der Vertrag führte dazu, dass die sowjetischen SS-20 und die amerikanischen Pershing-Raketen verschrottet wurden. Gegen diese Raketen und die Wiederaufrüstung hatte die Friedensbewegung damals erfolgreich Millionen Menschen mobilisiert.

Mit dem Amtsantritt von Donald Trump zeichneten sich jedoch zwei Aspekte der neuen amerikanischen Außenpolitik ab. Erstens kündigt der aktuelle Präsident routiniert sämtliche internationale Vertragswerke, von denen er meint, dass sie seinen Interessen widersprächen. Zweitens bekannte sich Trump bereits vor seinem Amtsantritt dazu, dass er nukleare Aufrüstung für sinnvoll hält. Diese Vorbedingungen lassen die aktuelle Diskussion um den INF-Vertrag anders erscheinen, als sie die NATO-Pressesprecher darstellen, die wie üblich mit dem Finger nach Russland zeigen.

Schon im Januar 2018 veröffentlichte die Huffington Post einen ersten Vorschlag für eine neue Atomwaffen-Doktrin der Regierung unter Donald Trump. Autorin Ashley Feinberg fasste diese erste "Bewertung der nuklearen Lage" (2018 Nuclear Posture Review) mit folgenden Worten zusammen: "New Nukes, for no Good Reason."

Bereits wenige Monate zuvor, im Oktober 2017, hatte die Presse berichtet, Präsident Trump habe auf einem Treffen "hochrangiger Politiker der nationalen Sicherheit" erklärt, er wolle das US-Atomarsenal fast verzehnfachen. Vermutlich geht es bei dem Bericht um eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates (NSC) im Juli. Laut NBC-News reagierte der neue Präsident auf eine offizielle Unterrichtung, die feststellte, dass die Zahl der US-Nuklearwaffen seit den späten 1960er Jahren stetig zurückgegangen sei.

Überraschung und Dementi

Laut NBC-Informationen war das anwesende Spitzenpersonal, darunter die Generalstabschefs und der damalige Außenminister Rex Tillerson, sehr überrascht. Sie erklärten dem Präsidenten "kurz die rechtlichen und praktischen Hindernisse" für eine nukleare Aufrüstung und betonten, dass die gegenwärtige Militärdoktrin "stärker" sei als auf dem Höhepunkt der atomaren Aufrüstung.

Außerdem führten sie rechtliche Bedenken an:

Jede Erhöhung des amerikanischen Atomwaffenarsenals würde nicht nur mit der Jahrzehnte langen US-Nukleardoktrin brechen, sondern auch internationale Abrüstungsverträge verletzen, die von jedem Präsidenten seit Ronald Reagan unterzeichnet wurden.

NBC

Experten für die Nichtverbreitung von Atomwaffen warnten außerdem davor, dass ein solcher Schritt ein globales Wettrüsten auslösen könne. In anschließenden Presseveröffentlichungen hieß es zunächst, dass die US-Regierung keine Erweiterung ihres Atomwaffenarsenals plane. Andererseits hatte Trump bereits vor seiner Amtseinführung ausdrücklich erklärt, dass die USA "ihre Atomwaffen stark ausbauen und erweitern müssen" und dies auch unmittelbar nach Amtsantritt öffentlich verteidigt.

Allerdings reagierte das Weiße Haus zunächst mit einem energischen Dementi auf den NBC-Bericht. Der US-Präsident twitterte, der Bericht sei "reine Fiktion, die auf Erniedrigung ausgerichtet ist". Später behauptete Trump auf einer Pressekonferenz, dass er "nie darüber gesprochen hat, die Größe des nuklearen Arsenals zu erhöhen", und wiederholte seine Behauptung über "gefälschte Nachrichten".

Die Regierung erklärte stattdessen, sie arbeite nur an der "Modernisierung" des bestehenden Arsenals, und übernahm damit zunächst die bereits unter der Obama-Regierung gebräuchliche Formulierung. Tatsächlich macht dies einen weit reichenden Unterschied aus. Die "Modernisierung des Arsenals" läuft bereits seit Jahren. Dies stellt formal jedoch keine Verletzung der Vertragsverpflichtungen dar, meint etwa Atomwaffenexperte Joe Cirincione:

Man bekommt keine Probleme bei der Modernisierung. Du bekommst Ärger, wenn du eines von zwei Dingen tust: Wenn du die Zahl erhöhst. Die strategischen Waffen sind vertraglich begrenzt. Zweitens, wenn Sie eine neue Art von Waffe bauen, die durch einen Vertrag verboten ist.

