Auch Zerstören will gelernt sein

Mutmaßliche Öko-Aktivisten haben durch die Zerstörung einer Testanpflanzung genetisch veränderten Kartoffeln erst zur Möglichkeit der unkontrollierten Ausbreitung verholfen

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Wir leben in einer komplizierten Welt, deren Veränderung sich selbst ständig verändert und obendrein auch noch beschleunigt. Mit diesem Tempo Schritt zu halten ist nicht leicht und nicht jedermanns Sache. Selbst das Anforderungsprofil für ökologisch motivierte Extremisten ist nicht mehr das, was es einst war. Ein Mindestmaß an Sachkenntnis und Intellektualität müsste heute auch der Radikal-Öko mitbringen, sonst könnte das Resultat der Weltverbesserung mittels Brechstange schnell katastrophale Folgen haben. Hehre Ziele, verheerende Resultate. Gut gemeint ist eben diametral entgegengesetzt von gut gemacht, wie schon Harald Schmidt so treffend den Finger in die Wunde zu legen wusste. Benötigen militante Naturfreunde zukünftig Fachkurse für sachgerechte Verwüstung?

In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni drangen unbekannte Täter auf das Gelände der Versuchsstation Roggenstein, in der Nähe von Fürstenfeldbruck, vor. Die Technische Universität München nutzte das Areal für ein seit dem Jahr 2000 laufendes Verbundprojekt, an dem fünf Universitäten, eine Bundesanstalt, ein Fraunhofer Institut und mehrere Industriepartner beteiligt waren. Mittels Gentechnik war hier in Kartoffeln das natürlich vorkommende Carotinoid Zeaxanthin angereichert worden, das vor altersbedingten Krankheiten, wie etwa der Altersblindheit, schützen soll.

Aber 'Gen ist böse' mag sich so mancher, zwar vermutlich nicht mit Alters-, jedoch umso mehr mit ideologischer Blindheit geschlagener Naturfreund, in Abwandelung der Siebzigerjahre-Bildzeitungs-Schlagzeile 'Angst vor Atom', gedacht und in höchstwahrscheinlich juvenilem Überschwang die Exekution der veränderten Nachtschattengewächse beschlossen haben.

Mit dem wohligen Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, machten sich die Krieger für das Reine und Wahre also daran, die von ihnen ungeliebten Knollen-Variationen aus der Mutterkrume zu reißen. Abortus pre messis, sozusagen. Unwertes Leben, weg damit. Dumm nur, dass man bei all dem Weltrettungseifer übersehen hatte, dass nicht nur die grüne Umweltministerin Künast grünes Licht für die Experimentalplantage gegeben hatte, sondern selbst Greenpeace sein Unbedenklichkeits-Plazet beigesteuert hatte. Nach einjähriger Prüfung.

Dümmer noch, dass die Öko-Krieger ihr Botanikstudium wohl etwas zu früh abgebrochen hatten und offensichtlich nicht einmal über die rudimentärsten Basiskenntnisse der Erdapfel-Vermehrung verfügten. So klärt TU-Präsident Professor Wolfgang A. Herrmann in einer Presseerklärung auf:

Kartoffeln vermehren sich über Knollen, so dass die Ausbreitungen über den Blütenstaub keine Bedeutung für den Anbau hat. Sie haben als in Europa eingeführte Fruchtart keine Verwandten, mit denen sie kreuzbar sind.

Stopp, mag da so Mancher ängstlich einwerfen, und wenn die Gen-Kartoffeln irgendwann andere Kartoffeln 'anstecken'? Genau, mag man dem Einwerfer daraufhin antworten, genau diese Gefahr ist durch das destruktive Eingreifen der Müsli-Krieger in den Versuchsaufbau signifikant gestiegen, denn, so Professor Herrmann weiter:

Kartoffeln erfrieren im Winter bei Bodenbearbeitung nach guter landwirtschaftlicher Praxis. Diese umfasst allerdings nicht das Ausreißen im Juni, bei dem im Boden Miniknollen verbleiben, die möglicherweise nicht erfrieren.

Also, liebe Naturschutzritter: Thema verfehlt, setzen, Sechs. Nicht nur nicht zerstört, sondern auch noch eine Gefahr erzeugt, die es vorher gar nicht gab.

Wir sehen also: Auch militanter Öko-Aktivismus muss sich den veränderten Voraussetzungen des 21. Jahrhunderts anpassen. Nicht einfach die Versuchskaninchen eines Biotech-Labors freilassen, die vermehren sich nämlich wie die Karnickel. Bevor man mit Sturmhaube, Brechstange und idealistischen Absichten im Herzen loszieht, sollte man vielleicht doch vorher das eine oder das andere Buch in die Hand nehmen. Fachbuch wohlgemerkt.

"Macht kaputt, was Euch kaputt macht" funktionierte noch nie und wird in Zukunft immer weniger funktionieren. Oder um es mit Forrest Gump zu sagen: "Dumm ist der, der Dummes tut".