Atomwaffen-Politik unter Trump: New Nukes, for no Good Reason

Seite 2: Kein Interesse am russischen Vermittlungsvorschlag

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Am Mittwoch dieser Woche präsentierte schließlich das russische Militär gegenüber der Presse den landgestützten Marschflugkörper 9M729, der von den NATO-Staaten als SSC-8 bezeichnet wird.

Nach russischer Darstellung beträgt dessen maximale Reichweite 480 Km und verstößt somit nicht gegen die Abmachungen im INF-Vertrag. Bisher hatte die US-Regierung eine Einladung Moskaus ausgeschlagen, das Waffensystem vor Ort zu inspizieren. Auch die Bundesregierung zeigt kein Interesse an dem russischen Vermittlungsvorschlag.

NATO-Experten zogen umgehend in Zweifel, dass es sich bei dem präsentierten System um den fraglichen Marschflugkörper 9M729/SSC-8 handelt. Andererseits hatten westliche Geheimdienste bisher überhaupt keine stichhaltigen Informationen zu dem System vorgelegt. Es kursieren lediglich Video-Aufnahmen von einer kürzeren und dickeren Rakete, bei der es sich laut US-Geheimdiensten um einen Iskandr-Marschflügkörper handeln soll.

Aufgrund dieses Versteckspiels gehen die meisten Beobachter davon aus, dass Donald Trump am 2. Februar den INF-Vertrag kündigen wird. Angeblich hat die US-Seite die russische Regierung davon informiert, dass die Entscheidung bereits feststehe und die aktuellen Schritte "keine Einladung zum Dialog" seien. Demnach geht es in der öffentlichen Debatte nur noch darum, Russland die Verantwortung für diesen Schritt zuzuschieben.

Für das Beratergremium der Bundesregierung, die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), kam Wolfgang Richter noch im November 2018 zu der Einschätzung, dass Washingtons unilaterales Handeln den jüngsten Positionen der NATO widerspreche:

Sollten die Vereinigten Staaten den INF-Vertrag verlassen, würde ein weiterer Eckpfeiler der europäischen Sicherheitsordnung und der globalen nuklearen Ordnung kollabieren. Unberechenbarkeit und Destabilisierung würden zunehmen. Europa muss der Gefahr eines neuen nuklearen Wettrüstens entschieden entgegentreten.

Wolfgang Richter

Diese Einschätzung ist nun, wenige Wochen später, allerdings obsolet. Insbesondere der deutsche Außenminister Heiko Maaß (SPD) beteiligt sich an dem Washingtoner Spielchen, mit dem Finger auf die Russen zu zeigen. Bei seinem Besuch in Washington erklärte er, Russland sei "nach wie vor am Zug" und müsse die Reichweite seiner neuen Marschflugkörper offenlegen. Von einer europäischen Position, die den unilateralen Schritten der USA entgegentritt, war jedenfalls nicht zu spüren.

Foreign Affairs sieht für das Jahr 2019 bereits eine grundsätzliche Wende nach 30 Jahren atomarer Abrüstung:

Unterdessen hat die Trump-Administration beschlossen, eine niederenergetische Atomwaffe für die Bereitstellung durch U-Boote zu entwickeln, eine Waffe, deren Einsatz zu verheerenden Fehleinschätzungen führen könnte, da sie von einem höher energetischen Sprengkopf auf dem Weg zu ihrem Ziel auf dem russischen Territorium nicht unterscheidbar wäre - und Putin selbst erklärte, dass Russland nicht warten werde, bis der Sprengkörper geprüft ist, bevor es mit strategischen Atomwaffen reagiert.

Foreign Affairs

Die Gesellschaft ist gefordert

Da aus der Politik im Rahmen der EU und der NATO offensichtlich keine Schritte zu erwarten sind, wäre nun die Gesellschaft gefordert. Am heutigen Freitag tagt der NATO-Russland-Rat zu dem Thema, wobei die NATO-Außenminister sich bereits Anfang Dezember darauf festgelegt hatten, dass sie die Erzählung aus dem Weißen Haus unterstützen.

Im Bundestag fordert, wie bei außenpolitischen Themen üblich, nur die Linkspartei ein anderes Herangehen. Deren verteidigungspolitischer Sprecher, Alexander Neu, rief die Bundesregierung auf, einer Stationierung neuer Atomwaffen auf deutschem Boden bereits jetzt eine klare Absage erteilen.

Zugleich müsse sich die Bundesregierung auf EU- und NATO-Ebene gegen eine Stationierung dieser Waffensysteme in Europa engagieren, so Neu, der zu diesem Thema auch eine Campact-Petition startete.