Auch Polizeigewerkschaft warnt nun vor Gefahr durch Rückkehr von Ukraine-Kämpfern
Landeschef der DPolG sieht Gefahr nach Wiedereinreise Freiwilliger. Verweis auf Jugoslawien-Kriege. Problem auch auf russischer Seite
Der bayerische Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) hat vor einer "Professionalisierung" bei Straftätern und vor einer Zunahme von Gewalttaten durch zurückkehrende Kämpfer und eingeschmuggelte Schusswaffen aus dem Ukraine-Krieg gewarnt. Nach Ansicht des Landesvorsitzenden der DPolG, Jürgen Köhnlein, würden sich "insbesondere extremistische Kriegsteilnehmer und viele illegal verfügbare Schusswaffen" negativ auf die innere Sicherheit in Deutschland auswirken.
Köhnlein befürchtet dadurch auch ein "höheres Gefährdungspotential bei Polizeieinsätzen" und fordert: "Die Polizei muss sich auf dieses Bedrohungsszenario einstellen."
Der Polizeigewerkschafter knüpft damit an eine Debatte an, die – wie Telepolis unlängst berichtete – auch in der Europäischen Union geführt wird.
Der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung, Ilkka Salmi, und EU-Mitgliedsstaaten gehen demnach angesichts des Krieges in der Ukraine ebenso von einer erhöhten Terrorgefahr für die Europäische Union aus.
Eine zugespitzte Gefährdungslage sehen Sicherheitspolitiker in Brüssel zum einen dadurch, dass Kämpfer aus Mitgliedsstaaten der Union und aus anderen Ländern derzeit in die Ukraine reisen. Kritisch bewertet wird aber auch die unkontrollierte Verbreitung von Waffen aus dem Krieg, wie Telepolis aus Brüsseler Diplomatenkreisen erfuhr.
Dazu erklärte Köhnlein von der Deutschen Polizeigewerkschaft, bereits jetzt lägen dem Bundesinnenministerium Informationen zu 37 Personen mit Reisebewegungen oder Reiseabsichten in die Ukraine vor, bei denen Erkenntnisse zu einem rechtsextremistischen Hintergrund bestehen.
"Bei ungefähr der Hälfte von diesen Personen bestehen auch Erkenntnisse, dass sie tatsächlich ausgereist sind", fügte der Gewerkschafter hinzu. Er berief sich auf einen Zeitungsbericht, demzufolge bei fünf Rechtsextremisten "tatsächliche Anhaltspunkte für eine angestrebte Beteiligung an Kriegshandlungen" bestünden.
Ukraine-Kämpfer: keine akute Gefahr, dennoch Warnungen
Die Gruppe der Gefährder aus dem rechtsextremen Spektrum ist nach Behördenerkenntnisse zwar noch klein. Auch zwei Gremien, die sich für den Rat der Europäischen Union mit Fragen der Terrorismusbekämpfung beschäftigen, sahen zuletzt keine akute Terrorgefahr.
Mitgliedsstaaten berichteten aber von verschärften Grenzkontrollen und warnten vor der Rückkehr politisch radikalisierter oder traumatisierter Kämpfer aus der Ukraine, hieß es in dem Telepolis-Bericht unter Berufung auf Teilnehmerkreise.
Köhnlein verwies vor diesem Hintergrund auf die Erfahrung mit den Jugoslawien-Kriegen der 1990er-Jahre:
Bis heute tauchen hierzulande noch Waffen aus den kriegerischen Auseinandersetzungen im früheren Jugoslawien in den 90er Jahren auf. Und es gibt nicht nur dort Leute, die damit umgehen können. Auch Kämpfer aus Deutschland werden in der Ukraine im Umgang mit Waffen und Sprengmitteln ausgebildet. Darunter befinden sich Extremisten jeglicher Couleur. Diese erwerben im dortigen Krieg Fähigkeiten und Kenntnisse für die gewalttätige Umsetzung ihrer ideologischen Ziele. Die Hemmschwelle zum Einsatz von Gewalt dürfte bei diesen ehemaligen Kriegsteilnehmern deutlich gesunken sein, wenn sie zurückkehren.
Hinzu komme, dass in der Ukraine unkontrolliert ausgegebene oder verwendete Schusswaffen früher oder später auf dem Schwarzmarkt und im Darknet angeboten würden und dann weitere Abnehmer für die Begehung von Straftaten fänden.
Bedenken bestehen aber nicht nur wegen der freiwilligen Kämpfer oder Söldner in der Ukraine, auch wenn dieses Thema im Vordergrund steht, weil eine direkte Ausreise von Europa in die Ukraine möglich ist und die ukrainische Regierung vom Westen in Verteidigungskrieg gegen die russische Armee direkt unterstützt wird.
Auch auf russischer Seite sind seit geraumer Zeit ausländische Kämpfer aktiv, darunter auch Rechtsextremisten, wie der Blick nach Schweden zeigt.
Anschlag von Rechtsextremen in Schweden nach Training in Russland
Im dortigen Göteborg hatte ein Gericht Anfang Juli 2017 drei Neonazis zu Haftstrafen bis zu achteinhalb Jahren verurteilt, weil die Männer im Winter zuvor zwei Bombenanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und einen weiteren Anschlag auf das Buchcafé einer Gewerkschaftsorganisation verübt hatten.
Die Verurteilten im Alter von 20, 23 und 51 Jahren waren in der "Nordischen Widerstandsbewegung" (NMR) aktiv, einem der gewaltbereitesten Neonazi-Bündnisse in Skandinavien.
Bewiesen werden konnte 2017, dass die beiden jüngeren Täter eine paramilitärische Kurzausbildung der "Russian Imperial Movement" in St. Petersburg durchlaufen hatten. Dort lernten sie auch, Bomben zu bauen, hieß es damals in der linksliberalen taz.
Bei der Bundespressekonferenz am 20. April wurde das Thema gestreift, als ein Journalist nach der möglichen Aufnahme von ukrainischen Kämpfern aus dem von russischen Truppen belagerten Asow-Stahlwerk in Mariupol ansprach.
In einem Appell sei die Bundesregierung aufgefordert worden, sich an der Aufnahme von rund 500 Kämpfern zu beteiligen. Bei diesen Kämpfern handelt es sich nach Presseberichten maßgeblich um Mitglieder des rechtsextremen Asow-Bataillons.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit konnte entsprechende Pläne aber nicht bestätigen. Ihm sei "diese Frage noch nicht begegnet", sagte er und fügte an: "Ich kann aber darauf verweisen, dass der Bundeskanzler gestern noch einmal sehr klar an den russischen Präsidenten appelliert hat, diesen Krieg sofort zu beenden und vor allem auch einen Waffenstillstand und einen Abzug von Zivilisten (…) zu gewährleisten."