Joe Cirincione

Bemerkenswert ist außerdem, dass es bei diesem Thema bis vor wenigen Monaten gar nicht um angebliche Bedrohungen aus Russland ging. In der öffentlichen Debatte fand sich zumindest kein Hinweis, dass etwa die Russische Föderation gegen den INF-Vertrag verstoße. Die öffentliche Atomwaffen-Debatte fand bis dahin vor dem Hintergrund statt, dass der nordkoreanische Präsident Kim Jong-un und Donald Trump darum wetteiferten, wer den Größeren habe.

Als Nordkoreas Präsident im Januar 2018 in Richtung USA damit drohte, dass auf seinem Schreibtisch immer ein "Atomwaffenknopf" stehe, twitterte Donald Trump: Sein Knopf sei "größer und mächtiger". Abgesehen von diesem öffentlichen Schlagabtausch hatte die nordkoreanische Regierung mithilfe der atomaren Aufrüstung ihren politischen Spielraum letztendlich deutlich erweitert, was international mit stillem Interesse zur Kenntnis genommen wurde.

Der Finger auf Russland

Doch zurück zu den Plänen der US-Regierung: Zwar forderte der praktisch zeitgleich veröffentlichte Entwurf der 2018 Nuclear Posture Review (NPR) schließlich keine Verzehnfachung des Arsenals. Allerdings taucht in der neuen NPR bereits die Behauptung auf, dass Russland damit drohe, "niedrig energetische Atomwaffen" einzusetzen. Daher fordert das Papier die Entwicklung neuer "niedrig energetischer Atomwaffen", also von neuen Sprengköpfen mit geringerer Sprengkraft.

Damit hängen notwendigerweise auch neue Trägersysteme insbesondere für U-Boote und Cruise Missiles zusammen. Außerdem stellt das Papier mehrmals auf den atomwaffentauglichen neuen Kampfjet F-35 ab. Diese Planungen müssen nicht zwangsläufig gegen den INF-Vertrag verstoßen, da dieser nach Meinung von Experten zumindest kein Verbot von seegestützten Cruise-Missiles umfasst. Aber anders als zuvor behauptet, will die US-Regierung ausdrücklich ihr Atomwaffenarsenal ausbauen.

Neben einer allgemeinen Verschiebung in der Frage, wann Atomwaffen eingesetzt werden dürfen, geht es der Trump-Regierung vor allem um neue Atomwaffen für die U-Boot-Flotte sowie die Schaffung eines neuen nuklearfähigen Marschflugkörpers. In der veröffentlichten Endfassung vom Februar 2018 ist Russland und dem INF-Vertrag schließlich ein eigener Absatz gewidmet.

Darin werfen die Autoren ihrem neuen Lieblingsfeind erstmals öffentlich vor, eine neue Kurzstreckenrakete namens SSC-8 entwickelt zu haben, was eine Verletzung des INF-Vertrages darstelle. Die USA behaupten, dass Russland einen Marschflugkörper an Land stationiere und ihn nicht nur, wie den US-Tomahawk oder die russische Kalibr von See abschieße. Allerdings liegen dafür bisher keinerlei Beweise vor.

Deutlich wurde in dem Papier aber vor allem, dass die US-Regierung mit der 2018 NPR eine "Ausweitung flexibler Nuklearoptionen" ankündigt.

Seit Jahrzehnten setzen die Vereinigten Staaten nukleare Optionen mit niedrigem Kraft ein, um Abschreckung und Sicherheit zu stärken. Die Erweiterung flexibler US-amerikanischer Nuklearoptionen um Optionen mit niedriger Kraft ist wichtig für den Erhalt einer glaubwürdigen Abschreckung gegen regionale Aggressionen.

Nuclear Posture Review, 2018

Auch im Hinblick auf den "Vertrag über den umfassenden Stopp von Atomtests" (CTBT) sind die US-Pläne bemerkenswert vage. Während der NPR-Bericht 2010 fast ein Dutzend Mal das Engagement der Vereinigten Staaten für die Aufrechterhaltung ihrer Lagerbestände "ohne Atomtests" bekräftigt, sagt der neueste NPR-Entwurf, dass das Land die Atomtests "sofern nicht nötig" nicht wieder aufnehmen werde.